Mordprozess gegen Viktor K.War jemand anderes der Täter?

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Sorgte mit neuen Beweisanträgen für  Wirbel im Prozess: Verteidiger Thomas Koll.

Sorgte mit neuen Beweisanträgen für  Wirbel im Prozess: Verteidiger Thomas Koll.

Kall/Aachen – Eine gänzlich unerwartete Entwicklung nahm am Dienstag am Aachener Landgericht der Prozess gegen den 60-jährigen Viktor K., der beschuldigt wird, nach einem ausgiebigen Zechgelage in Kall einen 48-Jährigen aus der Gemeinde Hellenthal erstochen zu haben. Verteidiger Thomas Koll präsentierte dem Gericht am zehnten Verhandlungstag Beweisanträge, die er erst in letzter Minute während einer Verhandlungspause ausgearbeitet hatte. Offensichtlich will Verteidiger Koll eine ganz andere Tatgeschichte schreiben als bisher die Staatsanwaltschaft. Ebenso offensichtlich ist, dass er die Möglichkeit aufzeigen will, dass auch eine andere Person den Hellenthaler hätte erstechen können.

Kernpunkt seiner alternativen Beweisführung ist das Messer, das am Tatort gefunden wurde. Koll beantragte nun, eine weitere Bonner Ermittlungsakte hinzuzuziehen. Damit soll die Vergangenheit der polnischen Freundin des Ermordeten, die bei den dramatischen Ereignissen zugegen war, beleuchtet werden. Denn ein früherer Lebensgefährte von ihr hatte vor Jahren eine Person aus dem Raum Bad Münstereifel bis zu deren Tod am 19. Juli 2009 gepflegt. Dessen Frau übernahm nach dem Tod ihre Mannes einen Teil des Nachlasses. Dabei fehlten jedoch gewisse Dinge, die möglicherweise nach Aussage von Nachbarn durch einen weißen Pkw mit polnischem Kennzeichen abtransportiert worden sind. Es könnte sich dabei um Schmuck, Wertsachen und das am Tatort aufgefundene Messer handeln. Verteidiger Koll benannte nun mehrere Zeugen, die bestätigen sollen, dass sich das Messer im Haushalt der Bad Münstereifeler Familie befunden hat. Unter anderem soll eine Haushaltshilfe dies bestätigen.

Derzeit versucht Koll außerdem, den ehemaligen Lebensgefährten der Polin ausfindig zu machen. Die Verteidigung verfolgt also das Ziel, nachzuweisen, dass die Mordwaffe nicht vom Angeklagten, sondern von jemand anderem an den Tatort gebracht wurde. Koll sagte zur Rundschau: „Mein Mandant hat kein Motiv, die polnische Lebensgefährtin des Toten hätte jedoch eins.“

Er verwies während der Verhandlung darauf, dass am Tatort ein Pkw-Schlüssel für einen Opel Astra am linken Oberarm des Opfers gefunden worden war. Vorher hatte es zwischen der polnischen Freundin und dem Mordopfer wegen des Schlüssels immer wieder mal heftige Auseinandersetzungen gegeben. So war die Polin durch Schläge ins Gesicht erheblich verletzt worden. Das spätere Opfer hatte immer dann Rot gesehen, wenn seine Freundin ihm den Autoschlüssel nicht geben wollte, weil er getrunken hatte. Die Streitigkeiten wurden so heftig, dass gegen ihn von den Behörden ein Wohnungsrückkehrverbot ausgesprochen wurde. 

Im Gefängnis falsche Brille erhalten 

Der Angeklagte Viktor K. wirkte beim gestrigen Verhandlungstermin wesentlich entspannter als bei den vorigen Prozesstagen. Sein Anwalt machte geltend, dass sein Mandant sich leider nicht mit den neuen Informationen habe befassen können, weil man ihm im Gefängnis eine falsche Brille gegeben habe. Dies konnte der anwesende Betreuer des Mannes bestätigen, der ihm eine Brille mit richtiger Dioptrien-Zahl überreichte, so dass Viktor K. nun die Ausführungen seines Anwalts lesen und kommentieren kann.

Der Staatsanwalt hielt es angesichts dieses Verfahrensstands nun für geboten, einmal „Tacheles zu reden“. Schließlich habe man nur noch einen Hauptverhandlungstag. Wie es denn mit dem Verfahren weitergehen solle? Verteidiger Koll bat um Verständnis für seine das Verfahren mächtig durcheinanderwirbelnden Anträge. Er habe etliche der brisanten Informationen auch erst am Montag erhalten. Er versicherte dem Staatsanwalt, dass er keinesfalls solche Eingaben auf Halde liegen habe, um das Verfahren zu torpedieren.

Nach der Verhandlung unterhielten sich Verteidiger und Staatsanwalt konstruktiv miteinander. Zunächst hatte die Anklage seine Beweisanträge noch zurückgewiesen und Kolls Beweisantrag die Identität des Messers betreffend wies der Staatsanwalt zurück mit den Worten: „Es ist keine konkrete Individualisierung des Messers möglich.“ Für eine Entscheidung des Gerichts sei dieser Sachverhalt daher ohne Bedeutung. Wie es schien, ist die Staatsanwaltschaft aber durchaus offen für neue Fakten, die Licht ins Dunkel bringen können.

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