Hotspot der HasspredigerSalafisten-Hochburgen in NRW – Fragen und Antworten

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Polizisten kontrollieren die Tasche einens Mannes der an einer Kundgebung von Salafisten teilnehmen will.

Düsseldorf – Der mutmaßliche Attentäter von Berlin lebte zeitweise in NRW und unterhielt engste Kontakte zur Salafisten-Szene an Rhein und Ruhr. In keinem anderen Bundesland gibt es ein so weit verzweigtes Netzwerk an gefährlichen Islamisten wie hier. Die wichtigsten Fragen zum Hotspot der Hassprediger.

Wer zählt zu den führenden Köpfen der Salafisten?

Etwa 25 salafistische Prediger werden vom NRW-Verfassungsschutz als "extremistisch" eingestuft. Sie verachten die Demokratie, stellen die Scharia über das Grundgesetz, fordern die strenge Trennung von Männern und Frauen und propagieren den Kampf gegen "Ungläubige". Zu den bekanntesten Salafistenpredigern in NRW gehört der Konvertit Pierre Vogel (38), der immer wieder in Bonn wohnte. Öffentlich war er zuletzt selten zu sehen, im Internet ist er nach wie vor sehr präsent.

Seinem Weggefährten, dem Prediger Sven Lau (36), einem Konvertiten aus Mönchengladbach, wird gerade in Düsseldorf der Prozess gemacht, weil er eine islamistische Terrororganisation unterstützt und Kämpfer angeworben haben soll. Lau leitete mit Vogel den inzwischen aufgelösten Verein "Einladung zum Paradies" in Mönchengladbach. Er machte Schlagzeilen als Erfinder der sogenannten "Scharia-Polizei", die 2014 in Wuppertal, Köln und Bonn patrouillierte. Ibrahim Abou Nagie (52) aus Köln ist eine der einflussreichsten und radikalsten Figuren in der Salafistenszene. Er leitete das seit November verbotene Netzwerk "Die wahre Religion", das die umstrittene Koran-Verteilaktion "Lies!" organisierte.

Welche Organisationen verbreiten den radikalen Salafismus?

Vom Netzwerk "Die wahre Religion" hat sich die Organsation "Das Siegel des Propheten" mit Sitz in Düsseldorf abgespalten. Auch sie missioniert auf der Straße. Kurz nach dem "Lies!"-Verbot verteilten Mitglieder einer Gruppe, die sich "We love Muhammad" nennt, Mohammed-Biografien in NRW-Städten. Prediger Pierre Vogel unterstützte sie dabei.

Im Fokus der Sicherheitsbehörden steht der Verein "Ansaar international" aus Düsseldorf. Der Verfassungsschutz stuft sie als "extremistisch-salafistisch" ein. Der Verein, geleitet vom Konvertiten Abdurahman (früher: Joel) Kaiser, wolle Sympathisanten anwerben - ähnlich wie die Koranverteiler von "Lies!". Nach Informationen dieser Zeitung wird ein Verbot geprüft. "Ansaar" klagt offenbar vor dem Finanzgericht Düsseldorf gegen die Aberkennung der Gemeinnützigkeit. Zwei weitere vermeintlich "humanitäre" Organisationen werden vom Verfassungsschutz beobachtet: "Helfen in Not" aus Neuss sowie "Medizin mit Herz" aus Hennef. Beide seien "fester Bestandteil der salafistischen Szene" in NRW.

Welchen Hintergrund haben die Salafisten?

Nur etwa jeder zehnte Salafist in NRW ist Konvertit, obwohl diese oft in führenden Rollen auffallen. Laut Verfassungsschutz haben 90 Prozent der Salafisten in NRW Migrationshintergrund. Sie gehören in der Regel der zweiten, dritten oder vierten Generation von Zuwanderern an. Drei von vier besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft, die Hauptsprache in diesen Kreisen ist Deutsch. Die Zahl der Moscheen in NRW, in denen ein extremer Salafismus gepredigt wird, stieg in den vergangenen sechs Jahren von 30 auf 55. Insgesamt gibt es 850 Moscheen im Land.

Wo sind die salafistischen Hochburgen in NRW?

Das Innenministerium sieht die Hotspots des Salafismus in der Rhein-Ruhr-Region und im Bergischen Raum. Eine besonders aktive Szene gibt es in Dortmund und Duisburg, die immer wieder Großrazzien der Behörden provozierte. Sogenannte Gefährder machen auch immer wieder in Bonn, Düsseldorf oder Wuppertal von sich reden.

Welche Kontakte hatte Anis Amri nach NRW?

Wie die Stadt Oberhausen bestätigte, lebte Anis Amri seit November 2015 unter falschem Namen in einer Asylbewerberunterkunft in Oberhausen und bezog staatliche Leistungen. Unter seinem richtigen Namen war der Tunesier im Kreis Kleve gemeldet und wohnte zeitweise in einem Heim in Emmerich. Amri kehrte auch später, als er seinen Hauptwohnsitz bereits in Berlin hatte, immer wieder nach NRW zurück. Er soll Kontakte zu dem Deutsch-Serben Boban S. aus Dortmund unterhalten und in dessen Wohnung gelebt haben. Boban S. gilt als Teil eines Schleuser-Netzwerks für die Terrororganisation Islamischer Staat (IS). Er wurde im November 2016 verhaftet. Anis Amri soll auch Verbindungen ins niederrheinische Tönisvorst gepflegt haben, wo der irakische Hassprediger Abu Walaa lebte. Bislang unbestätigten Berichten zufolge hat Amri über einen V-Mann des Landeskriminalamtes versucht, sich Waffen zu besorgen.

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