Interview mit Bettina Böttinger„Ich dachte, ich implodiere“

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Köln – Sie scheint  unkaputtbar zu sein,  diese Bettina Böttinger,  die beliebte TV-Moderatorin. Doch die Erfolgsfrau  hat  Zeiten erlebt, in denen sie nicht strahlte.  Als  innerhalb eines Jahres ihre Mutter, ihre älteste Freundin und ihr bester Freund starben, als sie vom Bett der Todkranken direkt ins Studio eilte, da streikten plötzlich Kopf und Körper. Bettina Böttinger, heute 61,  fühlte sich  handlungsunfähig. Autorin Marie Anne Schlolaut sprach mit ihr über diese schweren Zeiten und darüber, was ihr geholfen hat. 

Frau Böttinger, warum haben Sie sich in Ihrer Not gerade an Professor Gustav Dobos in Essen, einen Spezialisten für intergrative Medizin, gewandt und nicht an eine auf Burnout spezialisierte Klinik?

Ich wusste in meinen Zustand überhaupt nicht, was ich machen sollte und was ich will. Ich hatte zu Dobos großes Vertrauen entwickelt, nachdem ich ihn in meiner Sendung kennengelernt hatte. Warum, weiß ich auch nicht. Ich fand ihn als Mediziner grandios, als Mensch außerordentlich, einnehmend, zurückhaltend und empathisch.

Haben Sie ihn einfach angerufen?

Ja, und er hat mir sofort zugehört, hat sich Zeit für mich genommen.

Zeit, die Sie ja eigentlich nie haben...

Darüber beklage ich mich nicht. Ich moderiere meine Sendungen mit Freude und Neugier, schätze mein Redaktionsteam, aber zeitlich war nie viel Spielraum. Als ich zu Dobos in die Klinik fuhr, habe ich ihm gesagt, dass ich aber nur elf Tage Zeit habe, weil ich terminlich so eng getaktet bin. Da guckte er schon ein bisschen angestrengt.

Hatten Sie Sorge, dass Sie nicht mehr auf die Beine kommen?

Ich dachte, dass ich irgendwann implodiere. So konnte ich einfach nicht mehr weitermachen – sonst passiert was. Ich wusste nicht was, aber ich wusste, dass ich es ohne Hilfe nicht schaffe.

Wie sah die Hilfe aus?

Professor Dobos hörte mir zu, und das war gut. Bis ich aber einen Platz in der Klinik bekommen konnte, empfahl er mir, Yoga zu machen.

Yoga?

Als Überbrückungsmaßnahme. Dobos hat mich ja gesehen, und ich muss wohl einen echt derangierten Eindruck gemacht haben. Ich bin dann zu Rita Keller gegangen, die in Köln ihr Institut am Römerturm hat. Sie ist wirklich außergewöhnlich. Ich würde sie heute als meine Weggefährtin bezeichnen. Sie hat mich gebunden, damit ich nicht auseinanderfalle.

Veranstaltung

Prof. Dr. Gustav Dobos, international anerkannter Experte der Naturheilkunde, erklärt die Kraft der integrativen Medizin, traditioneller chinesischer Medizin, Akupunktur, indischer und Bereiche der europäischen Medizin.

Bettina Böttinger wird an diesem Abend Auskunft geben über ihre Erfahrungen mit alternativer Medizin.

Dr. Anna Paul ist Mind-Body-Expertin und weiß, wie Selbstheilungskräfte gestärkt werden können. „Wir erlauben es dem Körper, die Krankheit zu besiegen.“

Dienstag, 17. Oktober 2017, Beginn 19 Uhr - Einlass 18 Uhr Volksbühne am Rudolfplatz/Millowitsch-Theater, Aachener Straße 5, Köln

Karten zum Preis von 18,05 Euro (inkl. VVK-Gebühren) 16,05 Euro für Abocard-Inhaber (inkl. VVK-Gebühren)

Abocard-Ticket-Hotline: 0221/ 28 03 44

www.koelnticket.de

Wie lange war die Yoga-Überbrückungszeit?

Zwei Wochen.

Und danach gingen Sie ins Krankenhaus nach Essen?

Ich war heilfroh, als ich da war und nicht mehr funktionieren musste. Ich habe mich auf alles eingelassen. Für mich war es ein geschützter Raum. Das kann man von einem Krankenhaus ja nun nicht immer sagen. Ich habe schon viele Menschen in vielen Kliniken besucht und war immer froh, wenn ich wieder draußen war.

Auf was haben Sie sich in Essen eingelassen?

Auf unterschiedliche Therapieformen und auf spezielle ayurvedische Anwendungen. Dadurch ist eine wahnsinnige Ruhe über mich gekommen. Ich habe geschlafen wie ein Murmeltier. Bestimmte Massagen kamen noch dazu, auch Vollwertkost, und ich habe natürlich viel geredet.

Hat man sich mit Ihnen viel befasst, weil Sie berühmt sind und Bettina Böttinger heißen?

Ganz bestimmt nicht. Ich wollte nicht die Luxustante sein und war es auch nicht. Alle sozialen Schichten waren in der Klinik vertreten. Ich saß mit allen im Speisesaal, hatte ein Zimmer wie die anderen auch. Die digitale Verbindung zur Außenwelt war natürlich verboten, aber ich hatte iPad und Handy unterm Bett. Ab und zu musste ich im Büro anrufen. Ich habe das aber gebeichtet.

In diesen elf Tagen wurden Sie geerdet. Haben Sie Ihr Leben daraufhin umgestellt?

