Morsbach-RomHeinz Klein gibt Hotel „Zum Römertal“ auf

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Rom – Jeder Tische ist dekoriert, der Tresen frisch gewienert. Eine große Schnapsauswahl hängt kopfüber im Rücken der Bar, keine der stattlichen Flaschen ist leer. Nur der Zapfhahn spuckt gerade kein Pils. In den Zimmern ist jedes Bett bezogen und sorgfältig zurecht gemacht, doch baumeln alle Schlüssel an ihren Haken. „Heute geschlossen“ steht auf einem Schild am Eingang.

Zahlen und Fakten

Lage: Rom liegt etwa fünf Kilometer nördlich des Ortes Morsbach im oberen Teil des Römerbachtals, 310 Meter über dem Meeresspiegel. Bis zur Weltstadt Rom in Italien sind es 1503 Kilometer.

Name: „Rom“ soll ein alter Ausdruck für Erz und Metall sein. In der Tat hat die Gemeinde eine 600 Jahre alte Bergbautradition.

Geschichte: Rom wurde weder von den Römern gegründet, noch bewohnt. Die Entstehung ist unbekannt. In der Mercator-Karte von 1575 und in der Landkarte von Jordan von der Wayhe (1607) ist der Ort mit „Room“ verzeichnet. 1429 ist Rom im Besitz der Herren von Diezenkausen, die 1506 mit dem wildenburgischen Gut Ellingen belehnt wurden und sich später „von Ellingen“ nennen. Bei einer Erbteilung 1570 kommt der Hof Rom an Johann Sturm aus Blankenberg und seine Schwester Apollonia, deren Vater eine von Ellingen geheiratet hatte. 1648 soll in Rom ein Quereinhaus (Fachwerkhaus) erbaut worden sein. Davon erhalten ist allein ein Türbalken mit der Inschrift: „Wir sint gar fremte Gesde unt pauen hier gar feste unta wier sollen ewig hin ta dencken wier gar seltn hin – Erpaut 1648“.

Prominenz: Im August 2002 stattete Joachim Kardinal Meisner, der Erzbischof von Köln, Rom einen Besuch ab und zwar auf einer Fußwanderung von Morsbach. Nur der echte Papst ist noch nicht in Rom gewesen! (bu)

Heute, das ist inzwischen ein Jahr und fünf Monate. Damals habe er einfach aufgegeben, sagt Heinz Klein. Und seine Stimme wird brüchig. Wie so oft, wenn der 76-Jährige von seiner Herberge erzählt. Das Hotel „Zum Römertal“ hat trotz seiner bewegten Vergangenheit schon lange keinen Gast mehr aufgenommen. Nur ein Zimmer ist belegt: „Da wohne ich selbst“, sagt Klein.

Für seinen Schabernack bekannt

Einst war die Unterkunft im kleinen Morsbacher Ort Rom ein beliebtes für Sommerfrischler, Wochenendgäste und Wanderer. Und Heinz Klein, den kannte jeder. Nicht nur in Rom. Einen Nachfolger für die Immobilie mit 16 Gästezimmern, Kegelbahn und Großküche hat er vergeblich gesucht. „Nichts passiert“, berichtet Klein, der das Haus in dritter Generation geführt und von den Eltern Heinrich und Josepha im Jahr 1958 übernommen hat. Einst war dort ein Bauernhof mit Milchvieh und Getreidefeldern, der 1931 abbrannte und wieder aufgebaut wurde. „1948 wurde daraus ein Hotel.“

Gedankenverloren blättert Heinz Klein in den knittrigen Gästebüchern, „die sind alles, was geblieben ist“. Stolz ist er, dass er 1956 den Krätzchen- und Schlagersänger Karl Berbuer („Heidewitzka, Herr Kapitän“) ebenso umsorgt hat wie 1951 den Kölner Karnevalisten August Batzem („Heute woll’n wir uns amüsieren“, „Annemarie“).

„Feine Kerle“, schwärmt Klein, während die Augen über die Seiten wandern. In schöner Sonntagsschrift und hübsch verschnörkelt sagen die Gäste Dank für die Bewirtung.

Nur Verteidigungsminister Peter Struck hat sich bei einem Überraschungsbesuch nicht verewigt. „Ich war zu aufgeregt und habe das Buch vergessen“, gesteht Klein.

Der Minister war auf Motorradtour, 50 Maschinen stoppten plötzlich am Hotel. „Ja, ich sehe mir die Einträge noch oft an“, verrät Klein, der um seine Ehefrau Mathilde trauert. „Als ich sie verloren habe, ging hier alles den Bach runter“, sagt er leise. Gern sähe er wieder Gäste in den Zimmer, auch Flüchtlinge würde Klein aufnehmen. „Jeder redet heute doch von Ferien vor der Haustür und vom Ausspannen mitten in der Natur“, überlegt der Gastgeber – mit ausholender Geste: Sein Hotel liegt mitten im Grünen. Wer Schwarzwald will, der findet eben auch in Rom, wonach er sucht. „Man könnte so vieles aus dem Haus machen“, weiß Heinz Klein, der sich wundert: Weil das Hotel im Internet zu finden ist, wollen Urlauber dort noch immer Zimmer buchen. Die Nachfrage sei groß, sagt Klein.

Auf dem Gelände indes hat der Humor des „Römers“ deutliche Spuren hinterlassen: Da gibt es die einzige Ampel des Orts – mit Zebrastreifen, versteht sich. Und auch ein Landeplatz für Hubschrauber, der „Aeroporto“, steht zur Verfügung, falls jemand zur Audienz beim Papst von Rom einfliegt: Den hat Heinz Klein nur allzu gern gespielt in voller Robe, und es landeten wirklich Hubschrauber in Rom. Tatsächlich haben ihm die echten Kirchenväter Papst Johannes Paul II. und Papst Benedikt XVI. Grüße zukommen lassen.

Auch weisen Schilder den Weg zur Spanischen Treppe, das Original ist 1717 Kilometer weit weg, und in die italienische Metropole Rom, die 1503 Kilometer entfernt ist. Kleins Spanische Treppe führt derweil zum Hintereingang, gegenüber ist das „Ristorante“, ein Klubraum. „Aber das ist noch nicht alles“, betont Klein und öffnet auf der ersten Etage eine Wohnung, die über eine Treppe von außen zu erreichen ist: „Ein Zimmer für Jäger“, erklärt der 76-Jährige. „Auf diesem Weg mussten sie nach der Jagd mit den Hunden nicht durchs Hotel laufen.“ Und oberhalb des Hauses thront ein kleines Gotteshaus: die Heinrich-Kapelle, 1981 errichtet. Heinz Klein hält inne, ihn übermannen die Gefühle. „Noch gebe ich die Hoffnung nicht auf, einen Nachfolger zu finden.“

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