U-Bahn-TunnelKölns nächstes Jahrhundertprojekt – Ausgrabungen würden Jahre dauern

Lesezeit 5 Minuten
Die Darstellung zeigt das römische Köln im 4. Jahrhundert und welche Bereiche ein etwa 1 Kilometer Tunnel zwischen Heumarkt und Neumarkt tangieren würde.

Die Darstellung zeigt das römische Köln im 4. Jahrhundert und welche Bereiche ein etwa 1 Kilometer Tunnel zwischen Heumarkt und Neumarkt tangieren würde.

Köln – Vor dem Hintergrund der Debatte über einen neuen U-Bahn-Tunnel zwischen Heumarkt und Neumarkt hat der Leiter der Bodendenkmalpflege der Stadt Köln, Marcus Trier, auf die immense archäologische Bedeutung solcher Arbeiten hingewiesen.

„Von der Römerzeit bis zur Neuzeit war hier pulsierendes Leben“, sagte Trier der Rundschau, „wir reden über eine gewaltige Herausforderung.“

Diese würde Jahre in Anspruch nehmen. Bei den Arbeiten zur Nord-Süd-Stadtbahn habe man von einer „Jahrhundertaufgabe“ gesprochen, dies wäre die nächste.

Verkehrsdezernentin Andrea Blome will die Pläne für eine neue U-Bahn am Mittwoch der Grünen-Fraktion vorstellen. Diese sieht die Überlegungen skeptisch. (mft)

Das gesamte Interview mit Marcus Trier

Marcus Trier ist Chef des Römisch-Germanischen Museums und Leiter der Archäologischen Bodendenkmalpflege der Stadt. Mit ihm sprach Jens Meifert über die Herausforderung eines U-Bahn-Tunnels unter der Cäcilienstraße.

Herr Trier, es wird sehr viel über einen neuen U-Bahn-Tunnel gesprochen. Nur das Wort Bodendenkmalpflege fällt dabei nicht. Wundert Sie das? Immerhin schlummern zwischen Heumarkt und Neumarkt auch 2000 Jahre Stadtgeschichte.

Als ich von den Plänen gelesen habe, war ich elektrisiert. Und tatsächlich vermisse ich die Erwähnung der bodendenkmalpflegerischen Aspekte, die in Köln immer mitzudenken sind. Wir sind die einzige Millionenstadt in Deutschland mit 2000 Jahren Stadtgeschichte. Selbst, wenn wir nur über die kleine Lösung zwischen Heumarkt und Neumarkt sprechen, reden wir über gewaltige Ausmaße, die dann zu untersuchen sind. Zum großen Teil sind das bereits eingetragene Denkmäler.

Die Darstellung zeigt das römische Köln im 4. Jahrhundert und welche Bereiche ein etwa 1 Kilometer Tunnel zwischen Heumarkt und Neumarkt tangieren würde.

Die Darstellung zeigt das römische Köln im 4. Jahrhundert und welche Bereiche ein etwa 1 Kilometer Tunnel zwischen Heumarkt und Neumarkt tangieren würde.

Haben Sie die Aufgabe schon mal durchgerechnet?

Ja, das haben wir durchgespielt. Sollte der Tunnel in offener Bauweise gebaut werden, reden wir von einer Baustellenbreite von rund 20 Metern und 1000 Metern Länge. Gehen Sie dann mal von einer durchschnittlichen Schichtmächtigkeit von sechs Metern aus, dann sind wir schon bei 100 000 bis 120 000 Kubikmeter gewachsener Kölner Geschichte. Wohlgemerkt: Das ist nur die kleine Lösung, und die kommt nah an die 150 000 Kubikmeter Archäologie der Nord-Süd-Stadtbahn heran. Damals haben wir von einem Jahrhundertprojekt gesprochen, hier hätten wir also das nächste. Wir reden über eine gewaltige Herausforderung. Von der Römerzeit bis zur Neuzeit war hier immer pulsierendes Leben.

Beschreiben Sie doch mal, welche Bauwerke zur Römerzeit zwischen Heumarkt und Neumarkt standen.

Es ist ein Querschnitt durch die antike Kernstadt, die im Westen bis St. Aposteln reichte. Wir steigen ein in der römischen Rheinvorstadt mit dem Heumarkt, dessen Geschichte haben Sie in Ihrer Serie umfassend beschrieben. Dann gehen wir in die römische Stadt rein, wir queren den Stadtmauerbereich, wir queren große Tempelbauten, die mit Terrassenstützmauern die östliche Grenze der Stadt markiert haben.

