Wie bei Herzogin KateSo wirkt sich eine schwere Schwangerschaftsübelkeit aus

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Die Nachricht aus dem Kensington Palast am 4. September war für alle überraschend: Herzogin Kate und Prinz William erwarten ihr drittes Kind. Die Mitteilung kam offenbar in einem sehr frühen Stadium der Schwangerschaft. Nicht ohne Grund sahen sich die Royals gezwungen, früher als nach der üblichen Zwölf-Wochen-Frist an die Öffentlichkeit zu gehen: Wie bei den beiden vorhergehenden Schwangerschaften leidet die 35-jährige Kate unter einer schweren Form der Schwangerschaftsübelkeit, im Fachjargon Hyperemesis gravidarum.

Übelkeit und Erbrechen vor allem zu Beginn einer Schwangerschaft sind häufig. Etwa 50 bis 90 Prozent der Schwangeren leiden daran. In der Regel hören die Beschwerden aber bei den meisten innerhalb der ersten 20 Schwangerschaftswochen wieder auf und sind weder für Mutter noch Kind gefährlich. Anders ist das bei einer Hyperemesis. Etwa ein bis zwei Prozent der Schwangeren leiden darunter. „Von einer Hyperemesis sprechen wir, wenn die Frauen sich anhaltend und mehr als fünfmal am Tag übergeben müssen und es dadurch zu einem Gewichtsverlust von mehr als fünf Prozent kommt“, erklärt Prof. Maritta Kühnert, leitende Oberärztin der Abteilung für Geburtshilfe am Universitätsklinikum Marburg. In schweren Fällen führe das zu einer Entgleisung des mütterlichen Stoffwechsels: Zu Dehydrierung, schweren Mineralienverlusten und einer Übersäuerung im Blut. „Wenn man da nicht eingreift, kann es für Mutter und Kind hochgefährlich werden“, erklärt das Vorstandsmitglied der deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Im schlimmsten Fall könne es zu einer Verzögerung des kindlichen Wachstums kommen.

Mehrfach am Tag übergeben

Hannah Weber (Name geändert) weiß nur zu gut, wovon die Gynäkologin spricht. Die Kölnerin erwartet Ende des Jahres ihr erstes Kind. Vom ersten Tag der Schwangerschaft an hatte sie mit starker Übelkeit zu kämpfen und musste sich zum Teil mehrfach am Tag übergeben. „Anstatt Gewicht zuzunehmen, habe ich zehn Kilo abgenommen“, erzählt die 36-Jährige. „Ich hatte Hunger und wollte essen, aber das ging nur selten gut.“ Spätestens ein, zwei Stunden nach der Nahrungsaufnahme habe sie alles wieder ausspucken müssen. „Vom Erbrechen tat schließlich alles weh: Hals, Mund, Zähne.“

Anfangs habe sie trotz der Beschwerden noch versucht zu arbeiten. Aber irgendwann ging das nicht mehr. „Ich musste permanent zur Toilette rennen. Fühlte mich einfach nur noch müde und schlapp. Mein Leben ist von 180 auf Null heruntergefahren worden.“ Schließlich habe ihre Ärztin sie ins Krankenhaus überwiesen, wo sie Infusionen erhielt, um den massiven Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Zwei Wochen lang musste sie dann Medikamente schlucken, die Übelkeit und Brechreiz unterdrücken sollen, sogenannte Antiemetika. „Sie sind ungefährlich für das Kind und dürfen von Beginn der Schwangerschaft an genommen werden“, erklärt Maritta Kühnert. Allerdings können sie müde machen. „Ich habe mich zwei Wochen wie im Koma gefühlt“, erinnert sich Hannah Weber.

Ursache ist nicht wirklich bekannt

Warum einige Frauen in der Schwangerschaft an Übelkeit und Erbrechen leiden, andere aber gar nicht und es manche wie Herzogin Kate oder die Kölnerin Hannah Weber besonders schwer erwischt, lässt sich nicht genau erklären. „Darüber gibt es nur Hypothesen, die bisher allesamt aber nicht wissenschaftlich belegt sind“, sagt Maritta Kühnert.

Trotzdem ließen sich einige mögliche Risikofaktoren benennen. Etwa einen Migrationshintergrund der Frau. „Frauen aus Südeuropa sind deutlich häufiger betroffen“, weiß die Marburger Geburtshelferin. Häufiger trete eine Hyperemesis zudem bei übergewichtigen, adipösen Frauen auf, bei Mehrlingsschwangerschaften oder auch bei Frauen, die unter Ernährungsstörungen wie Bulimie und Anorexie leiden. In manchen Fällen lasse sich auch eine genetische Prädisposition vermuten. Scheinbar gebe es auch einen Trend, dass Frauen, die in einer vorangegangenen Schwangerschaft bereits mit schwerer Übelkeit zu kämpfen hatten, es auch bei folgenden müssten – wie im Falle von Herzogin Kate.

Aber all das sei bisher genauso wenig bewiesen wie die Vermutungen zu den Ursachen der Hyperemesis. Angenommen werde etwa, dass eine psychosomatische Störung im ersten Schwangerschaftsdrittel dahinter stecken könnte, die sich durch die Angst vor der Elternschaft begründen ließe. Außerdem trete sie bei Schwangeren mit emotionalem Stress oder Anspannungen häufiger auf. Auch werde ein Zusammenhang zwischen Übelkeit, Erbrechen und einer erhöhten Produktion des schwangerschaftsspezifischen Hormons (HCG) vermutet, das in den ersten drei Monaten aber grundsätzlich erhöht sein muss, damit die Schwangerschaft überhaupt erhalten bleibt. „Eine Hyperemesis kommt deshalb oft bei Mehrlingsschwangerschaften vor, die mit einem höheren HCG-Spiegel begleitet werden“, erklärt Maritta Kühnert.

Häufiger bei Mädchen

Generell, so Kühnert weiter, gebe es während der gesamten Schwangerschaft enorme Hormonumsätze. Welchen Einfluss genau aber Hormone wie Östrogen oder Progesteron auf das Entstehen einer Hyperemesis hätten, sei nicht eindeutig belegt. Interessanterweise aber werde die schwere Schwangerschaftsübelkeit häufiger mit einem weiblichen Fetus in Verbindung gebracht und könnte somit ein Hinweis für einen erhöhten Östrogen-einfluss darstellen. Wahrscheinlich reagieren Patientinnen mit Hyperemesis sensibler auf Östrogenwirkungen.

Warum gerade bei ihr eine schwere Form der Schwangerschaftsübelkeit aufgetreten ist, darüber will Hannah Weber nicht mehr spekulieren. Sie freut sich vielmehr, dass nach gut 20 Wochen die schlimmste Übelkeit erst einmal vorbei war – und dass sie Ende des Jahres Mutter eines hoffentlich gesunden Kindes wird.

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