Hauptsitz der ZEGEuropas größter Fahrrad-Fachhändler sitzt in Köln

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Die verschiedensten Modelle und Marken hat die ZEG in ihrem Angebot.

Die verschiedensten Modelle und Marken hat die ZEG in ihrem Angebot.

Köln – Selbst am Haupteingang wird es noch geleugnet. Sicher, da steht groß in gelben Lettern: ZEG. Doch darunter, dort, wo der sperrige Firmenname „Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft“ auftauchen müsste, heißt es Zweirad Experten Gruppe. „Das klingt ein bisschen moderner“, wird Vorstandsvorsitzender Georg Honkomp später im Gespräch mit der Rundschau fast ein wenig entschuldigend sagen. Dabei passt diese kleine Verschleierung gut zum Credo des Unternehmens: „Wir hatten als ZEG nie die Absicht, uns in den Vordergrund zu stellen“, versichert Honkomp. Und so wirkt auch das Hauptquartier in wenig repräsentativer Lage an der Longericher Straße nicht wie ein Ausrufezeichen. Die ZEG glänzt eher von Innen, nicht nur, weil die Dame, die uns in die Vorstandsetage begleitet, das Bambusparkett der insgesamt edlen Innenausstattung hervorhebt. Honkomp stellt klar: „Der Händler vor Ort ist der Held. Denn er hat die direkte Beziehung zum Kunden.“

Kreise vor dem Hauptquartier an der Longericher Straße deuten es an, hier geht es um Räder. Ganz deutlich wird der Bezug im Büro von Georg Honkomp. Hier wird ein edles Rennrad so präsentiert, als sei es ein Kunstwerk.

Kreise vor dem Hauptquartier an der Longericher Straße deuten es an, hier geht es um Räder. Ganz deutlich wird der Bezug im Büro von Georg Honkomp. Hier wird ein edles Rennrad so präsentiert, als sei es ein Kunstwerk.

Absicht der ZEG war es seit Gründung 1966 durchaus, Geld zu sparen und zu verdienen. Bernhard Lakämper und Hans Krämer hießen die Herren, die mit sechs weiteren Fahrradfachhändlern die Genossenschaft ins Leben riefen, um günstige Einkaufskonditionen zu erzielen. Ähnlich agieren etwa auch Schreiner auf dem Holzmarkt. Aus dieser acht Mann starken Truppe ist dann, gut 50 Jahre später, Europas größter Fahrrad-Fachhändler geworden, mit rund 1000 Verkaufsstellen, der etwa 1,2 Milliarden Euro am Markt umgesetzt hat. Wie konnte es soweit kommen? Am Geschäftsmodell der Kölner hat sich im Prinzip bis heute wenig geändert. In Asien werden die Fahrräder zusammengeschraubt, die in Deutschland mit Gewinn bei den angeschlossenen Händlern verkauft werden. Die Dimensionen sind freilich andere. Diese Entwicklung der ZEG ist eng mit der Stellung des Fahrrads in der Gesellschaft verknüpft. Das Wirtschaftswunderland Deutschland dürstete in den 60er Jahren nach motorisierten Fahrzeugen, die auch Wohlstand dokumentierten. Erst die Ölkrise machte das muskelbetriebene Zweirad wieder hoffähig und beflügelte die ZEG. Bis 1980 steigerte sich der Umsatz auf 100 Millionen Euro. Auch die Entscheidung, Anfang der 80er eigene Marken, NSU-Rubin und Pegasus, einzuführen, erwies sich als goldrichtig.

Dennoch, als Honkomp 1986 aus Norddeutschland an den Rhein wechselte, war die folgende Entwicklung nicht absehbar: „Hätte mir damals jemand gesagt, die ZEG würde mal so aussehen wie heute, hätte ich Angst bekommen und wäre nicht zur ZEG gewechselt“, sagt der Manager im Rückblick. Die Fahrradbranche stagnierte seinerzeit. „Die Kinder fuhren mit dem Fahrrad zur Schule und wären lieber mit dem Auto gebracht worden“, erzählt Honkomp.

So richtig sexy wurde Radfahren erst Ende der 1980er Jahre als Mountainbike-Räder vor allem bei der Jugend in Deutschland populär wurden. 1995 ergänzte die ZEG ihr Markenportfolio noch um Bulls für das Mountainbike-Segment. Doch mit dem Siegeszug des E-Bikes als Hilfsmotor stieß das Unternehmen in neue Dimension vor. Der Durchbruch des Fahrrads mit Elektroantrieb 2008 war nicht der Verdienst der ZEG, gibt Honkomp zu. „Wir haben zwar alle daran gearbeitet, aber dieser Durchbruch kam über Nacht und war nicht planbar.“ Die Technik hatte sich weiterentwickelt, neue Akkus ermöglichten Reichweiten von bis zu 100 Kilometern und vor allem verlor das E-Bike den Ruf als Handicapfahrrad für die ältere Generation.

Eine ideale Situation für die ZEG, die erstmal nur damit beschäftigt war, den Durst des Marktes zu stillen. Zwar verkauft die Genossenschaft noch immer mehr „normale“ Räder, allerdings machen E-Bikes schon die Hälfte des Umsatzes aus: „Das E-Bike hat einen Durchschnittsverkaufspreis von 2000 Euro, das Fahrrad 400 bis 500 Euro“, sagt Honkomp. Nicht nur das: Kunden sind meist Ehepartner, kaufen also gleich zwei Räder.

Allerdings ist die neue Kundschaft kritisch, sie informiert sich umfassend und glaubt an die Kraft der Marken. „Wenn Sie früher jemand gefragt haben, welches Fahrrad fahren Sie? Hat das kaum einer gewusst. Das hat sich geändert.“ Auch deshalb hat die ZEG reagiert und in den vergangen Jahren deutsche Traditionsmarken wie Hercules, Wanderer und zuletzt Kettler gekauft. Vor allem letztere Akquisition ist ein weiterer Schritt in der Evolution der Einkaufs-Genossenschaft aus Bilderstöcken. Denn damit verfügt sie erstmals über eine Produktionsstätte in Deutschland. „Mit dem E-Bike ist das Thema Made in Germany stärker geworden“, sagt Honkomp. Soll heißen, es ist ein Verkaufsargument für teure Qualitäts-E-Bikes.

Noch vor wenigen Jahren mühte sich die ZEG, auf anderen Wegen das Vertrauen des Endkunden zu gewinnen. Ein Pegasus-Qualitätsrat bestehend aus dem Ex-Porsche Manager Wendelin Wiedeking, Schauspielerin Mariella Ahrens, Politiker Erwin Huber, Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel oder Sportmoderator Marcel Reif wurde gegründet, der sich etwa die Fabrikation in Asien ansah.

Was dem Qualitätsrat allerdings entgangen ist: Vor dem Hauptquartier in der Longericher Straße gibt es keine Fahrradständer.

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