LandtagNeues Personal, neue Aufgaben – ein Besuch bei Oliver Krauß und Jörn Freynick

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Gebäude mit Aussicht und Kunst: Jörn Freynick (l.) und Oliver Krauß vor der Galerie der bisherigen Präsidentinnen und Präsidenten des Landtags Nordrhein-Westfalen.

Gebäude mit Aussicht und Kunst: Jörn Freynick (l.) und Oliver Krauß vor der Galerie der bisherigen Präsidentinnen und Präsidenten des Landtags Nordrhein-Westfalen.

Bornheim – Oliver Krauß (48, CDU) aus Alfter zog als Direktkandidat und Nachfolger von Ilka von Boeselager in den Düsseldorfer Landtag ein, der Bornheimer Jörn Freynick (34, FDP) über seinen Listenplatz. Rundschau-Redakteurin Jacqueline Rasch besuchte die Koalitionäre zum Start in die parlamentarische Arbeit in der Landeshauptstadt.

Herr Krauß, Herr Freynick, waren Sie in die Koalitionsverhandlungen von CDU und FDP eingebunden?

Jörn Freynick: Das ist eine Parteiveranstaltung, das muss man klar trennen. Für die FDP bin ich gefragt worden, in den beiden Arbeitskreisen Umwelt, Natur, ländliche Räume, Verbraucherschutz sowie Kultur und Medien mitzuarbeiten. Es gab eine Art Lenkungsgruppe, ein übergelagertes Gremium mit Armin Laschet und Christian Lindner, darunter dann die Arbeitsgruppen mit fünf bis zehn Personen, fünf von CDU, fünf von FDP, die Themen verhandelt haben. Die Ergebnisse wurden an die Lenkungsgruppe weitergereicht. Die Treffen waren sehr harmonisch und konstruktiv.

Oliver Krauß: Bei uns war die Situation ein bisschen anders, weil wir 72 Abgeordnete haben, aus denen jeweils fünf für die Arbeitsgruppen auszuwählen waren. Mein Schwerpunkt ist wie schon immer die Verkehrspolitik. Ich war bisher Mitglied der sogenannten Rheinland-Fraktion, einem fraktionsübergreifenden Zusammenschluss aller Abgeordneten aus dem Rheinland mit dem Ziel, mehr Mittel für unsere Infrastruktur zu bekommen. Die Verkehrsinfrastruktur war einer der Gründe, warum die vorige Regierung abgewählt worden ist. Ich habe bei den Schwerpunkten ÖPNV und Baustellenmanagement meine Kenntnisse einbringen können. Wir haben als Fraktion immer komplett getagt und die Zwischenstände eingebracht, so dass jeder die Möglichkeit hatte, die Aufträge aus seinem Wahlkreis einzubringen. Die Ergebnisse der Kommission mit den nahezu gleichberechtigten Partnern sind durchweg auf Zustimmung gestoßen. Auch dort, wo man mehr Reibungspunkte erwartet hatte.

Exquisite Adresse: Zwischen Rheinturm und Rhein steht das Landtagsgebäude.

Exquisite Adresse: Zwischen Rheinturm und Rhein steht das Landtagsgebäude.

Man kommt als Neuling in den Landtag, hat noch nicht einmal einen Schlüssel für sein Büro. Wie findet man sich zurecht?

Freynick: Die erfahreneren Abgeordneten haben sich unser angenommen, und die FDP-Fraktion hat einen Coworking-Space, zwei Räume mit vier Computern. Denn es ist das Allerwichtigste, erstmal eine Kennung für seine Adresse @landtag.de zu haben. Damit kann man auf das Intranet zugreifen, in dem man unglaublich viele Informationen bekommt. Von der Krankenversicherung bis zu einer umfangreichen Protokollbibliothek mit allem, was für das Land schon einmal wichtig war.

Krauß: Ich hatte bessere Voraussetzungen mit der bestehenden Infrastruktur meiner Vorgängerin Ilka von Boeselager, die mich seit meiner Nominierung 2016 sozusagen als Ausbildungsleiterin an die Hand genommen hatte. Ich konnte direkt ihr Büro übernehmen, das war ein Vorteil. Selbstverständlich habe ich auch ihre bewährten Mitarbeiter übernommen. Es ist wichtig, dass die Mitarbeiter im Wahlkreis die Befindlichkeiten kennen. Es sind enorm viele Dinge zu berücksichtigen. Man ist darauf eingestellt, dass es einen gläsernen Abgeordneten gibt, dass man seine Einnahmestruktur offenlegt. Das ist auch richtig so, aber es ist mit viel Bürokratieaufwand verbunden. Ein Beispiel: Wenn man Geschenke macht, muss man aufpassen, dass man Grenzbeträge nicht verletzt oder ob man sie versteuern muss.

Freynick: Ganz ehrlich, man muss sich hier auch räumlich erstmal zurechtfinden. Der Landtag hat eine atemberaubende Architektur, die in der Tiefgarage beginnt und unter dem Dach aufhört. Am Tag der konstituierenden Sitzung hab ich mich mit drei Kollegen verlaufen, bis wir Büro, Fraktion und Poststelle und dann zurück zum Plenarsaal gefunden haben.

Wie oft müssen Sie hier sein?

Freynick: Im Moment sind es drei Tage pro Woche, egal ob Sitzungswoche ist oder nicht. Dienstags ist Fraktionssitzung, die Minister Joachim Stamp, Yvonne Gebauer und Andreas Pinkwart sind auch dabei. Mittwoch, Donnerstag und Freitag sind Plenartage, da muss man um 10 Uhr in Düsseldorf sein. Das war mitunter sehr, sehr schwierig, alle Züge hatten Verspätung, alle Straßenbahnen waren voll. Ich hatte schon Schweißausbrüche, weil zuerst immer eine Tagesordnung beschlossen wird und wir vollzählig sein müssen. Disziplin ist hier für CDU und FDP wichtig, da können wir uns keine Ausrutscher erlauben. Da kann ich nicht mal früher donnerstags zur Ratssitzung nach Bornheim fahren.

