Schellerhof stellt Angebot einDer Milchmann in Lindlar kommt nicht mehr

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Lindlar-Scheller – Sechsmal pro Woche rollt „die frische Milch vom Schellerhof“ durch das Bergische. Die schneeweißen Kastenwagen mit eingebauter Kühlung und dem entsprechenden Schriftzug auf der Karosserie gehören zum festen Inventar der Straßen. Am Samstag verschwinden sie für immer. Die Familie Rehbach stellt die Direktvermarktung ihrer Milch ein.

1200 Haushalte, Gastronomen und Kindergärten beziehen ihre Milch aktuell von dem Hof nahe Kemmerich. Die sieben Tourenfahrer der Rehbachs sind im Dreieck zwischen Ründeroth, Much und Herkenrath präsent. In Lindlar, Overath und Engelskirchen stoppen sie besonders oft.

Die Nachbarn waren anfangs sehr skeptisch

„Wir sind wahnsinnig stolz auf das, was wir in fast 18 Jahren erreicht haben“, sagt Hubert Rehbach (73) leise. Trotzdem sehe die Familie keine Möglichkeit, weiterzumachen. Huberts Frau Marlene ist noch drei Jahre älter, Tochter Hildegard Rehbach sehnt sich nach einem Job mit geregelten Arbeitszeiten, schon des kleinen Jonas wegen. Mit dem Lieferservice stirbt ein Konzept, das sich durchgesetzt hat – dem benachbarte Milchbauern und die Landwirtschaftskammer anfangs allerdings wenig abgewinnen konnten.

Rückblick: Im Spätsommer 1999 eröffnet die Familie die erste oberbergische Hofmolkerei. Landrat Hans-Leo Kausemann nimmt die Apparate in der umgebauten Werkstatt persönlich unter die Lupe. Gleich nach dem Melken wird die Milch dort pasteurisiert, also auf etwas über 70 Grad erhitzt und sofort auf drei Grad abgekühlt. „Das macht sie haltbarer, sie behält aber Geschmack und Inhaltsstoffe“, erklärt Hildegard Rehbach. Wenige Stunden später steht die Milch auf dem Frühstückstisch. „Der Milchmann kommt“, titelt die BLZ damals. Wirtschaftlich ist der Schritt der Rehbachs gewagt. Einen sechststelligen D-Mark-Betrag haben sie investiert, viele Ideen durchgerechnet. Sie sind optimistisch, mit dem Lieferservice bei der Kundschaft landen zu können.

„Schon damals war der Milchpreis nicht berauschend“, erinnert sich Hubert Rehbach. Viele Bauern setzten auf Expansion. „Da wurden Flächen bewirtschaftet, die weit weg vom Hof lagen. Das war nicht meine Welt“, erklärt der Senior-Chef. Die Direktvermarktung sollte als Zubrot dienen. Marlene und Hubert informierten sich auf einer Messe in Fulda, später bei Milchbauern in Rosenheim. Ein Hofladen schied aus. „Dafür braucht man ein komplettes Sortiment. Außerdem waren wir der Meinung, dass es den Menschen lästig wird, nach Scheller zu fahren“, blicken Vater und Tochter zurück.

Letzte Lieferung

Die letzte Milch wird am Samstag, 29. April, ausgeliefert.

Die Pfandflaschen werden an folgenden Tagen abgeholt: 11.5. alle Montags- und Donnerstagstouren, 12.5. alle Dienstags- und Freitagstouren, 13.5. alle Mittwochs- und Samstagstouren.

Der Schellerhof ist per Telefon unter 0 22 66/53 68 und per E-Mail an schellerhof@t-online.de erreichbar. (sfl)

Der erste Kundenstamm wird noch auf Karteikarten notiert. Die Milch vom Schellerhof sorgt für Gesprächsstoff. Bei einer Bonner Firma geben die Rehbachs immer mehr Zweiliter-Milchkannen in Auftrag. „Die Mundpropaganda war für uns immens wichtig“, betont Hubert Rehbach. Ein Kunde lädt den Nachbarn auf ein Glas ein – oft werden so neue Abnehmer gewonnen. Kinder berichten zu Hause von der leckeren Milch aus dem Kindergarten. Die Flaschen werden sogar als Waffe in Nachbarschaftskriegen eingesetzt. „Sie wurden vor der Tür geklaut, um dem verhassten Nachbarn so richtig eins auszuwischen“, erinnert sich Hildegard Rehbach. Die steigende Nachfrage sorgt für viel Arbeit. Dreimal pro Woche wirft der Wecker die Familie um 1 Uhr aus den Betten. Die wenige Stunden zuvor gemolkene Milch wird noch nachts pasteurisiert und abgefüllt. Parallel läuft die Spülmaschine. Um 7.15 Uhr düst der erste Kühlwagen vom Hof. Rund 2100 Flaschen werden heute wöchentlich zu den Abnehmern gebracht. Mit den normalen Stallarbeiten entsteht so ein 19-Stunden-Tag.

„Trotz der harten Arbeit: Wir blicken auf viele schöne Begegnungen an den Haustüren zurück“, sagt Hildegard Rehbach zufrieden. Looper Kinder haben sie einst „Milch Marie“ getauft. Ihr Vater nickt und rückt die nächste Kiste Flaschen zurecht. Ihm fällt der Abschied schwer. Dreimal noch klingelt der Wecker in der Nacht, dann wartet der Ruhestand.

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