Nach Kölner SilvesternachtSchutzzone am Kölner Dom geplant

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Tatorte: Im Hauptbahnhof und vor dem Dom kam es zu den Übergriffen, künftig soll es eine Schutzzone geben.

Köln – Knapp fünf Monate nach den Silvesterübergriffen am Kölner Hauptbahnhof bereiten sich Stadtverwaltung und Polizei intensiv auf den nächsten Jahreswechsel vor. Nach Informationen der Rundschau soll es um den Dom eine Schutzzone geben. Damit will die Stadt verhindern, dass erneut in einer Menschenmenge Panik ausbricht, Böller in die Menge geworfen und Raketen auf den Dom geschossen werden. Die Stadt schließt auch eine Absperrung der Kathedrale mit Zäunen nicht aus. „Der Dom ist ein Bereich, der besonderen Schutz benötigt“, sagten Polizeipräsident Jürgen Mathies und Stadtdirektor Guido Kahlen der Rundschau. „Ich möchte am Dom und auf dem Bahnhofsvorplatz keine Böller haben und keine Raketen“, sagte Mathies.

Die Stadt hatte nach den Vorfällen an Silvester erklärt, dass sie bei Großereignissen wie Karneval künftig eine fiktive Veranstalterrolle übernehmen wird. Dies war bereits an Karneval und vor dem 1. Mai so. Die nächsten Großveranstaltungen werden der Christopher-Street-Day und die Kölner Lichter sein. Mit Blick auf das nächste Silvesterfest sind nun konkrete Maßnahmen in der Planung. So sollen es zwischen Hauptbahnhof und Rheingarten am Altstadtufer mehrere Dutzende fest installierte Strahler geben, um das Sicherheitsgefühl der Bürger zu erhöhen. Die Polizei hat der Stadt zur Umsetzung des Beleuchtungskonzeptes entsprechende Empfehlungen übermittelt. Die Ausleuchtung gilt auch als wichtig, um im Fall von Straftaten verwertbares Bildmaterial zu haben. Zudem gilt eine Sperrung der Hohenzollernbrücke als wahrscheinlich. Dort war es zu panikartigen Szenen gekommen.

Nach Angaben der Stadt soll in jedem Fall ein unkontrollierter Zustrom von Menschen auf die Brücken unterbunden werden. Polizei und Stadt stellten klar, dass beim nächsten Jahreswechsel deutlich mehr Polizisten und mehr Ordnungskräfte im Einsatz sein werden.

Bis September sollen die zentralen Punkte der Planungen stehen. Stadtdirektor Kahlen sagte: „Wir wissen, dass dann die ganze Welt schaut, ob wir unsere Lektion gelernt haben.“ Der Untersuchungsausschuss zu den Silvestervorfällen hat inzwischen ein Drittel von insgesamt 100 geplanten Zeugenvernehmungen abgehalten. Hier gibt es eine Bilanz, was bisher bekannt ist.

Auf der folgenden Seite gibt es zudem eine Chronik der Ereignisse.

Chronik der Ereignisse rund um die Kölner Silvesternacht

14. Dezember: Der Chef der Innenstadtwache Peter Römers hatte eine Hundertschaft (114 Beamte) beim Landesamt für polizeiliche Dienste in Duisburg angefordert. Doch statt drei Zügen mit je 38 Bereitschaftspolizisten, erhält Römers nur zwei Züge. Im Jahr davor war es ein Zug. Römers ruft in Duisburg an, protestiert, doch es bleibt bei 76 Beamten. Der fehlende Zug sollte an den Rheinbrücken eingesetzt werden.

31. Dezember, 17.20 Uhr: Mehrere Rundschau-Leser berichten unabhängig voneinander über aggressiv auftretende Gruppen fremdländisch aussehender junger Männer auf dem Bahnhofsvorplatz.

31. Dezember, 20.30 Uhr: Den Schilderungen der Leser zufolge herrscht vor dem Bahnhof nun „Anarchie“. Sie werden von jungen Männern mit dunklen Haaren angerempelt. Polizeibeamte sehen sie nicht. Auch der Einsatzleiter der Polizei geht zu diesem Zeitpunkt über den Platz, er nimmt dort 400 Männer arabischen oder nordafrikanischen Aussehens wahr. Die Männer hätten Alkohol getrunken, sich Böller vor die Füße geworfen.

31. Dezember, 21.30 Uhr: Der Polizeiführer weist in einer Besprechung auf die Lage am Hauptbahnhof hin.

31. Dezember, 22 Uhr: Einsatzbeginn der Bereitschaftspolizei. Ein Zug ist für die Altstadt, einer für die Ringe vorgesehen. Zehn Beamte werden zum Hauptbahnhof geschickt.

31. Dezember, 22.50 Uhr: Alle Bereitschaftspolizisten werden am Bahnhofsvorplatz zusammengezogen. Dort haben sich bis zu 1500 Männer versammelt. Die Stimmung sei „aggressiv“.

