Hielt dem Regen nicht stand150.000-Euro-Karussell war eine „richtige Schlamp-Arbeit“

Lesezeit 2 Minuten
Symbolbild.

Symbolbild.

BONN/NIEDERSACHSEN – Nagelneu war „Extasy“, ein Karussell, das wie ein Scheibenwischer mit 18 Sitzen vor knallbunter Rückwand rotiert und ein neues Highlight im Fuhrpark eines Schaustellerbetriebs aus Niedersachsen sein sollte. Im Herbst 2014 hatte der 40-jährige Sohn des Schausteller-Clans die Sonderanfertigung bestellt: Aber als er das Fahrgeschäft inklusive Anhänger im März 2015 in Tschechien abholen wollte, war es erkennbar voller Mängel: Unter anderem funktionierte die Elektrik des Kassenhäuschens oder auch der Lampen (Bubbles) nur durch gutes Zureden; auch die Sitzkantenabschlüsse der 18 Karussell-Sessel waren nicht angebracht. Zudem war das individuell bestellte Design für die Rückwand nicht umgesetzt worden, obwohl ein Entwurf vorlag. Mit anderen Worten, so die Klage des Käufers, eine richtige Schlamp-Arbeit. Und das Ganze für 149 000 Euro.

Trotz wiederholter Zusage des Verkäufers von Fahrgeschäften mit Sitz im Großraum Bonn wurden die Mängel nicht behoben. Oder konnten nicht behoben werden. Daraufhin verklagte der Schaustellerbetrieb die Firma in einem Zivilstreit vor dem Bonner Landgericht auf eine Kaufpreisminderung von insgesamt 30 000 Euro. Denn kaum ging der „Scheibenwischer“ erstmalig auf einen Jahrmarkt in Bad Oldesloe in den Einsatz, machte er dem Publikum zwar Laune, aber hielt trotz des vielversprechenden Namens dem Regen nicht stand. Ein 29-jähriger Mitarbeiter der Schausteller-Dynastie erklärte jetzt im Prozess: „Wenn es regnete, fielen alle Lampen aus. Dann habe ich sie rausgesteckt, getrocknet, isoliert, und wieder reingesteckt. Das funktionierte dann bis zum nächsten Regenguss. Manchmal half es auch, an den Steckern einfach zu wackeln“, so der Mitarbeiter weiter.

Aber das war nicht der einzige Mangel, der nach und nach am „Scheibenwischer“ offenbar wurde: Bald schon – so heißt es in der Klage weiter – sei das Polyester der Sitze abgeplatzt, hätten sich Löcher aufgetan und am Geländer der erste Rost bemerkbar gemacht. Auch die Sonneneinstrahlung soll dem Fahrgeschäft zugesetzt haben. Das bemalte Blech der Rückwand schlage dann gewaltige Wellen. „Dann platzen die Nieten, die ganze Fassade löst sich vom Gestell. Es ist der Wahnsinn,“ erklärte der Mitarbeiter.

Die 1. Zivilkammer des Bonner Landgerichts hat den Parteien einen Vergleichsvorschlag gemacht, aber der wurde abgelehnt. Jetzt muss sich ein Spezial-Gutachter, seit 40 Jahren im Metier der Fahrgeschäfte, mit dem mangelhaften Karussell beschäftigen.

(AZ: Landgericht Bonn 1 O 310/15)

Rundschau abonnieren