Interview

RWE-Chef Valerius
„Es braucht moderne Kraftwerke, die klimaneutral betrieben werden“

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Interview mit dem neuen Chef von RWE Generation, Nikolaus Valerius in Essen am Montag den 15.04.2024.  Foto: Lars Heidrich / FUNKE Foto Services

Nikolaus Valerius ist der neue Chef von RWE Generation

RWE plant den Bau großer, zunächst mit Erdgas und schließlich mit Wasserstoff betriebener Kraftwerke, jedoch wartet der Energiekonzern auf Klarheit seitens der Politik.

Es geht um milliardenschwere Investitionen: Der Essener Energiekonzern RWE plant mehrere große Kraftwerke, die zunächst mit Erdgas und später mit Wasserstoff betrieben werden sollen. Nikolaus Valerius, der neue Chef der Konzernsparte Generation, erklärt im Interview mit Ulf Meinke, was RWE vorhat.

Herr Valerius, RWE hat signalisiert, mehrere wasserstofffähige Gaskraftwerke in Deutschland bauen zu wollen – auch damit die eigenen Kohlemeiler bald vom Netz gehen können. Doch noch ist weitgehend unklar, wo welche Kraftwerke entstehen sollen. Worauf warten Sie noch?

Wir stehen bereit. Unsere Planungen für die Projekte sind weit fortgeschritten. Wir können uns vorstellen, bis zum Jahr 2030 wasserstofffähige Gaskraftwerke in Deutschland mit einer Kapazität von drei Gigawatt zu bauen. Das entspricht mehreren großen Anlagen. Aber uns fehlt nach wie vor die Klarheit, wie die von der Bundesregierung geplanten Ausschreibungen, an denen wir uns beteiligen wollen, genau aussehen und wann sie kommen. Daher ist zunächst einmal die Politik am Zug. Übrigens, alles was wir vorbereitend tun können, machen wir schon jetzt, und dafür nehmen wir auch Geld in die Hand.

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Die Bundesregierung hat aber doch schon im Februar die Grundzüge ihrer Kraftwerksstrategie präsentiert.

Es gibt Eckpunkte, aber die Details sind komplett offen. Bei entscheidenden Fragen fehlen uns noch die Antworten. Zum Beispiel: Wie sollen die Anlagen vergütet werden? Ab wann müssen die Gaskraftwerke vollständig auf Wasserstoff umgestellt sein? Wer garantiert, dass auch genug Wasserstoff da ist? Das sind Themen, die wir auch mit möglichen Anlagenbauern besprechen müssen. Und das können wir nur verbindlich tun, wenn klar ist, welche Regeln für die neuen Kraftwerke gelten.

Ist ein Ausstieg aus der Kohleverstromung bis zum Jahr 2030 noch zu schaffen?

Das wird knapp, es ist aber möglich. Nach unserer Kenntnis will die Bundesregierung bis zur Sommerpause ein Gesetz für die Kraftwerksstrategie vorlegen. Damit sollen Spielregeln für die eben genannten Auktionen festgelegt werden. Wenn es gut läuft, könnten erste Auktionen im zweiten Halbjahr beginnen. Außerdem will man sich auch um das langfristige Marktdesign kümmern und einen Kapazitätsmarkt vorbereiten. Das heißt: Kraftwerksbetreiber bekommen eine Vergütung dafür, dass sie Anlagen zur Verfügung stellen, die schnell hochgefahren werden können, wenn der Wind nicht weht und die Sonne hinter Wolken verdeckt ist. Die Anlagen werden also möglichst wenig Einsatzzeit haben, aber immer als Reserve bereitstehen. Wie die Feuerwehr, die auch dann bezahlt wird, wenn es nicht brennt.

Nun ist die Feuerwehr in aller Regel nicht privatwirtschaftlich organisiert. Welche Rendite-Anforderungen haben Sie bei Ihren Kraftwerken, die wie eine Feuerwehr agieren sollen?

Wir müssen unsere Investitionen daran messen, dass sie angemessene Erträge bringen. Sonst fließt das Geld in andere Bereiche.

Mit Marktwirtschaft hat ein solcher Kapazitätsmarkt kaum noch etwas zu tun – oder?

Doch, klar. Bei den Auktionen wird der günstigste Anbieter den Zuschlag bekommen. Es gibt also Wettbewerb. Ähnliche Verfahren kennen wir aus England. Sie sind erprobt und funktionieren gut.

Warum ist RWE nicht ins unternehmerische Risiko gegangen und hat längst den Bau von Gaskraftwerken begonnen?

Weil die Kraftwerke sich alleine nie rechnen werden. Sie sollen ja möglichst wenig laufen, nämlich immer nur, wenn die Erneuerbaren Energien nicht produzieren. Deshalb werden diese Backup-Kraftwerke eine Förderung brauchen. Wir können nicht investieren, wenn unklar ist, ob ein Projekt wirtschaftlich ist.

Bekannt ist bereits, dass Sie am RWE-Standort Weisweiler im Rheinischen Revier bis zum Ende des Jahrzehnts ein wasserstofffähiges Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk mit einer Leistung von rund 800 Megawatt bauen wollen. Wo sollen weitere Kraftwerke entstehen?

Infrage kommen vor allem Kraftwerksstandorte, die wir schon haben. Ich denke an Voerde am Niederrhein, Hamm in Westfalen oder das Gersteinwerk in Werne. Auch im Süden Deutschlands prüfen wir potenziell geeignete Standorte.

Beim geplanten Gaskraftwerk in Weisweiler setzen Sie auf Anlagenbauer aus Italien und Spanien: Ansaldo Energia und Tecnicas Reunidas. Wenn die Bundesregierung viel Geld in den Aufbau dieser Backup-Kraftwerke steckt, dürften Sie vermutlich auch Interesse daran haben, dass die heimischen Hersteller profitieren. Mit Siemens Energy gibt es schließlich einen wichtigen Akteur auf dem Markt.

Bei großen Ausschreibungen für Anlagenbau-Projekte können wir nur nach wettbewerblichen Prinzipien vorgehen. Da gibt es keine Vorfestlegungen. Sicherlich laufen in vielen RWE-Kraftwerken Siemens-Turbinen. Aber klar ist: Jeder Anbieter muss sich bei Neubauprojekten aufs Neue bewähren.

Noch ist Wasserstoff rar und teuer in Deutschland. Was macht Sie so sicher, dass der Bau von wasserstofffähigen Gaskraftwerken überhaupt sinnvoll ist?

Wir reden über einen Markt, der sich rasant entwickelt. Aber natürlich ist noch viel zu tun. Wir brauchen eine funktionierende Wasserstoff-Infrastruktur, und wir brauchen sehr viel mehr Wasserstoff als heute in Deutschland. Dafür muss man auch den Import von Wasserstoff ausweiten. Aber klar ist auch: Europa und Deutschland haben das klare, von der Gesellschaft getragene Ziel, klimaneutral zu werden. Dafür braucht es moderne Kraftwerke, die klimaneutral betrieben werden können.

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