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Zehn Jahre nach KyrillAus der zerstörten Fläche ist neuer Wald geworden

Lesezeit 4 Minuten
2017 sind auf der selben, zuvor baumlosen Fläche im Königsforst zahlreiche Laubbäume gewachsen. Stephan Schütte (l.) und Jürgen Greißner achten auf Vielfalt.

2017 sind auf der selben, zuvor baumlosen Fläche im Königsforst zahlreiche Laubbäume gewachsen. Stephan Schütte (l.) und Jürgen Greißner achten auf Vielfalt.

Rhein-Berg – „Kyrill war ein absoluter Extremsturm, wie wir ihn in NRW noch nicht hatten“, sagt Forstdirektor Stephan Schütte, der den Staatswald im Regionalforstamt Rhein-Sieg-Erft betreut. Zehn Jahre nach dem außergewöhnlichen Sturm, der am 18. und 19. Januar 2007 über Mitteleuropa hinwegzog, ist die Bilanz aber nicht nur negativ. „Jeder Sturm ist erst mal eine Katastrophe“, sagt Schütte, „er bietet aber auch eine Chance.“

Bei der Wiederaufforstung sei es gelungen, in den Wäldern eine bessere Mischung von Laub- und Nadelbäumen zu schaffen. Ziel sei ein „stabiler Mischwald“. Diese Devise gelte nicht nur im Staatsforst, durch Beratung und Fördermittel habe das Land NRW auch eine Veränderung im Privatwald angestoßen. Zu erwarten ist demnach, dass der Wald auf künftige Stürme besser vorbereitet ist.

Das lässt sich auf bei einem Blick auf den Königsforst sagen. „Wie Mikadostäbe und auch noch verdreht“ hätten die Bäume auf großen Flächen gelegen, erinnert sich Forstrevier-Leiter Jürgen Greißner. Rund 60 000 Bäume hat Kyrill im Königsforst entwurzelt, über Nacht entstanden Kahlflächen von rund 105 Hektar, also 105 mal 10 000 Quadratmeter. Wie anderswo waren auch im Königsforst besonders Fichten betroffen. „Fichten sind Flachwurzler, Eichen sind Pfahlwurzler“, erklärt Greißner. Damit seien Fichtenbestände besonders anfällig. Hinzugekommen sei, dass Fichten auf Böden gepflanzt waren, die sich dafür nicht eigneten. Am falschen Standort sei ein Flachwurzler besonders labil. Hinzugekommen sei die Wettersituation im Januar 2007: Durch ergiebige Niederschläge waren die Böden stark aufgeweicht, auch dies verringerte die Standfestigkeit der Bäume.

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Größte Schäden am Flughafen

Die größten Schäden innerhalb des Königsforsts waren nach Auskunft der Forstfachleute rund um den Flughafen Köln-Bonn zu beobachten, dort fand der Sturm am meisten Angriffsfläche. Mittelschwere Schäden ließen sich zwischen Bensberg und Rösrath beobachten. Am geringsten waren die Schäden bei Untereschbach.

1,5 Milliarden Schaden landesweit

In Nordrhein-Westfalen hat Kyrill auf einer Waldfläche von etwa 50 000 Hektar große Schäden hinterlassen. Dem Sturm fielen landesweit rund 15,7 Millionen Festmeter Holz zum Opfer. Das ist das Dreifache der Holzmenge, die in NRW in einem durchschnittlichen Jahr anfällt. Rund 95 Prozent der betroffenen Bäume waren Nadelbäume, größtenteils Fichten. Der finanzielle Schaden in den Wäldern in NRW lässt sich auf 1,5 Milliarden Euro beziffern.

Der Privatwald war mit einem Anteil von 72 Prozent der geschädigten Flächen am stärksten betroffen. Der Anteil von kommunalen Waldflächen lag bei 16,9 Prozent, 10,7 Prozent der Schadensflächen waren Staatswald.

Für die Wiederaufforstung mit Mischkulturen flossen Fördermittel des Landes. 27 Millionen Pflanzen wurden gefördert. Der Anteil von Laubbäumen in NRW stieg auf 47 Prozent. (tr)

Da der Staatswald Königsforst komplett unter Naturschutz steht, ging es bei der Wiederaufforstung vor allem um eine naturgemäße Gestaltung. Greißner geht davon aus, dass Fichten auf großen Flächen „die falsche Baumart auf dem Boden waren“. Hätten dort Eichen gestanden, wären sie nicht umgestürzt, nimmt er an. Er verweist auf eine Fläche, auf der überwiegend Buchen stehen – direkt neben einer Fläche mit einstigem Fichtenbestand: Bei den Buchen gab es nur geringe Schäden, die Fichten kippten großflächig um.

Schütte macht jedoch klar, dass ein völliger Verzicht auf Fichten nicht sinnvoll sei. Bei einem jährlichen Holzverbrauch von 1,5 Kubikmetern pro Bundesbürger müsse es auch Bäume geben, die für eine wirtschaftliche Nutzung zur Verfügung stünden. Sinnvoll seien Mischwälder. Auf neu mit Bäumen bepflanzten Flächen im Königsforst legten die Forstfachleute Wert auf eine Mischung verschiedener Baumarten. Mindestens vier oder fünf Baumarten auf einer Fläche sollten für Vielfalt sorgen. Da begegnen sich Stieleiche, Lärche, Birke, Hainbuche und Rotbuche. „Damit sind wir für die Zukunft gut aufgestellt“, findet Greißner. Während Eichen womöglich Jahrhunderte überdauern, sind andere Baumarten weniger langlebig. Die Mischung kann aber dazu beitragen, dass eine Waldfläche auf lange Sicht wenige Eingriffe braucht.

Das Wiederaufforsten war nach Kyrill vor allem auf großen Kahlflächen erforderlich. In Gebieten mit kleineren Schäden konnte sich die Natur selbst regenerieren. Ohne aktives Eingreifen siedelten sich „Pionierbaumarten“ wie Birke oder Kiefer an, erklärt Greißner. Sie allein seien aber nicht die richtige Mischung. „Wir müssen heute Wälder aufbauen“, sagt Schütte, „die in 100 Jahren noch fit sind.“

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