Serie

„Spurensuche“
Friedrich Wilhelm III. und Köln – ein schwieriges Verhältnis

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Friedrich Wilhelm III., gemalt von Thomas Lawrence 1814.

Friedrich Wilhelm III., gemalt von Thomas Lawrence 1814.

Friedrich Wilhelm III. und Köln – auf Gegenliebe stießen beide nicht. Anselm Weyer macht sich auf die Spurensuche eines Mannes, der ungern in der rheinischen Metropole verweilte und sich glatt über den „Code civil“ hinwegsetzte.

„Ihr werdet gerechten und milden Gesetzen gehorchen“, ließ Friedrich Wilhelm III. den kurz zuvor Preußen zugeschlagenen Rheinlanden im Frühjahr 1815 verkünden. „Eure Religion, das Heiligste, was dem Menschen angehört, werde ich ehren und schützen.“

Der Preußenkönig war nicht sonderlich begierig darauf gewesen, die Macht über das Rheinland zu gewinnen. Seine Skepsis wurde schnell bestätigt. Die linksrheinischen Gebiete zeigten kaum Interesse an preußischen gerechten und milden Gesetzen. Sie wollten lieber die liberalen Gesetze wie den „Code civil“ behalten, die die Franzosen mitgebracht hatten.

Friedrich Wilhelm III. und Köln: Nicht nur die Religion ist ein Trenner

So stand stets mehr als nur Religion zwischen dem katholischen Köln und dem protestantischen Preußenkönig, der nur gelegentlich zu Stippvisiten kam. Am 12. Oktober 1815 traf Friedrich Wilhelm vormittags auf der Rückreise von Paris ein. Noch vor dem Frühstück im Gesellschaftshaus am Neumarkt hielt er über die vor dem Hahnentor aufgestellten Truppen Heerschau, machte Rundgänge durch Dom, St. Gereon und St. Ursula und bewunderte im Rathaus das kurz zuvor aus Paris zurückgeschaffte Rubensbild aus St. Peter. Schon um drei Uhr nachmittags reiste seine Majestät über Bonn weiter gen Berlin.

Kunstsammler, Priester und Gelehrte Ferdinand Franz Wallraf, dessen Kunstsammlung der Monarch immerhin einen Abstecher widmete.

Kunstsammler, Priester und Gelehrte Ferdinand Franz Wallraf, dessen Kunstsammlung der Monarch immerhin einen Abstecher widmete.

Von Aachen kommend kam er am 10. September 1817 abends an. Folgenden Tags überreichte ihm der Stadtrat eine lange Wunschliste, die der König geflissentlich ignorierte. Nachdem er die Festungswerke, die Arsenalwerkstätten und abermals den Dom besucht hatte, bewunderte er noch die Sammlung von Wallraf sowie die Gemäldegalerie der Jesuiten, bevor er sich über Deutz gen Düsseldorf verabschiedete. Es folgten Kurzbesuche am 26. September 1818 sowie am 30. November 1818, als er nach einer Parade auf dem Neumarkt im Haus von Charlotte Freifrau von Zuydtwyck, Gereonstraße 18, nächtigte.

An der Ecke Follerstraße und Georgstraße in der Nähe von St. Georg (unten dargestellt als St. Georg und St. Jakob im Mercator-Plan von 1571) befand sich das Haus von Peter Anton Fonk. Der war des Mordes an seinem Geschäftspartner, dem Apotheker Schröder aus Krefeld, für schuldig befunden worden. Doch Friedrich Wilhelm III. setzte sich darüber hinweg.

An der Ecke Follerstraße und Georgstraße in der Nähe von St. Georg (unten dargestellt als St. Georg und St. Jakob im Mercator-Plan von 1571) befand sich das Haus von Peter Anton Fonk. Der war des Mordes an seinem Geschäftspartner, dem Apotheker Schröder aus Krefeld, für schuldig befunden worden. Doch Friedrich Wilhelm III. setzte sich darüber hinweg.

Anlässlich seines Besuchs am 30. Juni 1821 wurde die Markmannsgasse zur Friedrich-Wilhelm-Straße. Gemeinsam mit Kronprinz Wilhelm, Prinz Friedrich von Nassau-Oranien, Herzog Wilhelm von Nassau sowie dem späteren Zar Nikolaus von Russland nahm er eine große Parade sämtlicher Truppen der Kölner Garnison ab und besuchte den Gottesdienst in der Pantaleonskirche. Er ließ sich auf dem Volksfest am Neumarkt blicken, das in einem Feuerwerk gipfelte, und nächtigte bei Friedrich Freiherr von Ende, dem Ersten Kommandanten der Stadt, Am Hof 5. Am 2. Juli reiste der König ab Richtung Düsseldorf.

