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Kölner Gruppe „Über den Tellerrand kochen“Deutsche und Flüchtlinge zusammen am Herd

Lesezeit 4 Minuten
Koch Atallah übernimmt an dem Abend im Familienforum die Regie in der Küche. Alle anderen helfen mit.

Koch Atallah übernimmt an dem Abend im Familienforum die Regie in der Küche. Alle anderen helfen mit.

Köln – Viele Köche verderben den Brei – über das deutsche Sprichwort hat man in der Küche des Familienforums schon ein paar Mal gesprochen. Und dann herzlich gelacht. Dicht an dicht stehen die Teilnehmer in weißen Schürzen um die Kücheninsel herum, es wird gequatscht, Zwiebeln und Paprika werden klein geschnitten. Aida rührt Milchreis in einem Topf an. Am anderen Ende frittiert ein Mädchen Fladenbrot in einer Pfanne voll Öl. „Über den Tellerrand kochen“ nennt sich der Verein, der sich mehrmals im Monat an verschiedenen Orten in Köln trifft – und dessen Name so ziemlich genau das beschreibt, was der Sinn dieser Treffen ist.

Kaum genug Platz für alle Teilnehmer

Gegründet wurde die Kölner Gruppe von Marie Jansen. Die Idee: Durch gemeinsames Kochen Freundschaften schließen und sich trotz verschiedener Kulturen auf Augenhöhe begegnen.

Mittlerweile, erzählt sie, möchten so viele Mitkochen, dass es kaum genug Platz für alle gibt. „Meistens sind wir ungefähr 30 Leute, etwa gleich viele Deutsche und Flüchtlinge“, erzählt Vereinsmitglied Miriam Lowack. Die Kölner Community, die sich vor allem über das Internet organisiert, kocht nicht nur im Familienforum in der Südstadt, sondern auch in einer Küche der Christuskirche und im Bürgerzentrum Ehrenfeld.

Bevor es am Abend losgeht, wird in einer kleinen Gruppe zusammen eingekauft. Meistens im türkischen Supermarkt, denn häufig wird ein Gericht aus der Heimat der Flüchtlinge gekocht. „Neulich war ein syrisches Gemüse im Essen, das kannte ich gar nicht“, erzählt eine Teilnehmerin, während sie den Salat wäscht. An diesem Abend gibt es im Familienforum allerdings etwas, das den deutschen Teilnehmern dann doch gar nicht so unbekannt ist: Mit Käse überbackenes Fladenbrot und Salat.

Das Sagen in der Küche haben heute Atallah und Amir

Das Sagen in der Küche haben heute Atallah und Amir: Beide haben in Syrien als Koch gearbeitet, bevor sie vor dem Krieg geflohen sind. In Deutschland hat es mit einer Stelle als Koch noch nicht geklappt: Atallah, der in Syrien in einem Sterne-Hotel angestellt war, arbeitet in Köln bislang nur als Küchenhilfe. Es ist ein Thema, über das beim Kochen immer wieder gesprochen wird: die Arbeit. „Ich habe zwei Jobs“, erzählt Ali. Der Syrer räumt Regale in einem Supermarkt ein („Das mag ich. Es ist schön ruhig dabei“) und bei einer Fast-Food-Kette. „Ich stehe an der Kasse, weil ich ganz gut Deutsch spreche.“ Trotzdem ist er nicht so richtig zufrieden: Seit anderthalb Jahren ist er in Deutschland und würde gerne hier sein Medizinstudium beenden. Mehr als ein Dutzend Bewerbungen an deutsche Unis hat er schon geschickt – bisher ohne Erfolg. „Das ist so hart. Ich hoffe meine Uni steht noch, wenn der Krieg in Syrien vorbei ist“, stöhnt er und schlendert rüber in den Nebenraum, in dem später die Fladenbrote gegessen werden. Hier bringt er ein paar deutschen Mädchen arabische Vokabeln bei, bis das Essen fertig ist.

„Bei ,Über den Tellerrand kochen’ habe ich neue Freunde gefunden“, erzählt Bassel. Vor dem Krieg hat er Mathe studiert. Über die Flucht und andere traumatische Erlebnisse wird hier aber kaum gesprochen. Lieber spricht Bassel über Essen: „In Syrien gibt es die allerbesten Süßigkeiten auf der Welt“, erzählt er mit leuchtenden Augen und zeigt Dutzende Fotos von farbenfrohen, klebrigen Zuckerteilen. Gerne hört man ihm zu, wie er die fremdklingenden arabischen Namen ausspricht für die es keine Übersetzung gibt.

Nicht alle können so gut Deutsch wie Ali und Bassel: Beim Kochen versucht man es mit Händen und Füßen. „Das klappt eigentlich immer“, lacht Miriam Lowack. Ahmad kocht ebenfalls mit und übersetzt unter anderem für seine Mutter Aida, die an diesem Abend die Älteste in der Runde ist. Verlegen lächelt die Frau mit dem Kopftuch in die Runde, als beim Nachtisch später der Milchreis nach ihrem Rezept gelobt wird. Denn das Wort „lecker“ versteht in der Gruppe längst jeder.

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