Neugierig auf NeurosenSchwierigen Menschen ohne Vorurteile begegnen

Lesezeit 6 Minuten
Neurotiker

Eine allgemeingültige Definition dafür, was einen Menschen für seine Umwelt schwierig macht, gibt es nicht.

Was haben "Ekel" Alfred Tetzlaff, Fernseharzt Dr. Gregory House und die von Meryl Streep in "Der Teufel trägt Prada" grandios gespielte Mode-Ikone Miranda Priestly gemeinsam? Alle drei machen durch ihr Verhalten ihren Mitmenschen das Leben zur Hölle: Alfred Tetzlaff, das kleinbürgerliche, chauvinistische und frauenverachtende Familienoberhaupt in der Kultserie "Ein Herz und eine Seele", das Ehefrau, Tochter und Schwiegersohn verbal und durch brüskes Verhalten "ohrfeigt". Dr. House, der brillante, aber sozial auffällige und zynische Arzt, der keine Manieren kennt und sich scheinbar darin ergeht, seine Kollegen vorzuführen. Und schließlich Miranda Priestly, die wohl nicht ganz zufällig an die reale Vogue-Herausgeberin Anna Wintour erinnert, und die Ehemann und Mitarbeiter wie Marionetten tanzen lässt und ihnen mit einer kaum zu ertragenden Nonchalance und Missachtung Arbeit und Gemeinheiten im wahrsten Sinne des Wortes vor die Füße wirft. Wham!

Leicht reizbar und gekränkt

Zugegeben, die drei sind extreme Beispiele. Im Kleinen aber kennt vermutlich jeder Menschen, die man landläufig als "schwierig" bezeichnen würde: Kollegen, die missgünstig sind, Chefs, die cholerisch reagieren oder Familienmitglieder, die leicht reizbar und gekränkt sind und nicht zuletzt dadurch die Familienharmonie an Festen wie Weihnachten torpedieren. Doch was genau macht diese Menschen für uns so schwierig?

Schwierig ist auf jeden Fall die Antwort auf diese Frage. Denn eine allgemeingültige Definition dafür, was einen Menschen für seine Umwelt schwierig macht, gibt es nicht, so Diplom-Psychologe Professor Helmut Reuter. Das hänge vielmehr immer vom Kontext und von kulturellen Standards ab - und zu einem nicht unerheblichen Maß auch von der eigenen persönlichen Verfassung, wie die Kölner Psychotherapeutin Dr. Christiane Jendrich betont. "Wenn ich selber nicht ausgeglichen bin, dann können mich bestimmte Verhaltensweisen auf die Palme bringen. Und das passiert noch einmal umso schneller, wenn es sich um jemanden handelt, der mir etwas bedeutet." Denjenigen aber, die in ihrer "Mitte" ruhten, gelänge es leichter Grenzen zu wahren und zu verteidigen und schwierige Verhaltensweisen nicht auf sich persönlich zu beziehen. Deshalb sei immer auch wichtig, ob der andere wunde Punkte bei mir trifft oder aber sein Verhalten mir vor Augen führt, dass ein eigenes grundlegendes Bedürfnis in mir nicht befriedigt ist. "Wenn der andere zum Beispiel extrem selbstbewusst daherkommt und ich selbst unter einem mangelnden Selbstwert leide, reagiert meine Psyche mit Abwehr und dann empfinde ich den Umgang mit einem solchen Menschen auch als schwierig", so Jendrich.

Gleichwohl räumt die lehrende Therapeutin im Institut für Systemische Therapie und Beratung (KIS) in Köln ein, dass es bestimmte Typen gebe, mit denen der Umgang häufiger schwieriger sei. Christiane Jendrich nennt in dem Kontext hoch kränkbare Menschen, zutiefst verunsicherte Persönlichkeiten, streitbare und cholerische Menschen oder narzisstisch veranlagte Personen. Der Umgang mit diesem Menschen sei häufig eine Herausforderung, ob er auch schwierig sei, hänge entscheidend von unserer eigenen Haltung diesen Menschen gegenüber ab.

"Wenn es fehlende Übereinstimmungen in den Meinungen oder Verhaltensweisen gibt, dann ist es wichtig, dass wir lernen damit richtig umzugehen", betont Helmut Reuter, der an der RWTH Aachen lehrt und Geschäftsführer des Instituts für Bildung und Kultur (ISK) in Köln ist.

