Deutsch-Haitianisches Paar„Dieser Anblick schneidet ins Herz“

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Voller Sorge blickt die gebürtige Haitianerin Chantal Wichert auf die Bilder, die sie dieser Tage aus der Karibik erreichen. Sie lebt seit 1987 mit ihrem Ehemann Wilhelm in Köln. (Foto: Hanano)

Voller Sorge blickt die gebürtige Haitianerin Chantal Wichert auf die Bilder, die sie dieser Tage aus der Karibik erreichen. Sie lebt seit 1987 mit ihrem Ehemann Wilhelm in Köln. (Foto: Hanano)

Köln – „Der Ostflügel des Hotels meiner Schwester ist in einen Abgrund gerutscht. Er stand auf Säulen und hat den Stößen des Erdbebens nicht standgehalten. Das Haupthaus ist eingestürzt - aber meiner Mutter und meiner Schwester geht es gut“, sagt Chantal Wichert (56), geborene Lévêque. Die Ehefrau von Haxenhaus-Wirt Wilhelm Wichert aus der Altstadt, Betreiberin eines Gastro-Reservierungsservices, war ganz entgeistert, als sie morgens um 6 Uhr im Fernsehen ihre zerstörte Heimat sah.

„In Port-au-Prince war es Mitternacht. Mittags habe ich dann meine Familie in Florida erreicht. Meine 90 Jahre alte Mutter war schon dort, meine Schwester auf dem Weg. Wie sie später berichtet hat, bebte die Erde gerade, als sie ins Flugzeug stieg. Sie sah Risse an Gebäuden und irgendwo Rauch aufsteigen. Das Handy-Netz funktionierte, und die ganze Familie war wohlauf.“ Mit zwei Stunden Verzögerung startete ihr Flugzeug; erst in Florida hat sie erfahren, dass ihr Hotel eingestürzt ist. Wegen Renovierungsarbeiten hatte es gerade leergestanden.

„Ein Glück“, sagt Wilhelm Wichert, der das Haus, das „in den 50er Jahren mit viel Beton, aber wenig Eisen“ gebaut worden war, bestens kannte und mit jedem Zimmer Geschichten verbindet. Dort im „El Rancho“ in Pétionville, nur wenige Kilometer vor Port-au-Prince, war der gebürtige Elsdorfer zehn Jahre lang Direktor, bis die Wicherts 1987 mit vier Kindern Haiti den Rücken kehrten, „weil in der jungen Demokratie alles bergab ging“. Die Kinder, die nur französisch und englisch sprachen, mit der Mutter auch kreolisch, kamen auf das Gymnasium in der Kreuzgasse.

„Als ich die Bilder von den Trümmern im Fernsehen sah, hat es mir so Leid getan“, sagt Wichert. „Ich dachte an das Stadtarchiv. Aber in Haiti sind ja hunderte Häuser eingestürzt. Dieser Anblick schneidet einem ins Herz, und es juckt mich, einfach in ein Flugzeug zu steigen und mit 100 Mann zu helfen.“ Dem Auswärtigen Amt habe er für später seine Hilfe angeboten und Geld gespendet. „Zuerst brauchen die Menschen Nahrung, Medikamente und ein Dach über dem Kopf. Später Arbeit“, sagt seine Frau, die nach dem Studium in den USA für das Tourismusministerium in Haiti gearbeitet hat. Ihr Vater war Architekt. Er hat Teile des Hafens, des Krankenhauses und viele andere wichtige Gebäude gebaut, auch für US-Konzerne. „Als Kind hatte ich Angst, wenn die Erde bebte. Mein Vater hat immer gelacht und gesagt: Ich baue erdbebensicher“, erinnert sich Chantal Wichert. „Bis Stärke 7 hat er alles berechnet und überall Querbalken eingebaut, die ich für unschön hielt. Aber er hatte wohl recht.“ Das Hotel ihrer Schwester stammte hingegen aus der Familie ihres Mannes. Rund 100 Angestellte hatte es in seinen Glanzzeiten, alleine 90 im Casino. „Das Haus hat mehrere Regierungen überstanden. Meine Schwester wird es ganz sicher aufbauen.“

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