Köln historischVor 200 Jahren wurde das Oberlandesgericht gegründet

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Das Oberlandesgericht am Reichenspergerplatz. Es wurde 1907 nach Plänen von Paul Thoemer für 5,6 Millionen Mark errichtet.

Das Oberlandesgericht am Reichenspergerplatz. Es wurde 1907 nach Plänen von Paul Thoemer für 5,6 Millionen Mark errichtet.

  • 1819 gründete der preußische König Friedrich Wilhelm III. den „Rheinischen Appellationsgerichtshofs zu Cöln“, um einen potenziellen Konflikt in der preußischen Rheinprovinz zu vermeiden.
  • Das blieb für Restpreußen und ab 1871 für das Deutsche Reich nicht ohne Folgen.
  • Eine Historie.

Köln – Mit seiner Kabinettsorder vom 21. Juni 1819 wollte sich der preußische König Friedrich Wilhelm III. eigentlich nur eines potenziellen Konfliktherds in der preußischen Rheinprovinz entledigen. Mit der Gründung des „Rheinischen Appellationsgerichtshofs zu Cöln“ verzichtete der König auf die Einführung des Allgemeinen Preußischen Landrechts in der Rheinprovinz, die erst 1815 vom Wiener Kongress nach dem Sieg über Napoleon von Frankreich an Preußen gegangen war. Ohne massiven Widerstand wäre die Einführung Preußischen Rechts wohl auch nicht gelungen.

Doch was vor genau 200 Jahren als Konfliktvermeidung begann, blieb für Restpreußen und ab 1871 für das Deutsche Reich nicht ohne Folgen. „Die Modernisierung im Justizwesen in deutschen Landen verlief von West nach Ost. Ausgangspunkt war Köln und der alte Appellhof“, sagt Dr. Ingo Werner, Richter und Pressesprecher am OLG. Der frühere OLG-Präsident Dr. Dieter Laum findet in einem Beitrag zur Festschrift zum 175-jährigen Bestehen des OLG die treffende Formulierung: „Wie schon oft in seiner Geschichte war das Rheinland kulturelles Brückenland.“

Rheinisches Recht war ein Ausbund an Liberalität

Doch wie sah diese Brücke aus? Anders als in Köln und dem Rheinland war im Rest Preußens das Recht ständisch-feudal; Recht hatte gemeinhin, wer gesellschaftlich höher stand. Zudem war die Richterschaft nicht unabhängig und Adelige und Staatsbeamte konnten qualifiziertere Rechtswege beschreiten als der „gemeine Mann“. Auch Strafverfahren konnten, wie noch heute Zivilsachen, im Aktenprozess, also ohne Öffentlichkeit und ohne den Angeklagten zu hören, entschieden werden.

Dagegen war das Rheinische Recht ein Ausbund an Liberalität und Modernität. Versuche aus Alt-Preußen, das Rad der Geschichte im Rheinland zurückzudrehen, scheiterten aber immer am „entschiedenen Widerstand des rheinischen Juristen stands“, so Laum.

OLG Köln zog 1911 an Reichensbergerplatz

Die in der französischen Rechtspflege niedergelegten Normen sind bis heute Prinzipien unserer Rechtsstaatlichkeit: Rechtsgleichheit aller Bürger vor Gericht und Gesetz, richterliche Unabhängigkeit, Mündlichkeit und Öffentlichkeit der Verhandlungen, Trennung von Gericht und Anklagebehörde, Laienbeteiligung an der Strafrechtspflege sowie gesetzlicher Schutz von Leben, Ehre und Eigentum.

Zahlen und Fakten

142 Richter sprechen derzeit am OLG Recht. Der OLG-Bezirk umfasst die Landgerichtsbezirke Aachen, Bonn und Köln und ihre nachgeordneten Amtsgerichte. Insgesamt sind 519 Menschen am OLG beschäftigt, darunter Rechtspfleger, Verwaltungsbeamte, die zentrale IT für die Justiz in NRW sowie Wachtmeister und Fahrer.

2018 wurden rund 5500 Zivil- und rund 2700 Familiensachen verhandelt, der Senat für Binnenschifffahrtssachen musste in fünf Verfahren entscheiden. In Strafsachen wurden 276 Revisionen, 1111 Rechtsbeschwerden und 410 Haftprüfungen durchgeführt.

Ferner waren 2018 1150 Referendare im OLG-Bezirk in Ausbildung, 1260 Jurastudierende wurden im Ersten Staatsexamen geprüft.

Erst die Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) im Jahr 1900 setzte dem Rheinischen Recht ein formales Ende, wobei es inhaltlich weitestgehend im BGB – das heute noch gilt – aufging. Bei der 1879 erfolgten Reichjustizreform hatte der Appellhof dann auch seinen noch heute gültigen Namen: Oberlandesgericht Köln.

1911 zog das OLG schließlich vom Appellhofplatz an den Reichenspergerplatz in die Neustadt-Nord, wo es bis heute in einem neubarocken Bau, der das Viertel bis heute prägt, ansässig ist. Hier erlebte das OLG auch seinen geschichtlichen Tiefpunkt, als am 31. März 1933 SA- und SS-Männer das Gebäude stürmten.

Alle jüdischen oder auch nur „jüdisch aussehenden“ Juristen wurden festgenommen und auf offenen Müllwagen durch ein Spalier johlender Menschen zum Polizeipräsidium transportiert. Anschließend folgte die offizielle Säuberung, die unter dem verlogenen Namen „zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ Geschichte schrieb und bei der alle Gerichtspräsidenten im OLG-Bezirk von ihren Posten entfernt wurden.

Einziges Gericht in Nachkriegsdeutschland das keine ehemaligen Nazis einstellte

Bereits eine Woche nach der bedingungslosen Kapitulation im Mai 1945 wurden im durch Bombenangriffe schwer beschädigten Gerichtsgebäude am Reichenspergerplatz schon wieder Amtsgerichtsverfahren abgehalten. Von 1947 bis zur Gründung des Bundesgerichtshofs im Jahr 1950 war hier auch der Oberste Gerichtshof für die britische Zone (OGH) untergebracht.

Er stellte das höchste Revisionsgericht in der britischen Besatzungszone dar. Auf die Zusammensetzung der Richterschaft nahmen die Briten direkten Einfluss und sorgten dafür, dass der OGH nahezu das einzige Gericht in Nachkriegsdeutschland war, an das keine ehemaligen Nazis berufen wurden.

Eine weitere Herausforderung meisterten die Richter des OLG in der Zeit nach der Wiedervereinigung. Zahlreiche Richter, Rechtspfleger und Verwaltungsbeamte aus Köln gingen nach Brandenburg, um beim Aufbau rechtsstaatlichen Institutionen zu helfen. „Das Rheinland und das Kernland Preußen sind sich einmal mehr begegnet und haben sich gegenseitig befruchtet“, heißt es bei Laum.

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