Bei Wind und WetterZu Besuch in der KSD-Werft in Köln Deutz

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In der Kölner Werft liegen rund 60 Schiffe zur Wartung und Reperatur.

Köln – Die Welt einmal mit den Augen eines Fisches betrachten. Das geht in einer Werft, unter einem dieser Stahlkolosse, die normalerweise mit ihrer Ladung den Rhein hinauf und hinunter fahren.

Ein Fisch muss sich winzig vorkommen, wenn so ein Frachtschiff vorbeifährt. Beim Anblick der Schiffsschraube braucht es keine Flossen für ein mulmiges Gefühl: Der Durchmesser ist menschengroß. Der 85 Meter lange Frachter muss über den Tüv, wie Autofahrer sagen würden. Normalerweise transportiert die "Imperial" Ammoniak. Jetzt liegt sie aufgebockt und bewegungslos in der Kölner Schiffswerft Deutz.

Ausschließlich Reperaturarbeiten

Der Mann, der hier das Sagen hat, fertigte schon 1971 die Pläne für dieses Schiff an. Hans Klaus Sander ist seit 25 Jahren Geschäftsführer der Deutzer Werft - eine der größten Instandsetzungs- und Wartungswerften deutschlandweit. Mittlerweile ist er im 60. Berufsjahr. Angefangen hat Sander als Rohrschlosser. Früher arbeitete er auch für Werften, die selbst noch Schiffe bauten. Die Werft in Deutz macht ihren Umsatz heute ausschließlich mit Reparaturarbeiten. Es ist ein Job bei Wind und Wetter im 24-Stunden-Betrieb. Sander kann keine zimperlichen Mitarbeiter gebrauchen. "Hier muss man anpacken können." Viele seiner Kunden sind Betreiber von Fahrgastschiffen in Köln und im Rheinland. Rund 60 liegen hier vor Ort.

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Ein 85-jähriger Frachter wird in Deutz für den TÜV fit gemacht.

Mit deren Wartung ist Sander den ganzen Winter beschäftigt. Aber auch Fracht-, Tank- und Kabinenschiffe liegen hier regelmäßig im Dock. "Wir reparieren alles bis 135 Meter Länge." Die Werft hat insgesamt fast 40 Mitarbeiter.

Konkurenz aus Asien ist groß

Auch andere Binnenwerften in Deutschland machen ihren Umsatz mittlerweile vor allem im Tourismusbereich, wie Ragnar Schwefel vom Verband für Schiffbau und Meerestechnik in Berlin erklärt. Bei frachtragenden Binnenschiffen sei Deutschland kaum noch konkurrenzfähig: Die meisten Neubauten kommen aus Asien. "Seit 2014 wurde in Deutschland kein Frachtschiff mehr gebaut", so Schwefel. Stattdessen entstehen hierzulande Flusskreuzfahrer und kleinere Passagierschiffe. So hat sich beispielsweise die Lux-Werft in Mondorf auf Ausflugsschiffe für Flüsse und Seen spezialisiert. Mit rund 50 Mitarbeitern entstehen hier etwa drei neue Schiffe pro Jahr. Die Auftraggeber sind Personenschifffahrtsgesellschaften aus Deutschland, aber auch aus Österreich, der Schweiz und den Niederlanden.

Die Zukunft liegt in der Personenschifffahrt

Außer der Lux-Werft baut auch die Werft in Remagen-Oberwinter Fahrgastschiffe. Eigner ist das Unternehmen Stahlbau Müller aus Spessart. Direkt nebenan hat Rainer Ritzdorf sein Büro. Der Inhaber der Schiffs- und Industrietechnik GmbH konstruiert Schiffe, die nicht nur auf dem Rhein, sondern auch auf dem Lago Maggiore oder in Berlin zu Wasser gelassen werden. Er arbeitet eng mit Stahlbau Müller zusammen. Ein Neubau brauche etwa ein Jahr, erklärt Ritzdorf. Gemeinsam mit Stahlbau Müller hat er zuletzt die Autofähre Linz-Remagen fertiggestellt und eine weitere für einen hessischen Fährbetrieb. "Eine neue Fähre kostet etwa 3,5 bis vier Millionen Euro. Ihre Lebensdauer liegt in etwa bei 25 bis 40 Jahren", erzählt Ritzdorf. Der gelernte Schiffsbau-Konstrukteur ist seit 51 Jahren im Beruf. Zwischen 1979 und 2009 war er betriebsleiter und Technischer Leiter in der Schiffswerft in Oberwinter. Seit 2009 ist er selbstständig mit seinem Büro für Schiffs- und Industrietechnik.

Der Trend geht zum Elektroantrieb

Zurück nach Deutz. Die Sonne scheint, das Wasser im Rhein glitzert. An Deck der "Imperial" wird gut gelaunt gehämmert und gesaugt. Der Bauch des Schiffs wird gelüftet. Währenddessen fliegen in der großen Halle nebenan die Funken: Ein Mitarbeiter schweißt an einer großen Schraube. Sander hat sich auf die Reparatur von Schiffspropellern spezialisiert.

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Schweißarbeiten an einer abgenutzen Schiffsschraube.

In Deutschland gibt es derzeit 45 Werften, die Binnenschiffe bauen und reparieren. Nach Angaben des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik sind davon sieben in NRW beheimatet. Im Schiffsbau gibt es einen Trend, der in jüngster Zeit auch im Straßenverkehr immer wieder Schlagzeilen macht: der Elektroantrieb. Sowohl Ritzdorf als auch die Lux-Werft konstruieren bereits Schiffe, die mit Batterie fahren. Die Probleme sind ähnliche wie die der Autohersteller: Die Reichweite ist zu kurz, der Preis zu hoch. Allerdings gelten Schiffe auch mit Verbrennungsmotor als Verkehrsträger mit dem geringsten Energieverbrauch. Und der Anteil der beförderten Güter zu Fluss steigt. Eine gute Nachricht für Werft-Geschäftsführer Sander.

Prominenz und Ärger in der Nachbarschaft

Sorgen bereitet ihm auch weniger die Auftragslage als vielmehr das nachbarschaftliche Verhältnis zu den Anwohnern in Mülheim und Deutz. Bei nächtlichen Arbeiten kommt es immer wieder zu Beschwerden wegen Lärmbelästigung.

Apropos Nachbarn: Vor einigen Jahren hatte Sander äußerst prominente Untermieter.

Nur wenige Meter von seiner Werft entfernt lag das Hausboot der Kelly Family. Sander vermietete ihnen den Anlegeplatz. "Das waren nette Leute", erinnert er sich. Ihr Hausboot war auch das berühmteste Schiff, das Sander je repariert hat.

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