Faszien-Kurse in KölnSo halten gesunde Faszien Krankheiten in Schach

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Elastische Faszien halten Krankheiten in Schach.

Faszien-Papst Robert Schleip

Den Indianern war es egal, ob der Skalp ihres Feindes schön elastisch war. Für ihren Zweck tat es auch eine harte Kopfschwarte. Uns sollte es nicht egal sein, vor allem dann nicht, wenn es um die eigene Kopfhaut geht. Der Biologe Robert Schleip, der Faszien-Papst schlechthin, obwohl er sich selbst lieber als neugieriger Faszienforscher bezeichnet, hat das Bindegewebe von Kopf bis Fuß, von der Körperperipherie bis zur Körpermitte salonfähig gemacht und weiß, was diesem Gewebe und dem Menschen guttut. Schleip hat mit seiner Doktorarbeit über Faszien nicht nur einen Preis geholt, sondern es auch ins renommierte Wissenschaftsmagazin „Science“ geschafft.

Veranstaltung „Faszien und Flossing“

Freitag, 7. April, 19 Uhr

VHS-Forum im Rautenstrauch-Joest-Museum (nahe Neumarkt), Cäcilienstraße 29-33, Köln

Experten im Gespräch:  Faszien-Papst Dr. Robert Schleip und Faszien- und Pilates-Trainerin Daggi Meiss, die auf der Veranstaltung Übungen zeigt.  Gezeigt wird auch das sogenannte  Flossing.

Moderation: Marie-Anne Schlolaut

Einlass: 18 Uhr

Karten zum Preis von 18,05 Euro, Abocard 16,05 Euro – jeweils  inkl. VVK-Gebühren sind ab sofort erhältlich. Abocard-Ticket-Hotline: 0221/280344 www.koelnticket.de www.abocard.de

Spannung im Nacken

Unsere Kopfschwarte besteht aus Fasziengewebe und liegt wie eine Badehaube auf dem Schädeldach. Dieses neuromuskuläre Gewebe hat die Neigung, sich unter Stress zu verspannen. Das übt Druck auf die anhängenden Muskeln aus und sorgt für Spannung im Nacken mit dem Ergebnis: Kopfschmerz.

Selbsttest

Wer testen will, ob seine Kopfschwarte weder verdickt noch verhärtet ist, sollte Hand anlegen am Haaransatz und prüfen, ob sich seine Schwarte leicht verschieben lässt – überall auf dem Kopf. „Wenn es an einigen Stellen ruckelt oder gar schmerzt, kann das ein Hinweis sein, dass sich die Faszien verbacken haben“, so Schleip.Nac

Nackenfaszien

Das lässt sich auch mit Ultraschall messen. Schleip: „Die normale Dicke der Schwarte sind eins bis 1,5 Millimeter. Bei zwei bis drei Millimetern sollte man aufhorchen.“ Was ist zu tun? „Nackenfaszien und -muskulatur dehnen, strecken und die verfilzte Architektur aufbrechen.“

„Was sich nicht bewegt, verklebt.“

Für Kopf, Arme, Beine, Rücken und Bauch gilt das gleiche: „Was sich nicht bewegt, verklebt.“ Für alle Organe wie beispielsweise Herz, Niere, Darm gilt, was nicht gehegt, gepflegt und gefordert wird, kleistert zu und erstarrt. „Uns geht es dann wie einem Vogel, der nicht mehr fliegen kann. Aber manche fühlen sich ja auch in einem Käfig wohl.“ Das Fasziengewebe im Körper, dieses wundervolle Konstrukt aus feinen Fäden und elastischen, starken Strängen kann zu einem Gefängnis werden.

