„KidS Zentrum“100 Jahre Kölner Kinderheime – eine Geschichte mit Schattenseiten

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Kinderheim Aachener Strasse

Nicht sehr einladend wirkte das Wai­sen­haus am Sülz­gür­tel. Die Aufnahme zeigt den Neubau um 1917.

Köln – Aus der Isolation hinein in die Mitte der Gesellschaft: Diese Entwicklung vom Kölner Waisenhaus zum heutigen „KidS Zentrum“ zeigte dessen Leiter Jürgen Haas auf der Jubiläumsveranstaltung „100 Jahre Kinderheime in Köln“: Heute leben Kinder, deren Eltern sich nicht um sie kümmern können, nicht hinter dicken Anstaltsmauern, sondern in Wohngruppen mitten im Stadtteil.

„Unser Erbe muss uns Mahnung sein für Gegenwart und Zukunft“, sagte Haas. Denn dieses Erbe hat einige Schattenseiten, wie Oberbürgermeisterin Henriette Reker zur Begrüßung zusammenfasste: In der NS-Zeit verschwanden jüdische Kinder, bis heute weiß man nicht, wohin. Und bis Ende der 1960er Jahre hatte die „schwarze Pädagogik“ die Kölner Heime am Sülzgürtel und in Brück fest im Griff.

Arrest und Schläge als Mittel der Erziehung

Karzerarrest und Schläge als Mittel der Erziehung, Unterordnung, Gehorsam und Sauberkeit als ihre Ziele – das gab es nicht erst in der NS-Zeit. „Schwarze Pädagogik hatte das angepasste Kind zum Ziel“, sagt Direktor Jürgen Haas. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg standen bei den Nonnen, die das Heim in Sülz führten, noch Zucht und Ordnung im Vordergrund.

Wie schmerzlich deren Wirken für die Kinder sein konnte, schilderte Peter Halberkann, der von 1961 bis 1966 im Sülzer Kinderheim lebte. Kurz vor seinem 15. Geburtstag nahm er seinen Schulranzen und ging – warum, das kann er noch heute nur mit gebrochener Stimme und erst im zweiten Anlauf erzählen: Er sollte seinen eigenen Bruder mit einem Kleiderbügel züchtigen – so wollte es die Nonne, die seine Gruppe leitete. Zur Durchsetzung ihrer Wünsche „hielt sie sich einen Schläger“, sagt Halberkann – einen älteren Jungen, der mit seinen Fäusten unliebsame Kinder zur Raison brachte. Halberkann weigerte sich trotzdem und ging – heute ist er ein erfolgreicher Betriebswirt.

Wandel in der Heimerziehung in den 70er

Der Wandel in der Heimerziehung setzte in den 1970er Jahren ein. Körperliche Gewalt wurde untersagt, die Eltern bekamen mehr und mehr Mitspracherechte. Das Sülzer Kinderheim wurde 2015 abgerissen, das Gelände verkauft. Von einem Teil des Erlöses wurde das Verwaltungsgebäude der „Kinder- und Jugendpädagogischen Einrichtung“, kurz KidS, gebaut. Etwa 1000 Kinder und Jugendliche betreut die Stadt Köln pro Jahr in den verschiedenen Angeboten dieser Einrichtung – die meisten leben in Wohngruppen über das ganze Stadtgebiet verteilt, Tür an Tür mit Familien.

Als Herausforderung sieht Jürgen Haas jetzt die Inklusion: „Ich möchte ein Zusammenleben mit körperlich und geistig beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen ermöglichen.“ Zum Beispiel auf dem Gelände des Standortes Brück, der demnächst saniert werden soll.

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