Swisttaler überstimmtStreit um Staumenge in der Steinbachtalsperre

Lesezeit 5 Minuten
Die volle Talsperre in Euskirchen mit deutlichen Schäden am Damm

Die Steinbachtalsperre als der Damm zu brechen drohte.

Soll die Steinbachtalsperre künftig zur Hälfte oder zu drei Vierteln aufgestaut werden? Zugunsten des Naherholungsgebiets haben die Euskirchener die Swisttaler überstimmt. 

Die neun Euskirchener Mitglieder des Wasserversorgungsverbandes Euskirchen-Swisttal (WES) haben sich in einer Sondersitzung der Verbandsversammlung gegen die vier Swisttaler Vertreter mit einer höheren Füllmenge für die Steinbachtalsperre durchgesetzt. Demnach wird bei der Bezirksregierung ein Einstau von 750.000 Kubikmetern beantragt. Das sind drei Viertel dessen, was vor der Beschädigung in der Starkregenkatastrophe von 2021 in der Talsperre stand.

„Diese Festlegung widerspricht der Bewertung des für den Hochwasserschutz zuständigen Erftverbandes“, teilte nach der Sitzung mit hoher Zuschauerbeteiligung der Swisttaler CDU-Vertreter Hanns Christian Wagner mit. Der Erftverband habe einen freibleibenden Stauraum von 500.000 Kubik gefordert, was einer maximalen Einstaumenge von lediglich 560.000 Kubik entspreche. Wagner fordert nun auch im Nachgang der Entscheidung noch, dass „diese eindeutige fachliche Expertise“ zum Hochwasserschutz noch Berücksichtigung findet. Solange der kommunale Hochwasserschutz der Gemeinden, durch die das Wasser aus der Talsperre abfließe, nicht abgeschlossen sei, dürfe ein Stauvolumen von 560.000 Kubikmetern nicht überschritten werden.

Die Rundschau sprach mit Petra Kalkbrenner (Bürgermeisterin von Swisttal, CDU), die als Zweckverbandsversammlungsleiterin die Sitzung leitete. Gut 100 Besucher seien im Ratssaal von Euskirchen gewesen, wohin die Sitzung kurzfristig wegen des Andrangs verlegt worden war. Ein paar von ihnen hätten stehen müssen. „Die Zuhörer waren äußerst diszipliniert. Sie durften keinen Unmut und keinen Beifall bekunden. Es ging sehr demokratisch und fair zu“, lobte die Sitzungsleiterin.

In der Versammlung zuvor, am 21. März, sei konkret ein Einstau von zirka 500.000 Kubik bei einem Abfluss von zehn Kubik in der Sekunde vorgeschlagen worden. Die Position der Swisttaler ziele auf einen „maximalen Hochwasserschutz“ ab. Die Euskirchener erbaten sich aber vor einer Entscheidung noch einmal, die verschiedenen Füllstände vor Ort anzuschauen. „Da war uns schon klar: Denen liegt am Aspekt der Naherholung sehr viel“, sagte Kalkbrenner der Rundschau: „Und wir haben auch gemerkt, dass die einen höheren Einstau haben wollten. Dabei galten alle Anforderungen für Brauch- und Löschwasser als erfüllt. Uns war der Hochwasserschutz am wichtigsten, Euskirchen aber, ob die Wasserfläche größer und schöner aussieht und ob die Begrünung näher am Spazierweg ist.“

Der Vorschlag, die Steinbach zu drei Vierteln zu füllen, kam von Sandra Eisermann (CDU in Euskirchen).

Entscheidend: Wie viel Wasser kann abtransportiert werden

Bei der Starkregenkatastrophe im Sommer 2021 hatte die Steinbach ein Fassungsvermögen von etwa einer Million Kubikmeter. 2,5 Millionen Kubikmeter Wasser, so Kalkbrenner seien aber tatsächlich abgeflossen. Entscheidend für die Zukunft sei nun, was die Gewässer, die von der Steinbach gespeist werden, abtransportieren könnten. Und zunächst müsse dafür der Moment betrachtet werden: „Wieviel Wasser passt derzeit durch die Ortschaften?“ Neuerdings werde auch für den Sürstbach, der parallel zum Orbach fließt, ein Becken geplant und ein Rückhalt von zehn Kubikmetern Wasser veranschlagt.