Faszien-Papst zu Rückenschmerzen

Bevorzugte Orte solcher Käfigbildung sind Rücken und Füße. Schleip: „Die Bandscheibe ist für maximal ein Fünftel aller Rückenschmerzen verantwortlich.“ Bei den restlichen 80 Prozent heißt es: Ursache unbekannt. Es sei denn, so rät Schleip, man schaut sich „das Hemd unter der Haut an“. Dazu gehören die Faszienschichten der Lende, die dicht besiedelt sind mit freien Nervenenden, „die nichts anderes können als Schmerzschreie ausstoßen“. Der Grund: Das Gewebe ist nicht mehr verschiebefreudig, reibt und schabt sich quasi wund.

Yoga imago Westend61

Beweglichkeit durch Yoga wirkt positiv auf die Faszien.

„Zuerst bildet sich ein feines Spinnennetz aus Bindegewebe, und wer lange genug wartet, bei dem entstehen Kristalle, die man kaum oder nur sehr schlecht auflösen und lockern kann“, sagt der Humanbiologe Schleip. „Wer keinen Purzelbaum mehr schlagen kann, seinen Rücken nicht rundet, sich nicht verbiegt und federt, der darf sicher sein, dass sich das Gewebe verhärtet.“

Kölner Faszien-Trainerin Daggi Meis rät

Die Faszien-, Yoga- und Pilates-Trainerin Daggi Meiss rät: „Ein Theraband unter die Ferse legen, über den Rücken nach oben ziehen und sich nach vorn beugen – erst mal mit gebeugten Knien, später mit gestreckten Beinen.“ Das klappt auch auf dem Bürostuhl. Drei Minuten lang sollte man in dieser Stellung verharren. Zu empfehlen ist, sich diese Übungen erst einmal zeigen zu lassen. Robert Schleip und Daggi Meiss sind sich einig, dass „es bis zu einem Jahr dauern kann, bis das Fasziengewebe wieder schön elastisch ist“. Ein Klacks im Vergleich zu den vielen Jahren der Unbeweglichkeit, die man investiert hat, damit das Gewebe sich verhärten und kristallisieren kann.

Wenn der Herzbeutel verkleistert

Am Rücken spürt man solche Veränderungen schmerzlich. Wenn sich aber der Herzbeutel verkleistert kriegt man das so schnell nicht mit. Dieser Bindegewebe-Sack rund ums Herz sorgt für die Beweglichkeit der Pumpe. Schleip: „Der Herzbeutel sitzt auf der Zwerchfellsehne wie auf einem Trampolin. Und dieses fasziale Gewebe braucht immer wieder kurzzeitige Belastungen, damit es elastisch bleibt.“

Spurt gefällt dem Herzen

Solche Banalitäten wie hinter dem Bus her rennen, der Spurt um den Ball gefallen dem Herzen, seinem Beutel und der Lunge. „Wenn ich danach japse, ist das gut so.“ Die Organe danken es mit elastischer Langlebigkeit. Und wie oft sollte man atemlos werden? Schleip: „Um den Status quo zu halten alle drei bis vier Wochen. Dann wird es nicht besser, aber man baut auch nicht ab. Wenn es besser werden soll, zumindest ein-, besser zwei mal in der Woche.“

Kriegt dich der Krebs oder nicht

Hellhörig wird man, wenn Schleip von Forschungen auf dem Gebiet Faszien und Krebs berichtet. „Im Alter stellen sich in der Regel bei jedem krebsartige Veränderungen ein. Die Frage ist: Kriegt der Krebs dich oder hältst du ihn in Schach.“ Man wisse seit ein paar Jahren, dass weiches Bindegewebe den Krebs in Schach hält, und verhärtetes Gewebe die entarteten Krebszellen ermuntert, sich schneller zu vermehren und angriffslustiger zu werden. Schleip: „Die Pharmaindustrie läuft auf Hochtouren. Man wird vermutlich in Zukunft auch einen Cocktail finden mit Weichmachern für Faszien – ohne dass ich mich bewege.“ Besser wäre es aber, so Daggi Meiss, wenn man mit Yoga-Dehnungen den entscheidenden Effekt auslöst und damit den Faszien ein Anti-Wucher-Mittel liefert, das ihnen das Verhärten verleidet.