31. Dezember, 23.30 Uhr: Die Räumung von Domtreppe und Bahnhofsvorplatz beginnt. Zeitgleich bietet die Duisburger Landesleitstelle 114 Mann zur Unterstützung an. Der Dienstgruppenleiter der Kölner Leitstelle lehnt das Angebot ab. Kurz nach Beginn der Räumung geht Evelin M. mit drei Freundinnen am Dom entlang. Sie werden von „Arabisch sprechenden“ Männern begrapscht. Sie flüchten in ein Hotel, nach Mitternacht treffen sie rund um die geräumte Fläche auf Männer, die sie „anmachen“. Die Gruppe stellt sich zu Polizisten, die den Platz abriegeln. Die vier Freundinnen beobachten von sexuelle Übergriffe auf andere Frauen und „überforderte“ Polizisten „in Unterzahl“.

1. Januar, 0.30 Uhr: Die Räumung ist beendet. Die Lage hat sich laut Polizei beruhigt, die Sperrungen werden aufgehoben. Ein Zug der Bereitschaftspolizei wird zu den Ringen beordert.

1. Januar, 0.50 Uhr: Rundschau-Fotograf Bernd Rosenbaum steht auf der Hohenzollernbrücke. Er ist von Deutz aus zum Hauptbahnhof gestartet, im letzten Drittel stoppt der Menschenstrom. Es wird immer enger, in Panik fliehen mehrere Menschen über den Zaun auf die Gleise. Bernd Rosenbaum schließt sich mit seiner Frau an. Auf den Gleisen begegnet er einer Gruppe Bundespolizisten, die ihn „brüsk“ der Gleise verweisen. Die Panik auf dem Fußweg der Brücke interessiert sie laut Rosenbaum nicht. Erst gegen 1 Uhr wird die Brücke gesperrt.

1. Januar, 1 Uhr: In der Polizeiwache auf der Stolkgasse warten 30 bis 50 Menschen, um Strafanzeige zu erstatten – auch wegen Sexualdelikten. Weil nur eine Beamtin verfügbar ist, verlassen einige Opfer die Wache. Am Dom verstärkt die Polizei ihre Kontrollen, es kommt zu Platzverweisen, Ingewahrsamnahmen und Festnahmen

1. Januar, 2.15 Uhr: Die Auf- und Abgänge zu den S-Bahngleisen im Bahnhof sind durch die Bundespolizei gesperrt, beobachtet eine Leserin.

1. Januar, 2.56 Uhr: Das Kölner Polizeipräsidium schickt eine interne WE-Meldung (Wichtige Ereignisse) an die Landesleitstelle, in der von einer drohenden Massenpanik auf dem Bahnhofsvorplatz die Rede ist, die durch Räumung von Platz und Treppe verhindert worden sei. 1000 Personen hätten sich dort aufgehalten.

1. Januar, 8.57 Uhr: Die Polizei bezeichnet in einer Pressemitteilung die Silvesternacht als „weitgehend friedlich“. Die Räumung wird erwähnt. Kurze Zeit später erscheinen erste Schilderungen von Übergriffen in der Kölner Facebook-Gruppe Nett-Werk.

1. Januar, 13.21 Uhr: Eine interne WE-Meldung, die auch Innenminister Ralf Jäger erreicht, berichtet von elf sexuellen Übergriffen, einer 40- bis 50-köpfigen Tätergruppe, vermutlich Nordafrikaner. Weitere Anzeigen würden erwartet.

1. Januar: 19.15 Uhr: Die Kölnische Rundschau berichtet im Internet als erstes Medium über eine Gruppe von 30 Männern, die mehrere Frauen am Hauptbahnhof sexuell belästigt und ausgeraubt habe. Die Polizei bestätigte der Rundschau mindestens acht Anzeigen. Exklusiv berichtet die Rundschau über die Panik auf der Hohenzollernbrücke.

1. Januar, 20.36 Uhr: Eine ergänzende interne WE-Meldung wird auch Minister Jäger geschickt. Die Rede ist von weiteren Anzeigen und der gegründeten Ermittlungsgruppe.

2. Januar: Die Rundschau berichtet als erste Tageszeitung in der Druckausgabe in einem Aufmacher über die Übergriffe. Um 16.58 Uhr schiebt die Polizei eine zweite Pressemitteilung nach, in der sie über 30 Übergriffe auf Frauen und die Einrichtung einer Ermittlungsgruppe informiert.

4. Januar: Innenminister Jäger wird laut eigener Aussage erst durch die Presseschau auf die Dimension der Taten der Silvesternacht aufmerksam.

6. Januar, 19.18 Uhr: In einem Exklusiv-Interview mit der Rundschau räumt Kölns damaliger Polizeipräsident Wolfgang Albers ein, schon am Neujahrsmorgen über die Vorfälle in Kenntnis gesetzt worden zu sein. An Rücktritt denke er nicht.

8. Januar, 16.20 Uhr: Innenminister Jäger versetzt Albers in den Ruhestand.

18. Februar, 9 Uhr: Der parlamentarische Untersuchungsausschuss tritt erstmals zusammen. Simon Lorenz

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