Martinschule im Wandel der Zeit

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Heute ist Euskirchen bekannt als Stadt der Schulen. Alleine 24 Grund-, Haupt-, Real- und Sonderschulen sowie Gymnasien plus eine Musikschule gibt es im Stadtgebiet. Zu Kaisers Zeiten sah es noch ganz anders aus: 1870 nahm nach der Nordschule die Ostschule ihren Betrieb auf. Weil aber die Zahl der schulpflichtigen Kinder innerhalb von 13 Jahren auf 1150 anstieg, waren die Stadtväter gezwungen, die Schulsituation zu überdenken.

Und statt eines Erweiterungsbaus an der Ostschule wurde ein Neubau in der Weststraße beschlossen. Im Frühjahr 1884 begann man mit dem Bau des zweistöckigen Gebäudes. Nach nur knapp einem Jahr war es fertig. Die Jungen hießen damals noch Knaben und wurden von den Mädchen streng getrennt unterrichtet. Schulleiter war Hauptlehrer Stephan Krayer (1884-1903).

Nach nur einem Jahr geregelten Schulbetriebs wurde dieser jäh unterbrochen, als ein Großbrand 25 Häuser im Bereich Annaturm- und Baumstraße inklusive der jüdischen Synagoge zerstörte. Mehrere betroffene Familien fanden Obdach in der Westschule und die jüdische Gemeinde feierte dort Gottesdienste.

Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges erlitt das Schulwesen einen herben Rückschlag. Rektor Wilhelm Thomé (1903-1921) wies die Lehrer der Oberklassen an, ein Flugblatt vorzulesen. Darin wurden die Schüler aufgefordert, „peinlich jede Vergeudung von Brot zu vermeiden.“ Küchenabfälle sollten gesammelt und zu Leuten getragen werden, die Vieh haben.

In den Nachkriegsjahren wurde es für die Stadt Euskirchen schwer, die Schulen zu unterhalten, denn die Ausgaben für Wohlfahrtsempfänger waren enorm gestiegen. 1927 wurde der Nachmittagsunterricht endgültig zugunsten eines reinen Vormittagsunterrichts aufgegeben. Denn nun war das vorhandene Lehrpersonal in der Lage, wesentlich kleinere Klassen intensiver zu unterrichten. Nach der Machtübernahme durch die Nazis änderte sich auch einiges im Schulwesen.

Aus den Bekenntnisschulen wurden Gemeinschaftsschulen, die Lehrer wurden zudem angehalten, sich der Partei und dem NS-Lehrerbund anzuschließen. Doch konnten Lehrer und Rektoren die nicht eindeutig beschriebenen Verhaltensregeln umgehen, so dass Rektor Joseph Wenzel (1921-1938) bis 1938 seinen Posten behalten konnte.

Auch die Schulkinder wurden angehalten, der Hitlerjugend beizutreten. Das machte man ihnen schmackhaft, indem für Mitglieder der Samstagsunterricht ausfiel. 1938 vestärkten die Nazis den Druck auf die Schulen. Rektor Wenzel wurde durch Otto Lehmacher (1938-1945) ersetzt.

Der Zweite Weltkrieg verschonte auch die Schulen nicht. Die Ostschule war von Bomben zerstört, für sie wurde später die Südschule errichtet. Der Westschule fehlten Dach und Fensterscheiben, auch im Inneren gab es erhebliche Schäden. Die Nordschule war noch am besten erhalten. Sie wurde schnell hergerichtet und nahm im Februar 1946 ihren Betrieb wieder auf - mit den Schülern der Ost- und Westschule.

Zwölf Lehrer hatten die Hürde der Entnazifizierung überwunden und unterrichteten wechselschichtig im Vor- und Nachmittagsunterricht in 14 Klassen vom 1. bis zum 4. Schuljahr.

Zum Jahresende war auch die Westschule wieder weitgehend intakt. Schulrätin Zinniken wollte 1946 die Schulen Geschlechter spezifisch aufteilen: Die Nordschule sollte unter Leitung von Rektor Fetten reine Knabenschule werden, die Westschule unter Leitung von Rektorin Schömer eine reine Mädchenschule. Doch schon 1951 wurde dieser Vorstoß durch Schulrat Klempt wieder verworfen.

1963 wurden laut Stadtratsbeschluss die Schulen nicht mehr nach Himmelsrichtungen, sondern nach kirchlichen Gegebenheiten benannt. Aus der Westschule wurde die Martinschule, die Südschule wurde Franziskusschule und die Nordschule Gertrudisschule.

1968 wurde die Organisationsform der Volksschule neu strukturiert. Aus dem Neubau der Westschule jenseits des Rüdesheimer Ringes wurde die Hauptschule Georgschule, die Martinschule wurde zweizügige katholische Grundschule. Ihr erster Leiter, Rektor Josef Baum , führte die Grundschule nur ein Jahr und schied dann nach Erreichen der Altersgrenze aus. Sein Nachfolger war Rektor Heinz Willmeroth (1969 bis 1981). Ihm folgte Walter Lückenbach , der bis 2006 Rektor der Martinschule war. Zwei Jahre wurde diese kommissarisch geleitet, bis Anne Pelzer im April 2008 als Rektorin an die Schule berufen wurde.

Sie ist mit ihren zwölf Lehrerkolleginnen besonders stolz darauf, dass die Martinschule die einzige Grundschule im Kreis Euskirchen ist, die nach Peter Petersens Jena-Planpädagogik arbeitet. „Petersens Grundgedanke war es,“ so Anne Pelzer, „die Kinder und deren Zusammenleben individuell zu fördern. So ist auch die Jahrgangsmischung bei uns ein Organisationsprinzip. Das heißt: Das 1. und 2. sowie das 3. und 4. Schuljahr sind zusammen gefasst.“

Mit der Jahrgangsmischung war die Martinschule 1995 Vorreiter im Kreis Euskirchen. Die Erstklässler bekommen dabei einen „Paten“ aus dem zweiten Schuljahr zur Seite gestellt, der auch neben ihnen sitzt. So können die älteren den jüngeren Kindern behilflich sein, aber auch die Zweitklässler können von den Schulneulingen lernen.

Pelzer: „Auch für uns Lehrer ist der Unterricht sehr spannend. So lernen unsere Kinder das Lesen beim Schreiben. Wir arbeiten mit so genannten Buchstabenhäusern. Das ist ein komplexer Vorgang, der den Schülern sehr viel abverlangt.“

Am morgigen Samstagfeiert die Martinschule von 11 bis 17 Uhr ihr 125-jähriges Bestehen unter dem Motto „Anno dazumal“. Als besondere Attraktionen sind ein historisches Karussell, Schule früher, Spiele wie zu Kaisers Zeiten, ein Ehemaligen-Café und eine Fotoausstellung mir vielen Bildern aus den letzten 125 Jahren geplant.

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