Fast jeden Tag mache ich fünf Minuten Kopfstand und andere Dinge, um runter zu kommen. Ich habe oft Stress. Ich weiß, dass das nicht gesund ist. Aber ich kann von vielen Dingen nun mal nicht genug bekommen. Deshalb habe ich auch Freizeitstress. Aber mittlerweile schaffe ich es, die Balance zu finden, und mache mir darüber auch Gedanken.

Sie spüren, wenn Sie in Schieflage geraten?

Das habe ich vorher auch gespürt, aber ich habe es einfach hingenommen. Für mich ist es normal, dass ich bis an den Rand der Erschöpfung arbeite. Es gefällt mir, dann doch noch alles hinzukriegen. Das ist auch eine Form von Eitelkeit.

...die krank machen kann

Als Automensch, der ich nun mal bin, ist mir schon bewusst, dass es für den Motor nicht gut ist, wenn man immer Vollgas fährt. Ich habe mittlerweile gelernt, kurzfristig Auszeiten einzuschieben, eine Woche Urlaub zum Beispiel, einfach so, weil ich das so möchte. Und ich muss nicht mehr bei jeder Anfrage ja sagen. Früher habe ich das gern gemacht.

Gehen Sie fürsorglicher mit sich um?

Das habe ich gelernt. Ich fühle mich krisensicher. Ich weiß, dass ich auf jeden Fall ein bis zwei Tage brauche, an denen ich keinen Druck habe.

Sind Sie mit sich zufrieden?

In den letzten Jahren ja. Ich bin ruhiger geworden, weil ich denke, dass vieles gut gelaufen ist. Früher war ich nie zufrieden. Ich wollte meiner Mutter immer beweisen, wie gut ich bin. Sie war sehr streng, auch weil sie immer krank war, unter Luftnot litt, die Härte medizinischer Behandlungen ertragen musste. Als meine Mutter tot war, da sagte eine Freundin zu mir: Jetzt kannst du ja aufhören zu arbeiten, du hast genug bewiesen.

Haben Sie mit Ihrer Mutter darüber geredet?

Nein, leider nicht, das ist mir erst nach ihrem Tod klar geworden.

War es der Tod der Mutter, die Endgültigkeit des Todes, die Sie so aus der Bahn geworfen hat?

Ja, diese Endgültigkeit hat mich umgehauen. Man bereitet sich, soweit man das überhaupt kann, auf den Todesfall vor. Meine Mutter war ja ihr Leben lang krank. Gott sei dank aber waren die letzten Tage meiner Mutter sehr gut.

Was hatte sie?

Tuberkulose. Und in jungen Jahren hat man ihr eine Lebenserwartung von 30 Jahren bescheinigt.

Die Krankheit der Mutter hat auch Sie geprägt?

Ich war immer das Kind einer todkranken Mutter. In den 1950er Jahren schwer an Tuberkulose zu erkranken wie meine Mutter, das war fast ein Todesurteil. Sie hätte keine Kinder bekommen dürfen, aber dann kam ich doch zur Welt. Als Kind stand ich permanent unter der Kontrolle des Seuchenamtes, die guckten, ob schon die Motten aus mir pfiffen.

Wo war Ihr Vater?

Der hatte frühzeitig die Familie verlassen.

Das und das Leben mit einer Kranken, war das nicht zu viel für Sie als Kind?

Meine Mutter war wichtiger als ich – weil sie eben krank war. Als Kind kapiert man schnell, dass man kein Theater machen sollte. Ich habe früh gelernt, sehr selbstständig zu werden und Gefühle wie Sehnsucht nach der Mutter, Verlassenheit und Einsamkeit nicht zum Ausdruck zu bringen.

Wird man dadurch unerbittlich mit sich?

Nach der Therapie bei Professor Dobos war mir schon klar, dass ich in meinem Leben zu viel und zu hart gearbeitet habe. Ich hätte mir mehr Zeit für andere Menschen, für persönliche Dinge nehmen sollen. Die Work-Life-Balance, so nennt man das ja heute, war nicht stimmig. Das habe ich in der Tat bereut.

Mussten Sie auch lernen, über sich zu reden?

Zu reden ist mein Beruf, das habe ich gelernt. Aber es fällt mir leichter in der Öffentlichkeit zu reden als privat mit Freunden. Ich denke immer, was soll ich da noch erzählen, die kennen mich doch eh.

Ihre Mutter hat Sie dazu nicht ermuntert?

Nein. Meine Mutter wurde 1928 geboren, also in eine harte Zeit hinein. In Kriegszeiten wurde nicht geredet, nicht über Gefühle gesprochen. Und als Kind wächst man da rein und sieht die Welt, so wie sie ist, als ganz normal an.

Ihre „normale Kinderwelt“ – wie sah sie aus?

Ich kannte als Kind vor allem viele Krankenhäuser, weil dort meine Mutter lag und ich sie besuchte.

Wer hat sich um Sie gekümmert, wenn Ihre Mutter weg war?

Mit zwölf war ich zum ersten Mal ganz allein. Wir wohnten in einem Mietshaus zusammen mit zehn Parteien. Eine wunderbare Wohngemeinschaft. Unsere Nachbarn sagten, wir ziehen dich mit durch. Die Nachbarin habe ich dann als meine Vize-Mutter betrachtet, ihren Sohn als meinen Halbbruder.

Kommt Bitterkeit auf die eigene Familie auf?

Gar nicht. Ich bin voller Dankbarkeit, dass ich gesund zur Welt gekommen und immer noch gesund bin. Und dass ich nicht auf den Kopf gefallen bin. Unterm Strich ist alles ok.

Wann geht Ihnen das Herz auf?

Wenn ich meinen Dackel über die Wiese rennen sehe – pure Lebenslust, pures Glück, ohne Zielvorstellung. Einfach nur schön

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