Wir queren die römischen Wohn- und Gewerbehäuser und weiter die große römische Thermenanlage bei St. Cäcilien. Und wir nähern uns dem Bodendenkmal Nummer 1, dem Neumarkt, der ist quasi sakrosankt. Der Neumarkt ist die größte, nicht überbaute zusammenhängende Fläche der römischen Stadt.

Schon die Baumaßnahmen vor dem Zweiten Weltkrieg haben darauf Rücksicht genommen, nur der U-Bahnbau der 60er Jahre hat zu Eingriffen geführt. Die Qualität des Bodendenkmals Neumarkt gilt es unbedingt würdigen. Alles, was da passiert, muss sorgfältig abgewogen geschehen.

Mit anderen Worten: Eine große Lösung bis zum Rudolfplatz wäre schon aus Gründen der Bodendenkmalpflege noch einmal eine ganz andere Aufgabe?

Genau so ist es.

Bei früheren U-Bahnbauten wie in den 60er Jahren gab es im Denkmalschutz keine mit heute zu vergleichenden Standards.

Ja, das sind heute andere, und die gelten auch für nicht eingetragene Bodendenkmäler. Köln hat hier eine herausragende Rolle. Wir sind Fachamt und Untere Denkmalbehörde in einem. Im öffentlichen Straßenland können wir sofortige Unterschutzstellung beantragen. Das würde bei den wenigen zwischen Heumarkt und Neumarkt nicht eingetragenen Bereichen auch passieren.

Zu den Entdeckungen bei den  Arbeiter im Rahmen der Nord-Süd-Stadtbahn zählte auch ein Hundegrab aus dem 1. Jahrhundert. 

Zu den Entdeckungen bei den  Arbeiter im Rahmen der Nord-Süd-Stadtbahn zählte auch ein Hundegrab aus dem 1. Jahrhundert. 

Es geht aber nicht nur um römische Funde, sondern auch um die mittelalterliche Stadt.

Natürlich, moderne Archäologie bewertet römische Funde nicht höher als mittelalterliche oder neuzeitliche. Wir wissen, dass es unter der heutigen Cäcilienstraße im Mittelalter dicht bebaute Straßen und Wege gab. Da gibt es Brunnen, Kelleranlagen und Kloaken, die dicht bebauten Quartiere bei St.Peter, den mittelalterlichen Neumarkt. Wir greifen mit langem Arm in die Geschichte Kölns ein. Das ist nicht in einigen Monaten zu untersuchen, wir reden über mehrjährige Arbeiten.

Wie würde die archäologische Arbeit im Bau aussehen?

Das sind Aufgaben, die das Römisch-Germanische Museum selbst gar nicht leisten könnte. Das müsste für Fachfirmen ausgeschrieben werden und unter Fachaufsicht des RGM ausgeführt werden . Wir hätten eine großflächige, bauvorgreifende, archäologische Untersuchungsfläche. In dieser durchgehenden Größe, in dieser durchgehenden Bedeutung hat Köln das noch nicht gesehen. Man tut gut daran, diese Aspekte frühzeitig zu bedenken.

Ich finde es gut, die Stadt voran zu bringen, aber eins ist klar: Ohne die Archäologie zu bedenken, wird es nicht gehen. Und: Wir reden dabei über einen Millionenbetrag. Das ist übrigens im Denkmalschutzgesetz klar geregelt. Wer Archäologie zerstört, muss für die Untersuchung und Bewahrung aufkommen. Zu prüfen ist etwa, ob Denkmäler wie die Thermen an passender Stelle integrierend bewahrt werden können. Das sind komplexe Aufgaben.

Aber für Archäologen sind das doch hochspannende Fragen zur Stadtgeschichte, oder?

Natürlich, dadurch würden wir viele Mosaiksteine der Stadtgeschichte finden. Aber: Der Archäologe ist nicht dafür da, die Geschichte Kölns umfassend auszugraben, sondern sie für kommende Generationen zu erhalten. Jede Baumaßnahme ist daher ein Abwägungsprozess. Je weniger Eingriffe, desto besser.

Rundschau abonnieren