Der Orbach habe derzeit an seiner engsten Stelle eine Kapazität von 16 Kubikmetern, sagte Kalkbrenner der Rundschau: „Das werden wir noch verbessern. Das Bachbett ist aber nicht beliebig erweiterbar. Auskoffern würde nur eine minimale Verbesserung bringen. Außerdem setzt die recht enge Bebauung Grenzen.“ Auch der Bedarf an einer Umflut, also einem künstlichen weiteren Bachbett um den Ort herum, werde noch geprüft. Derzeit werde der Orbach komplett neu vermessen, weil die Flut sein Bett verändert habe.

Aufweitung, Umflut, Rückhalt und mehr Abfluss am Sürstbach - das könnte den höheren Einstau in der Steinbach möglich machen. „Aber erst müsste ein Bauwerk in der Scharte eingerichtet werden, das die Wassermassen verteilt“, sagte Kalkbrenner. Die „Scharte“ ist der Einschnitt, der zum Schutz des aufgeweichten Dammes während der Fluttage im Damm vorgenommen worden ist, um das Fassungsvermögen und damit den Druck zu verringern. Auch dieses Bauwerk müsse erst bei der Bezirksregierung beantragt werden und dann die Stauwand sicher hergestellt werden. Die Bemessungsgrenzen dafür waren nach einer Untersuchung des Untergrundes gerade erst aktualisiert worden.

Kalkbrenner verweist darauf, dass trotz des Antragsverfahrens, das sicher ein halbes Jahr für die Vorbereitung und dann ein Jahr für die Prüfung in Anspruch nehmen werde, letztlich die Zweckverbandsversammlung über die tatsächliche Einstauhöhe entscheiden werde. Denn diese Festlegung gehöre zum Betriebskonzept, das nur im Konsens beschlossen werden könne. Dass nun die Bezirksregierung den Schiedsrichter machen soll, will Kalkbrenner darum nicht so sehen.

Anderthalb Jahre wird es also, wenn Kalkbrenner richtig liegt, dauern, bis der geprüfte Antrag vorliegen wird. Noch schwieriger sei es, die Zeitschiene zu bezeichnen, die ein Aufweiten des Orbachs benötige. Dazu müsse erst die Vermessung abgewartet werden.

Mindestmenge in der Steinbach

Zum Betrieb der Talsperre ist, wie Hanns Christian Wagner betonte,  lediglich ein Mindesteinstauvolumen 354.000 Kubikmetern erforderlich. 174.00 Kubikmeter seien nötig, damit das Gewässer biologisch nicht umkippe, weitere 180.000 Kubik seien für eine Brauchwasserentnahme vonnöten. Dabei geht es auch um die Existenz von Landwirten, die auf Wasser aus der Talsperre angewiesen sind. Nach der Flut habe aber das nötige Wasser aus der Madbachtalsperre beschafft werden können. So sei die - nicht beantwortete - Frage, warum die Bedarfsdeckung künftig wieder vollständig über die Steinbachtalsperre erfolgen müsse, merkte Wagner an. 

Nach Auffassung des Swisttaler CDU-Vorsitzenden Bernd Großmann-Lemaire ist „eine objektive Abwägung der Interessenlagen zwischen dem seitens der Euskirchener Vertreter gewünschten Landschaftsbild und der existentiellen Bedrohung der unterhalb der Talsperre liegenden Orte, die von Swisttal angemahnt wurde, nicht gelungen“. Er mutmaßt: „Die Entscheidung wäre anders ausgefallen, wenn sich die Steinbachtalsperre vor den Toren Euskirchens befände. Dann wäre eine objektive Abwägung zwischen dem Landschaftsbild und den existentiellen Gefahren für Leib und Leben der dort wohnenden Menschen erfolgt.“ Für Großmann-Lemaire ist das deshalb „Kirchturmdenken par excellence“.

Rundschau abonnieren