SteuerrechtRenommierte Uni-Professorin Johanna Hey berät auch die Bundesregierung

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Köln – Wer Professorin Johanna Hey im Büro besucht, der kommt am großen Foto vom Pazifik im Flur vorbei. Das Motiv zeigt eine Mauer am Strand, die die weite Sicht bis zum Horizont verstellt. „Je näher man an der Mauer steht, desto weniger sieht man das große Ganze. Das Spiel mit Begrenzung und Weite, so ist es auch mit wissenschaftlichen Problemen“, sagt die 45-Jährige, eine der bekanntesten Steuerrechtsexperten in Deutschland, eine der ganz wenigen Frauen in dem Fachbereich.

„Als sie über die Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung promovierte, habe ich noch gar nicht genau gesehen, welche Auswirkungen das Thema europaweit hat. Der Weitblick kommt auch mit zunehmender Erfahrung“, räumt die Direktorin des Instituts für Steuerrecht an der Universität zu Köln ein.

Die „Steuerfrau“ ist eine der klugen Kölner Forscher-Köpfe, die die Rundschau in unregelmäßigen Abständen vorstellt. Sie navigiert in einem komplexen Fachgebiet. Vom Studium der Rechtswissenschaft führte die akademische Karriereleiter geradlinig höher an steuerjuristische Schaltstellen. „Ich habe das nicht genau geplant. Großen Einfluss hatte mein damaliger Doktorvater, ich hatte viel Unterstützung.“ Im Beirat beim Bundesfinanzministerium berät die parteilose Juristin nunmehr unter anderem die Bundesregierung.

Die attraktive Wissenschaftlerin machte auch als „Miss Steuern“ Schlagzeilen: Ihr selbstbewusstes Sendungsbewusstsein macht die Expertin zu einem beliebten TV-Talkgast, der (Ex)-Finanzministern wie Peer Steinbrück oder Wolfgang Schäuble mit Nachdruck die Meinung sagt. „Gewerbesteuer, davon halte ich zum Beispiel gar nichts!“ Letztlich werde dabei zwar Geld in Haushaltskassen gespült. Es sei aber eine Illusion, dass diese Steuerlast „von irgendwelchen anonymen Unternehmen getragen werde, diese geben sie letztlich über niedrigere Löhne und Gehälter an ihre Arbeitnehmer oder über höhere Preise an die Verbraucher weiter“.

Und wenn die Einnahmequelle wegbreche, sei die Kommune existenziell in Not, wie sich zum Beispiel im Ruhrgebiet zeige. „Gespart wird leider nicht.“

Die Karriere habe sie „eigentlich ganz entspannt betreiben können, das war ein großes Privileg“. Die Mutter von zwei Kindern (3, 6 Jahre) räumt ein: „Familie und Beruf zu vereinbaren ist nicht einfach, aber mit einer hervorragenden Nanny und guter Organisation möglich.“ Zugute kommt der Kölnerin dabei, dass sie nur „viereinhalb bis fünf Stunden Schlaf“ braucht und im Sommer schon um 4.30 Uhr am Schreibtisch sitzt. Die 60 bis 70-Stunden-Woche lässt dann noch Raum für Freundschaften und „Luxus“: Beim Klavierspielen und Musikhören kann die Kunstfreundin entspannen. Hätte sie schon früher Kinder gehabt, „hätte ich nicht so eine Karriere gemacht“, ist sie überzeugt.

Die Juristin begeistert, dass in den letzten Jahren Rechtsfragen, über die sie promovierte, öffentlich so präsent wurden. Vielen werde jetzt etwa klarer, „dass die Architektur in Finanz- und Steuerrechtsfragen in der EU hinten und vorne nicht stimmt“. Für sie ein „hochspannendes Gebiet: Mich bewegt dabei vor allem die Frage der Gerechtigkeit. Ein Wunschvorstellung wäre ein gerechtes Weltsteuerrecht, in dem alle sich fair verhalten und legal handeln.“ Die Wirklichkeit sieht anders aus: Panama Papers, Luxemburg Leaks, Debatten über Steuerhinterziehung. . . Mehr Transparenz ist gefordert. Keine leichte Aufgabe.

„Externe Berater können nur auf Verbesserungsmöglichkeiten hinweisen, aber scheitern oft an der politischen Realität“, stellte die Wirtschaftsbotschafterin der Stadt Köln mit Enttäuschung fest. Das Handicap: „Politik handelt nicht unabhängig, will Geld einnehmen, wiedergewählt werden.“ Das ändert nichts an ihrem allgemeinen Rat für klamme Haushalte: „Steuern erhöhen ist nur die eine Seite der Medaille. Mal kann auch einfach mal effizienter wirtschaften und strukturelle Reformen durchführen.“

Juristischer Karriereweg

Bei Professor Joachim Lang, ihrem Vorgänger als Direktor des Steuerrechts-Instituts an der Universität zu Köln, promovierte Johanna Hey 1996, erhielt dafür den Albert-Hensel-Preis der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft, wo sie heute im wissenschaftlichen Beirat sitzt.

2001 folgte die Habilitation der damaligen Lise-Meitner-Stipendiatin. 2002/3 übernahm Hey (45) als eine der jüngsten C4-Professorinnen bundesweit den Lehrstuhl für Unternehmenssteuerrecht an der Uni Düsseldorf. 2006 wurde sie Direktorin des Kölner Instituts für Steuerrecht. Auch als Herausgeberin des juristischen Kommentars „Herrmann/Heuer/Raupach“ ist sie aktiv, als wissenschaftliche Direktorin des Instituts Finanzen und Steuern in Berlin, Beiratsmitglied des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim, Herausgeberin der Zeitschrift „Steuer und Wirtschaft“ – und mehr.

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