TerrorAnis Amris Fingerabdrücke am Lenkrad des Lkw – Haftbefehl

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Die Bildkombo zeigt die Fahndungsfotos des mutmaßlich tunesischen Verdächtigen Anis Amri. 

Düsseldorf – Die Bundesanwaltschaft hat am Donnerstag Haftbefehl gegen den flüchtigen 24-jährigen Tunesier Anis Amri wegen des Lastwagen-Anschlags auf den Berliner Weihnachtsmarkt erlassen. Das teilte eine Sprecherin der Behörde am Abend in Karlsruhe mit.

Nach dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt mit zwölf Todesopfern führt eine heiße Spur nach Nordrhein-Westfalen.

Am Donnerstagmorgen haben Polizisten eine Flüchtlingsunterkunft im nordrhein-westfälischen Emmerich durchsucht. Die Aktion, an der schätzungsweise 100 Beamte beteiligt waren, darunter Spezialeinsatzkräfte, war nach etwa einer Stunde beendet. Über das Ergebnis war zunächst nichts bekannt. Bereits am Mittwoch hatten in der Nähe des Heimes Polizisten Position bezogen. Ein Sprecher der Polizei wollte sich zu der Durchsuchungsaktion nicht näher äußern und verwies auf den Generalbundesanwalt. Aus Karlsruhe war zunächst keine Stellungnahme zu bekommen.

Spuren Amris am Lenkrad

An der Fahrertür des Lasters, der am Montag in einen Berliner Weihnachtsmarkt gerast war, sollen nach Informationen von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR Fingerabdrücke des Tatverdächtigen Anis Amri gefunden worden sein. Das berichtete das Recherche-Netzwerk am Donnerstag. Der „Berliner Zeitung“ zufolge soll es auch am Lenkrad entsprechende Spuren geben. Die zuständige Bundesanwaltschaft war auf dpa-Anfrage für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar.

In Salafistenkreisen verkehrt

Die Ermittler haben bislang keine Hinweise auf enge Kontakte des Terrorverdächtigen Anis Amri zum kürzlich verhafteten Salafisten-Prediger Abu Walaa. Der 24 Jahre alte Amri habe zwar in Salafistenkreisen verkehrt und sei auch in entsprechenden Wohnungen gewesen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstag aus Sicherheitskreisen. Es gebe aber bislang keine Informationen darüber, dass der Tunesier ein wichtiges Teil eines salafistischen Netzwerkes sei.

Der Salafist habe zudem zwar versucht, an automatische Waffen zu kommen. Es lägen bislang aber keine Erkenntnisse vor, dass er auch in den Besitz von Langwaffen gekommen sei, hieß es weiter.

Abschiebung eigentlich im Juni

Die Polizei fahndete am Mittwoch europaweit zunächst vergeblich nach dem Islamisten Anis Amri aus Tunesien, der im Juli 2015 nach Deutschland eingereist war und unter anderem in Emmerich gelebt hatte. Die Ausländerbehörde Kleve hätte ihn bereits im Juni 2016 abschieben sollen.

Der Mann war den Sicherheitsbehörden schon seit Monaten als Gefährder mit Kontakten zum Terrornetzwerk Islamischer Staat (IS) bekannt. Ein Asylantrag wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnt. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) erklärte, die Abschiebung sei an fehlenden Ausweispapieren gescheitert. Tunesien habe bestritten, dass es sich um einen tunesischen Staatsbürger handele. Man habe auf vorläufige Passersatzpapiere warten müssen. "Die Papiere sind heute aus Tunesien eingetroffen", sagte Jäger am Mittwoch.

Seit Januar als potenzieller Terrorist geführt

Die Ausländerbehörde Kleve sei ohnehin nur aus "verfahrensökonomischen Gründen" mit der Rückführung nach Tunesien beauftragt worden. Eigentlich zuständig gewesen seien die Behörden in Berlin, weil Anis Amri seit Februar 2016 seinen Lebensmittelpunkt überwiegend in der Hauptstadt gesucht habe und "zuletzt nur kurz" in NRW gewesen sei, so der Innenminister.

Jäger betonte, dass die NRW-Sicherheitsbehörden stets alle Informationen über den mutmaßlichen Attentäter in das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern eingebracht hätten, zuletzt im November. Bei Bund und Ländern war Anis Amri angeblich seit Januar 2016 als potenzieller Terrorist geführt. Auf Betreiben des Landeskriminalamts NRW sei auch beim Generalbundesanwalt ein Verfahren gegen Anis Amri wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat eingeleitet worden, so Jäger. Der Berliner Generalstaatsanwalt habe die weiteren Ermittlungen geführt.

Die Fahnder kamen Anis Amri nach dem Berliner Anschlag auf die Spur, weil er offenbar seine Geldbörse mit einem Duldungspapier der Ausländerbehörde im Lkw zurückgelassen hatte.

Familie von Amri befragt

Wie die Nachrichtenagentur afp am Mittwoch aus Sicherheitskreisen in Tunesien erfuhr, befragten inzwischen tunesische Anti-Terror-Ermittler die Familie von Amri,

Jäger ließ offen, welche konkreten Maßnahmen die Klever Ausländerbehörde im vergangenen Sommer nach der fehlgeschlagenen Abschiebung ergriffen hatte.

Berichte, denen zufolge Amri intensive Kontakte in die Salafistenszene in NRW unterhalten haben soll, ließ Jäger unkommentiert. Amri soll zum Netzwerk des kürzlich festgenommenen Abu Walaa gehören und sich zeitweise in Dortmund aufgehalten haben. Auf Hinweise, dass sich Amri bei einem Kontaktmann der NRW-Polizei nach einer Waffe erkundigt habe, ging Jäger auf Nachfrage nicht ein. Armin Laschet (CDU) forderte ihn auf, den Landtag schleunigst über mögliche Verstrickungen des Verdächtigen in die salafistischen Netzwerke zu informieren.

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