Sprachproblem in der RegionalbahnLindengymnasium gewinnt NRW-Kurzfilmpreis

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Gummersbach – Da sitzt ein dunkelhäutiger junger Mann in der Bahn, die Kopfhörer über die Ohren gestülpt und wiederholt ebenso mühsam wie lautstark in gebrochenem Deutsch: „Haben Sie das Kleid in Größe 36?“ Dabei macht er immer wieder denselben Fehler. Ein paar Mädels kichern. Ein bulliger Kerl mit Bomberjacke, schon genervt, weil der Zug wieder mal Verspätung hat, steht auf und walzt bedrohlich auf den schmächtigen jungen Mann zu. Alle halten den Atem an.

Die Szene stammt aus dem Kurzfilm „Trainslation“, produziert von der Film-AG des Lindengymnasiums als Beitrag für den Wettbewerb „EuroVisions 2016“ zum Thema „Willkommen in Europa“. Gestern wurde die Produktion vom NRW-Staatssekretär für Europa und Medien, Marc Jan Eumann, als bester Kurzfilm der Sekundarstufe II ausgezeichnet. Teilgenommen hatten 859 Schülerinnen und Schüler.

Gleich nach der Zeugnisausgabe fuhren die Gummersbacher Jungen und Mädchen in die Staatskanzlei nach Düsseldorf, um den Preis in Empfang zu nehmen. „Es war schnell klar, dass wir was über Flüchtlinge machen wollten“, erinnert sich Johannes Klemens (18), einer von 20 Mitgliedern der AG. „Das Thema brannte ja im Februar 2016, als wir anfingen, allen auf den Nägeln.“ Die zündende Idee hatte dann Peter Schlegel, ein Ehemaliger, der die Film-AG immer noch tatkräftig unterstützt und als Student häufig mit der Bahn unterwegs ist „Nach einer wahren Begebenheit“, schmunzelt Annika Kienbaum (18) , die im Film als Statistin zu sehen ist.

Aber wer sollte die beiden Hauptrollen spielen? „Wir haben unsern Lehrer Matthias Haas für den Typen mit Bomberjacke ausgeguckt, der hat die richtige Statur und Breite und kann ziemlich böse gucken“, berichtet Johannes über die Kriterien für die Rollenbesetzung. „Allerdings haben wir ihm gesagt, dass er eine kleine Nebenrolle spielen soll. Erst als der Film fertig war, hat er gemerkt, dass es eine der beiden Hauptrollen ist.“

Den jungen Flüchtling, der in der Bahn Deutsch lernt, hat dann Stephan Schemann, Lehrer und Leiter der Film AG, in einer Flüchtlingsunterkunft in seiner Nachbarschaft gefunden: „Wir haben da Kleidung und Spielzeug hingebracht. Dabei habe ich Salim kennengelernt.“ Der damals 19-jährige Flüchtling aus Bangladesch war gleich Feuer und Flamme, einen Flüchtling zu spielen. „Ganz schon authentisch“, findet Annika und lächelt.

Manchen Fahrgästen in der Regionalbahn sei dann allerdings das Lachen etwas vergangen, als die Crew mit Equipment anrückte, um acht Stunden lang auf vier Hin-und Rückfahrten zwischen Meinerzhagen und Rösrath-Stümpen in der Regionalbahn zu drehen. „Spätestens, als wir die Kamera ausgepackt haben, sind sie geflüchtet“, berichtet Johannes. Auch als Lehrer Haas als Bomberjackentyp eine Bierflasche ins Gleisbett pfefferte, habe das einiges Stirnrunzeln hervorgerufen.

Herausgekommen ist ein Film von knapp zwei Minuten. Die Pointe: Der bullige Typ ist gar nicht aggressiv, sondern zeigt dem Flüchtling ein Sprachlernprogramm, und am Ende skandieren beide sichtlich vergnügt zusammen: „A – pfel – saft! A- pfel – saft!“ Der Jury hat’s gefallen, und auch sonst gab es viel positive Kritik, sagen die Schüler, die mit ihrer AG schon mehrere Preise gewonnen haben und bereits an einem neuen Kurzfilm arbeiten. Für Salim aus Bangladesch gibt es nicht nur im Film, sondern auch im richtigen Leben ein Happy End: Er hat inzwischen eine Wohnung bekommen, hat gut Deutsch gelernt und eine Arbeitsstelle als Hilfskoch in einem Restaurant.

www.mbem.nrw/eurovisions

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