Bürger sollen sensibilisiert werdenJeder fünfte Kölner ist arm

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Arme und bettelnde Menschen sind in Köln immer sichtbarer. Den Umgang mit ihnen will der Caritas-Leitfaden erleichtern. (Archivfoto)

Arme und bettelnde Menschen sind in Köln immer sichtbarer. Den Umgang mit ihnen will der Caritas-Leitfaden erleichtern. (Archivfoto)

Köln – Sie sitzen auf der Domplatte, vor Supermarkt-, Kirchen- und Hauseingängen, bitten mal zurückhaltend, mal aggressiver um ein paar Cents: Bettler sind im Kölner Stadtbild in der jüngeren Vergangenheit offensichtlicher geworden.

Mit Armut in Köln – nicht nur von Bettlern und Obdachlosen, sondern auch von Langzeitarbeitslosen, Frauen mit zu kleiner Rente oder Alleinerziehenden – beschäftigt sich der neue Leitfaden der Caritas „Arm in Köln“. Er widmet sich dem Umgang mit Betteln und Armut, denn: „Armut ist nicht zu übersehen in der Stadt“, sagte Caritas-Vorstand Peter Krücker bei der Vorstellung der Broschüre am Montag im Notel, der Notschlafstelle und Krankenwohnung für obdachlose Drogenabhängige.

„Bettelnde Menschen nicht ignonieren“

Das persönliche Empfinden, dass es mehr Bettler und arme Menschen im Stadtbild gibt, entspreche auch dem Empfinden der Fachleute. Ihnen sei zwar klar, dass die Handreichung keine Armut beseitige, aber sie solle dazu beitragen, diese Not besser zu verstehen und die persönliche Haltung dazu zu überprüfen. „Wir treten dafür ein, bettelnde Menschen nicht zu ignorieren“, sagt Krücker, der den Leitfaden mit dem Sozialdienst Katholischer Männer (SKM), dem Sozialdienst Katholischer Frauen (SkF), der Katholischen Jugendagentur sowie IN VIA und der Bahnhofsmission verfasst hat.

Monika Kleine vom SkF kennt das Gefühl und die Frage, ob man sich von Bettlern nun aufgefordert fühlt, Geld zu geben oder nicht – auch aus vielen Gesprächen mit Bürgern. „Diese Unsicherheit haben wir ernst genommen“, so Kleine. Es gebe zwar konkrete Hilfen vom Staat, wie Notschlafstellen oder spezielle Einrichtungen für Frauen und Männer – die Diskussion um den Umgang mit armen Menschen in der Stadt bringe das aber nicht voran.

Jeder fünfte Kölner hat Probleme mit Grundversorgung

Peter Krücker schätzt, dass rund 20 Prozent der Kölner Bevölkerung arm sind. Das heißt, jeder fünfte Kölner hat Probleme seine Grundbedürfnisse zu sichern, wie genügend Essen zu haben. Die Ursachen von Armut sind vielfältig: Mietschulden, psychische Störungen, Sucht, der Tod des Lebenspartners. Dass Armut auf den Straßen immer sichtbarer wird – Krücker schätzt, dass es in Köln 3000 bis 5000 Obdachlose gibt – ist indes ein „absolutes Großstadtphänomen“. Dabei sei Betteln immer ein Thema urbaner Gesellschaften gewesen. „Es gehört eben dazu“, sagt er, auch wenn sich die Quantität verändert habe – und die Gesellschaft sei unsicher gegenüber Bettlern geworden.

Deshalb bietet der Leitfaden nicht nur Informationen zum Thema Armut, sondern beantwortet Fragen wie: Soll man bettelnden Menschen Geld geben? Die Antwort: Warum nicht? Auch auf die Gefahr hin, dass der Menschen sich davon Alkohol kauft – ein kalter Entzug könne auf der Straße lebensbedrohlich sein. Ob Sachspenden wie Kaffee oder Brötchen sinnvoller seien? Laut der Experten empfinden das viele zwar als sinnvoller, aber es könne auch das sechste Brötchen an diesem Tag sein und damit im Müll landen. Dabei hilft meist eins: Mit den Menschen sprechen.

Mit solchen Fragen und Antworten soll die Broschüre auf Probleme aufmerksam machen, aber vor allem zum Nachdenken anregen. 6000 Broschüren werden nun in Kirchengemeinden und sonstigen katholischen Einrichtungen, aber auch in Bürgerinformationszentren verteilt. Die Informationen stehen auch online.

www.caritas.erzbistum-koeln.de/koeln-cv/

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