Glauben Sie, dass Sie Ihr Ratsmandat und die Position des Vize-Bürgermeisters in Bornheim beibehalten können?

Freynick: Ich hoffe es und bin da auch ganz zuversichtlich. Die Bürgernähe hab ich sehr genossen, die möchte ich nicht aufgeben.

Krauß: Ich möchte beim Stichwort Disziplin einhaken. Die ist in der Tat bei der Ein-Stimmen-Mehrheit oberstes Gebot. Wobei ich sehr froh bin, dass wir direkt bei der Wahl des Ministerpräsidenten gezeigt haben, dass die Mehrheit steht, ohne dass wir auf andere angewiesen sind. Was die Sitzungstage angeht ist es wichtig, für sich eine gute Balance zu finden. Bei Abendterminen gibt es auch die Möglichkeit, hier zu übernachten.

In bestimmten Hotels?

Krauß: Der Landtag hat mit einigen Hotels Konditionen ausgehandelt, die aber nicht zu Messezeiten gelten. Man kann dort Zimmer reservieren, muss aber auch einen Eigenanteil bezahlen. Zur Not kann man auch im Büro übernachten. An Sitzungstagen, das muss man klar sagen, gilt das Hauptaugenmerk dem Parlament. Da muss man auch die Bürger um Verständnis bitten, dass man Wahlkreistermine dann nicht wahrnimmt. Aber ich habe im Schnitt drei Tage im Wahlkreis und zwei Tage in Düsseldorf, was dem Umstand geschuldet ist, dass man als direkt gewählter Abgeordneter mehr vor Ort in die Pflicht genommen wird.

Welche Themen haben Sie aus dem Wahlkreis mitgenommen?

Krauß: Verkehrsprobleme gibt es im ganzen Land, und der Verkehrsausschuss war einer der beliebtesten. Es war kein Automatismus, als Neuling hineinzukommen, aber es ist gelungen. Ein weiterer Punkt, der mich schon bei meiner juristischen Tätigkeit in Brüssel beschäftigt hat, ist der Bezug zu Europa und die Ansiedlung europäischer Institutionen in der Region. Es hat mich besonders gefreut, dass ich den Ausschuss Europa, Internationales und Wissenschaft bekommen habe und dessen Sprecher bin.

Freynick: Wir haben eine hohe Zahl von Ausschüssen zu besetzen. In einem 27er-Ausschuss, davon gibt es vier, sitzen 4 FDP-Mitglieder. Das kann die CDU bei 72 Abgeordneten natürlich feiner verteilen. Bei uns muss jeder drei Ausschüsse übernehmen. Ich bin in der glücklichen Lage, für die drei Themen, die ich angemeldet hatte, auch in die Ausschüsse Wirtschaft, Familie und Kinder und Digitales und Innovation gekommen zu sein und im Wirtschaftsausschuss Sprecher für Landesplanung zu sitzen. Auch in Bornheim bin ich planungspolitischer Sprecher. Ich werde weiterhin auf Regionalratsebene in der Kommission mitarbeiten, gerade bei der Aufstellung des Regionalplans. Da schließt sich der Kreis, das passt.

Krauß: Auch bei uns bekommt jeder ein Themenfeld, das ihm wirklich liegt. Zufriedenheit ist bei einer Ein-Stimmen-Mehrheit das höchste Gut. Und wir wollen die Wahlkampfthemen wiederfinden. Mein Spruch ist: Wenn wir jetzt nicht liefern, sind wir geliefert. Wir müssen der enormen Erwartungshaltung, die an die Landesregierung gerichtet ist, zumindest zu einem gewissen Teil gerecht werden. Dass sich viele Dinge nicht in fünf Jahren ändern können, ist völlig klar. Aber wir müssen für die Themen den Grundstein legen.

Haben Sie den Eindruck, dass Sie die Interessen der Region hier pushen können?

Krauß: Schauen Sie nur mal, wie gut die Region hier vertreten ist! Wir haben mit Joachim Stamp einen Minister aus Bonn, Minister Andreas Pinkwart kommt aus Alfter, wir haben mit Andrea Milz eine Staatssekretärin aus dem Rhein-Sieg-Kreis direkt bei Armin Laschet angesiedelt, zuständig für Sport und Ehrenamt. Yvonne Gebauer aus Köln besetzt das wichtige Themenfeld Schulen, und wir haben die angesprochenen Sprecherfunktionen. Wir haben Vertreter an maßgeblichen Stellen. Wir sind als Rheinland, das, und das muss man deutlich sagen, zuletzt unter den politischen Verhältnissen im Landtag gelitten hat, gut aufgestellt.

Mal angenommen, Sie werden nach dieser Legislaturperiode nicht mehr in den Landtag gewählt, Können Sie wieder in Ihre Berufe zurückkehren?

Krauß: Mir persönlich ist die berufliche Unabhängigkeit enorm wichtig. Ich war bisher als Rechtsanwalt tätig und werde es auch weiterhin sein. Ich halte es immer für fatal, wenn man so abhängig von der Politik ist. Unabhängigkeit macht es in jeder Hinsicht einfacher.

Freynick: Ich bin als selbstständiger Businesstrainer beschäftigt und werde auch weiter als Trainer unterwegs sein, nur an weniger Tagen als zuvor. Man muss auch sehen: Das ist eine Aufgabe auf Zeit, die man von den Bürgern anvertraut bekommen hat.

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