Die Sprachen der SeeleKuratorin Monika Rinck über die dritte Kölner „Poetica“

Lesezeit 3 Minuten

Köln – Im letzten Jahr war sie noch Gast, nun kuratiert Monika Rinck die dritte Kölner "Poetica" (9.-14. Januar). "Das Thema ,Die Seele und ihre Sprachen' war mein Vorschlag", sagt die 1969 geborene Lyrikerin, Erzählerin und Essayistin. Und die Seele, die mancher im Hirn, andere im Herzen, wieder andere im Atemhauch vermuten, spricht auf diesem öffentlichen Festival in vielen Zungen.

"Der Musik wird ja eine direkte Verbindung zu den menschlichen Affekten nachgesagt", meint Rinck. So war eine Ausgangsfrage, "ob das Gedicht gewissermaßen die musikalisierte Sprache der Seele sei". Eine weitere Idee: "Was geschieht in der Übersetzung, die ja gewissermaßen die Seele eines Gedichts in eine andere Sprache überträgt?" Hierzu spricht Stefan Weidner, der Ibn Arabis Liebesgedichte einfühlsam übersetzte (13.1., Sancta-Clara-Keller, 19.30 Uhr).

Begegnungen im bankrotten Solarpark

Das vom Kolleg Morphomata der Universität zu Köln und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung getragene Festival beginnt am 9. Januar (18 Uhr, Universität zu Köln, Aula II) mit allen Beteiligten. Und die dritte "Poetica" muss sich, so Monika Rinck, mit einer Seltsamkeit befassen: "Heutzutage ist uns außerhalb des religiösen oder esoterischern Raums ja die seelische Verletzung oder Erschöpfung geläufiger als eine positive Bestimmung dessen, was Seele sein mag." Seele als Wohnsitz der Angst, des Traumas. So kam die für ihren Roman "Schmerz" berühmte Zeruya Shalev ins Spiel, die am 10.1. mit Gila Lustiger auftritt (Wallraf-Stiftersaal, 19 Uhr). Letztere schrieb "Erschütterung: Über den Terror" gleich nach den Pariser Anschlägen vom November 2015.

Auch die deutsche Kollegin Angelika Meier ist Prosa-Autorin. Die Figuren ihres Romans "Osmo" stoßen im bankrotten Solarpark irgendwo in der amerikanischen Wüste auf einen Messingstreifen - den "Randstrich der Seele".

Meier sitzt am 12.1. um 20 Uhr auf einem apart gemischten Podium in der Zentralbi-bliothek: mit dem kühnen chilenischen Lyriker Javier Bello, dem mongolischen Schriftsteller und Schamanen Galsan Tschinag ("Poesie ist die summende Stimme der Seele eines jeden Lebewesens") und der Mexikanerin Maricela Guerrero. Ihr rühmt Rinck ein enormes Bühnen-Charisma nach, das ebenfalls Kriterium der Auswahl war. "Wir sind ja keine akademische Konferenz."

Dafür sorgt auch die Kuratorin, die mit selbst geschriebenen Liedern und vertrauten Musikern den Abend "Suff und Seele - Lieder für die letzte Runde" bestreitet (13.1., 21.30 Uhr, Sancta-Clara-Keller). Ein Punkt, der ins Programm kam, weil den Planern "ein bisschen Rabatz" gefehlt hatte.

Außerdem war Rinck wichtig, "dass wir bei einem Festival der Weltliteratur nicht nur europäische Autoren einladen". Nicht alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen kennt sie, ist etwa auf die Türkin Nurduran Duman gespannt, die Gedichte für die persische Rohrflöte geschrieben hat. Am 11.1. tauscht sie sich mit dem Österreicher Michael Donhauser und der Amerikanerin Eleni Sikelianos aus (19.30 Uhr, Literaturhaus).

Zu einem geglückten Gedicht gehört für die vielfach preisgekrönte Lyrikerin Monika Rinck "eine gewisse Selbstüberraschung und das Vermeiden von Selbstimitation". Und was würde sie einem hartgesottenen Hirnforscher sagen, der die Seele nur für hormonell gesteuertes Geschehen im Kopf hält? "Das ist mir ehrlich gesagt egal, solange ich Entscheidungen als Konflikte erlebe und glaube, dass dies nicht nur eine Sache der Synapsen ist."

Ihr gefällt Michael Oppitz' Himalaya-Dokumentarfilm "Schamanen im Blinden Land". "Wenn Leute dort in Depression versinken, glaubt man, die Seele habe den Körper verlassen, weil es ihr dort nicht mehr gefallen hat. Also muss man der Person Gutes zu essen geben, sie in warme Felle hüllen, damit die Seele Lust hat, zurückzukehren."

Vollständiges Programm: www.poetica.uni-koeln.de

Rundschau abonnieren