Kölner Kriminalfall landete auf seinem Schreibtisch

Alle Besuche linderten für seine Majestät nicht das beständige Ärgernis, dass zwischen ihm und seinen rheinischen Untertanen eine juristische Barriere stand. Er ersehnte sich Rechtseinheit in seinem Königreich. Da kam ihm gerade Recht, als das Urteil in einem delikaten Kölner Kriminalfall auf seinem Schreibtisch landete.

Der Kölner Peter Anton Fonk hatte 1815 begonnen, mit dem Krefelder Apotheker Schröder Spirituosen herzustellen und zu vertreiben. Trotz großen wirtschaftlichen Erfolgs jedoch misstrauten sich die Geschäftspartner und erbaten sich Einblicke in die Geschäftsbücher des anderen. Zu Fonk nach Köln kam deshalb am 1. November 1816 der Krefelder Kaufmann Wilhelm Cönen. Der hatte den Eindruck, dass ihm Fonk einige Unterlagen verheimlichte, und vergriff sich darauf wohl im Ton, sodass ihn Fonk hinauskomplimentierte. Daraufhin erschien Geschäftspartner Schröder persönlich am 9. November in Köln bei Fonk, Ecke Foller- und Georgstraße. Nach langen Verhandlungen vertagte man sich abends gegen 8 Uhr. Cönen wurde letztmals auf dem Altermarkt gesehen, als er in Richtung seines Gasthauses ging. Dann verschwand er von der Bildfläche. 40 Tage später, am 19. Dezember 1816, wurde sein Leichnam 13 Stunden von Köln entfernt im Rhein gefunden. Aufgerissene Knöpfe ausgenommen, war seine Kleidung unversehrt. Sogar seine goldene Uhr hatte er noch. Aber waren seine Kopfverletzungen Spuren eines Verbrechens oder Folgen des Eisgangs im Rhein? Waren das Würgemale an seinem Hals? Schließlich wurde Fonk angeklagt, den Buchprüfer ermordet zu haben. Am 23. Juni 1818 wurde er in Trier, das gleichfalls nach dem Maßgaben des Code civil urteilte, freigesprochen. Einer weiteren Anklage folgte ein weiterer Freispruch vor dem Anklagesenat Köln. Der dritte Prozess aber, am 3. November 1820 vor dem Geschworenengericht Trier, endete am 9. Juni 1822 mit knappem Schuldspruch und Todesurteil. Weil das Urteil keine formalen Fehler aufwies, war eine Revision unmöglich.

Dem König oblag es, alle Todesurteile des Landes zu bestätigen. Friedrich Wilhelm III. kam zum Schluss, an diesem Fall könne man wunderbar zeigen, wie diese mit Amateuren besetzten französischen Geschworenengerichte zu Fehlurteilen kämen. Der König hätte Fonk begnadigen können. Tat er aber nicht. Er setzte sich über die Gerichte hinweg. Eine Sensation!

„Ich habe mir den Fonck'schen Kriminalfall ausführlich vortragen lassen und daraus entnommen, dass der Tatbestand der Ermordung des am 19. Dezember 1816 bei Krefeld im Rhein aufgefundenen W. Coenen nicht unzweifelhaft feststehet“, schrieb Friedrich Wilhelm in einer königlichen Kabinettsorder vom 10. August 1823. „Ich kann daher den Fonck nicht straffällig finden, den Ausspruch der Assise also nicht bestätigen, oder eine geringere als die erkannte Strafe eintreten lassen. Hieraus folgt die Freilassung der Angeklagten.“

Die Gegner der Geschworenengerichte jubelten, während auch eingefleischte Republikaner in den linksrheinischen Gebieten nicht umhin kamen zuzugeben, dass der König mit seinem Urteil wohl richtig lag. Neue Debatten um altpreußische und französische Rechtsprechung flammten auf und waren noch virulent, als Friedrich Wilhelm III. im September 1825 letztmals nach Köln kam. Der von ihm vor der Hinrichtung bewahrte Peter Anton Fonk starb 1834 in Goch bei Kleve.

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