Der Straps für die Oberschenkel

Dem Wunder der Faszien ist auch Daniel Lieberman erlegen, Professor für Biologie an der Harvard-Universität in den USA. „Faszien sind der Straps des Oberschenkels“, sagt der leidenschaftliche Läufer und trifft damit genau den Nerv von Robert Schleip. „Wer gute Faszien hat, bei dem ist die Außenseite des Oberschenkels deutlich straffer als die Innenseite, weil sie dicker ist und dicker sein muss.“ Bei Schleip kein Problem. Dafür hat er sich mit seiner Plantarfaszie am Fuß herumschlagen müssen, die sich von der Ferse bis zum Fußballen zieht. Sie schmerzte heftig, und wenn der Faszien-Papst morgens aufstand, humpelte er. Als selbst Blutegel-Anwendungen nicht mehr halfen, begann er barfuß zu joggen – ganz vorsichtig, aber mit durchschlagendem Erfolg.

Praxis-Tipps für die Füße

Daggi Meiss hat für die nicht ganz so zähen Zeitgenossen eine etwas angenehmere Variante: Fußsohle auf einen kleinen Ball stellen, drei Minuten lang vom Zehballen bis zur Ferse hin und her rollen. „Man merkt die Linderung sofort. Bei Fußproblemen sollte man es jeden Tag machen. Je nach Beschwerdegrad dauert es sechs bis neun Monate, bis alles wieder in Ordnung ist.“

Straffer Bauch

Elastische Faszien dienen auch der Schönheit. Für einen straffen Bauch muss man hüpfen und werfen. Schleip: „Sit-ups und Crunches sind suboptimal. Besser ist es, die Faszie zu trainieren, also Haut und Hülle, und nicht nur den Wurstinhalt.“

Faszien-Kurse in Köln und Umgebung

Yoga Faszien imago Blickwinkel

Für bewegliche und vitale Faszien kann man einiges tun.

Daggi Meiss, Köln und Leverkusen

www.daggimeiss.de

Margarete Blankartz, Köln

www.rolfing-in-koeln.de

Nina Buttler, Köln 

www.sichtartundweise.de

Daniel Przybilla, Bergisch Gladbach

www.prehelco.de

Anja Kluge, Köln

www.kluge-fitness.com

So wirkt Flossing gegen Schmerzen

Es hört sich weich und soft an, ist es aber nicht: Flossing. Ein breites Gummiband wird fest um schmerzende Stellen gewickelt, um so chronische Schmerzen zu bekämpfen. Machbar ist es fast überall am Körper, aber Knie, Schulter, Lende, Ellenbogen, Hüfte und auch Kreuzbein sind am gängigsten. Robert Schleip und Daggi Meiss: „Es hilft erstaunlich gut, aber man weiß nicht genau warum.“

Durch den straffen Gummiwickel wird das Blut abgeklemmt und die Zellen haben eine vorübergehende Sauerstoffkrise. Schleip und Meiss: „Die Zellen geraten unter Stress, der Stoffwechsel wird erhöht. Mit dem geflossten Körperteil führt man Bewegungen aus, die das Gelenk richtig fordern.“ „Das fühlt sich nicht komfortabel an“, so Schleip. Länger als zwei Minuten hält man es nicht durch, kann es aber drei bis vier mal hintereinander wiederholen. Die Anwendung sollte man Physiotherapeuten oder darin ausgebildeten Fitness-Trainern überlassen und tunlichst nicht in Eigenregie durchführen.

 Die Methode kommt aus den USA, doch die Japaner kennen das schon viel länger. Robert Schleip: „Mit einer Blutdruckmanschette, die sie gezielt aufpumpen, binden sie das Blut ab und machen dann Krafttraining. Das tut richtig weh.“ Nichts für zarte europäische Seelen. (mas)

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