Dafür aber sei es wichtig, nicht nur auf den anderen, sondern auch auf sich selbst zu schauen. Der "Umgang" finde schließlich zu allererst im Kopf statt und sei letztlich ein Umdenken beziehungsweise eine Einstellungsänderung. "Gleich einem außenstehenden Beobachter muss ich meine bisherige Einstellung dem anderen gegenüber reflektieren und fragen: Was hat das Miteinander schwierig gestaltet? Wie kann ich meine Einstellung ändern und was können wir gemeinsam tun, um etwas an der Situation zu ändern?" Reuter nennt das "Moderator in eigener Sache werden". Auch Christiane Jendrich empfiehlt, der Unähnlichkeit des anderen zunächst mit Neugier und Interesse zu begegnen und sie nicht als Bedrohung anzusehen. Das A und O sei, so Reuter, nicht anzufangen bei dem anderen eine Diagnose zu stellen. Das sei in doppelter Weise falsch. Zum einen sei das eine Art Abwehrhaltung, die von eventuellen eigenen Fehlern ablenke, zum anderen sei die Frage nach dem Warum in der Regel von mir selbst nicht zu beantworten. Denn was die Ursache für ein bestimmtes Verhalten meines Gegenübers ist, hat man ja selber im Zweifel nicht mitbekommen.

Amerikanischer Pragmatismus

Auch wenn unser natürliches Sicherheitsbedürfnis uns gerne Dingen auf den Grund gehen und die Frage nach dem Warum stellen lässt - für den Umgang mit schwierigen Menschen sei das "Wie" viel wichtiger, betont Psychologe Reuter. In der kognitiven Verhaltenstherapie habe sich dieser lösungsorientierte sogenannte "Amerikanische Pragmatismus" bewährt. Reuter erklärt ihn so: "Wenn Amerikaner feststellen, dass etwas nicht funktioniert, dann kümmern sie sich nicht mehr darum, warum, sondern blicken nach vorne und kümmern sich um eine Lösung." Und das sei auch für den Umgang mit schwierigen Menschen eine gute Maxime. Auch dort gehe es nicht um die Antwort auf ein Warum, sondern um einen zielführenden Perspektivwechsel im Kopf. Im Umgang mit vermeintlich schwierigen Menschen gibt es für Christiane Jendrich deshalb einen "Entwicklungsauftrag". Und der sieht vor allem vor, dass man den anderen ernst nimmt und respektiert. "Die Vorstellung, da ist jemand, der mir nicht das Wasser reichen kann und den ich auf den rechten Weg bringen muss, ist falsch", betont auch Helmut Reuter. Wichtiger sei, dass man den eigenen Anteil an der Situation erkennt und dem Gegenüber mit Wertschätzung und Ich-Botschaften statt mit Vorwürfen begegnet und so gemeinsam nach einer Lösung sucht.

"Wenn ich ein realistisches Selbstbild von meinen Stärken und Schwächen habe und nicht die Erwartung an andere habe, dass sie an mir etwas kompensieren müssen, was ich selbst nicht kann, dann ist grundsätzlich die Chance groß, dass ich anderen freundlich begegnen kann - und der andere auch mir", betont Psychotherapeutin Jendrich. Trotzdem: Harmonie sei nicht um jeden Preis erstrebenswert: "Manchmal darf man die Ablehnung anderer auch einfach aushalten. Man muss schließlich nicht "Everybody's Darling" sein.

Was als schwierig gesehen wird ist immer individuell durch die eigene Geschichte geprägt. Am Veranstaltungsabend wollen die Kölner Psychotherapeutin Dr. Christiane Jendrich und Diplom-Psychologe Professor Helmut Reuter die unterschiedlichsten Umgangsweisen mit schwierigen Menschen vorstellen und diskutieren.

Psychologie im Dialog: Donnerstag, 8. Dezember, 19 Uhr, studio dumont, Breite Str. 72, Köln, Tickets: 12,55 Euro (10,55 Euro) erhältlich im Servicecenter Breite St. und bei Kölnticket, sowie an der Abendkasse

0221/ 2801

0221/ 280344

www.koelnticket.de

www.abocard.de/tickets

Rundschau abonnieren