Gerichtsverfahren30 Fälle gegen Mann aus Wolfsgarten

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Nach dem Urteil kam der Angeklagte zurück ins Gefängnis.

Nach dem Urteil kam der Angeklagte zurück ins Gefängnis.

Gemünd – Rund ein Dutzend Zuhörer füllten die Plätze des großen Saals im Amtsgericht Gemünd – eher ungewöhnlich für eine Verhandlung vor dem örtlichen Schöffengericht. Doch der Kreis der Betroffenen ist diesem Fall, der auf den ersten Blick eine normale Nachbarschaftsstreitigkeit zu sein scheint, größer als normal. Vertreter von Ordnungsamt Schleiden, Polizei und Anwohner waren gekommen, um die Verhandlung gegen einen 53-jährigen aus Wolfgarten zu verfolgen.

Seit Jahren beschäftigt die Situation in dem Ort die Gerichte. Ausgangspunkt sind Auseinandersetzungen zwischen den Anwohnern. Ein Versuch, sie im Rahmen einer Mediation zu bereinigen, scheiterte. Mehrere Instanzen waren bereits mit der Angelegenheit befasst – und das wohl nicht zum letzten Mal, wenn der Eindruck der Verhandlung nicht täuschte.

Nachbarn und Polizei sind Opfer der Beleidigungen

Zur Verhandlung standen nun neben 29 Fällen von Beleidigungen durch den 53-Jährigen auch der Vorwurf des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Der Mann soll mit seinem Kastenwagen am Ortseingang von Wolfgarten genau auf seinen Nachbarn zugefahren sein, der ihm mit dem Rennrad entgegenkam. Er habe sich auf der engen Straßen nur noch mit einem Schlenker in den Straßengraben retten können, sagte der 46-jährige Wolfgartener.

Auf seine Aussage und die seiner Frau sowie die Einlassung des Angeklagten beschränkte sich das Tagesprogramm des Schöffengerichtes, das eine Vielzahl von Zeugen zu dem Verfahren geladen hatte. Die Beleidigungsvorwürfe, die aus 2012 bis 2015 in dem Verfahren zusammengefasst wurden, ähneln sich. Immer wieder habe der Angeklagte Nachbarn oder zufälligen Passanten Dinge wie „Fuck the Nazi Brain“ zugerufen oder davon gesprochen, dass ihre Häuser brennen würden. Zudem wurde er von der Polizei in Schleiden angezeigt, weil er auf einer Website behauptete, sie würde seine Anzeigen nicht bearbeiten.

Nachbarn gehen strategisch gegen ihn vor

Die Staatsanwaltschaft warf dem Mann vor, dass „Heil Hitler“-Rufe zu hören gewesen seien, er den Hitlergruß gezeigt und zwei türkische Wanderer mit „Judenschweine gehören vergast“ beleidigt haben soll.

Insgesamt fünf Anklageschriften werden im Verfahren verhandelt. Das sei nur ein kleiner Ausschnitt, sagte das Ehepaar unabhängig voneinander aus, das direkt neben dem Angeklagten wohnt. Seit vier Jahren schreie der permanent Beleidigungen – egal, ob er jemanden sehe oder nicht. „Manchmal im Winter abends um halb zehn Uhr, wenn niemand auf der Straße ist“, sagte der Nachbar kopfschüttelnd aus. Ihm sei der Grund für das Verhalten unerklärlich, er wolle nur in Frieden leben.

Die Polizei habe angesichts der Fülle von Beleidigungen geraten, nicht einzelne Anzeigen zu verfassen, sondern regelmäßig die Vorgänge aufzuschreiben, sagte die Frau aus, die mit zwei Aktenordnern voll mit handschriftlichen Notizen gekommen war. Nachbarn würden sich ihre Aufzeichnungen sogar regelmäßig von der Polizei abzeichnen lassen, äußerte ihr Mann vor Gericht.

Der Angeklagte stellte die Vorgänge als Kunstaktion dar. Das ganze sei eine Performance, die er probe, „wenn mir danach ist“, sagte er. Die Zitate in der Anklageschrift seien Teile aus seinem Programm, die aus dem Zusammenhang gerissen und falsch wiedergegeben würden. „So steht es im Programm, ich habe nie jemanden beleidigt“, sagte er. Er sei schließlich ausgewiesener Nazigegner. Und es sei schlicht gelogen, dass er jemanden als Judenschwein bezeichnet habe. Er warf der Staatsanwaltschaft Aachen im Gegenzug vor, seine Anzeigen zu dem Thema nicht zu bearbeiten.

Auch die Begegnung am Ortsrand schilderte er anders. Der Fahrradfahrer sei in der Mitte gefahren, und er habe sein Auto angehalten, damit nichts passiere, sagte der 53-jährige.

Das Verfahren wird am 5. Juli ab 9.30 Uhr vor dem Gemünder Amtsgericht fortgesetzt.

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