Jugendliche und ErwachseneSpiezielle Schwimmkurse für Flüchtlinge wären sinnvoll

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Schwimmhilfen kommen zum Einsatz, wenn Sporttherapeut Paul Rütschi jungen Flüchtlingen das Schwimmen beibringt.

  • Der Anteil von Nichtschwimmern ist unter den Flüchtlingen offenbar sehr hoch.
  • Viele Schwimmeister sind wegen der nun anstehenden Badesaison in Sorge. In zahlreichen Kommunen gibt es daher spezielle Angebote.

Rhein-Erft-Kreis – Sie scherzen, sie necken sich, und sie gehen forsch ins Wasser. Doch zumindest einige von den Jungen bremst Sporttherapeut Paul Rütschi erst einmal. Mit Gesten zeigt er, an welcher Stelle das Becken des Bergheimer Sportparkbads von seicht auf tief wechselt.

Einmal in der Woche geht Rütschi mit den neun Jugendlichen im Alter zwischen zwölf und siebzehn Jahren, die aus Syrien, Afghanistan und Marokko stammen, zum Schwimmunterricht in das Bad. Sie alle sind Flüchtlinge. Sie alle waren als alleinreisende Jugendliche unterwegs und werden vom Verein Transparenz im benachbarten Sportlerheim des FC Bergheim rund um die Uhr betreut.

„Beim Start des Schwimmkurses vor sechs Wochen ist uns mehr darum gegangen, ein festes Bewegungsangebot für die Jungs zu schaffen“, sagt Rütschi. Doch schon bald habe sich gezeigt, wie wichtig der Unterricht ist. „Viele von ihnen können nicht schwimmen.“

Mehr als die Hälfte der Jugendlichen sei zu Beginn nicht in der Lage gewesen, sich dauerhaft über Wasser zu halten. „Nach nur sechs Unterrichtsstunden schafft es einer von den Nichtschwimmern bereits, eine Bahn mit Brustschwimmen zurückzulegen“, sagt Rütschi. Ein Erfolgserlebnis, das den jungen Afghanen Eshaq (17) glücklich macht. „Das macht mich sehr glücklich“, sagt er auf Englisch. In seiner Heimat Kundus gebe es keine Schwimmbäder, und in Flüsse oder Seen habe er sich nie getraut.

In Bergheim hat die Schwimmgemeinschaft Bergheim freitags eine Bahn im Sportparkbad geräumt, damit die jungen Flüchtlinge Schwimmen lernen können. Im Unterricht fiel auf, dass  die Jugendlichen ihre Fähigkeiten manches Mal überschätzen – oder sehr großen Respekt vor dem Element Wasser haben. „Manche mussten auf der Flucht durch einen Fluss waten oder haben bei der Bootsfahrt auf dem Mittelmeer erlebt, wie jemand ertrunken ist“, sagt Sporttherapeut Rütschi.

Hauptschule hat reagiert

Das Problem mit einem offenbar hohen Anteil von Nichtschwimmern unter den Flüchtlingen wird in den Kommunen des Kreises erkannt.

Noch immer gibt es die Vermutung, dass die drei im Schwimmbad des Wohnparks Ahe ertrunkenen jungen Ausländer schlicht nicht schwimmen konnten – als Reaktion darauf hat die Erich-Kästner-Hauptschule, die einer der Jungen besucht hat, ein spezielles Schwimmangebot für Flüchtlinge eingerichtet.

Schwimmkurse  speziell für Frauen mit und ohne Migrationshintergrund bietet Monika Arnsfeld seit dem vergangenen Jahr  für die Sportgemeinschaft Erftstadt an.

Die integrativen Schwimmkurse, die immer sonntags ab 16 Uhr   im Hallenbad Liblar stattfinden, seien gut besucht.  Sie richten sich auch an muslimische Frauen. Die Teilnahme ist nicht an eine Mitgliedschaft im Verein gebunden. Mädchen und Frauen haben in dem Kursus  die Gelegenheit, unter fachkundiger Anleitung Schwimmen zu lernen und ihre Ausdauer im Wasser zu verbessern. Die Erfahrung, dass Flüchtlingskinder und auch junge männliche Migranten oft nicht oder nur sehr schlecht schwimmen können, hat  auch Monika Arnsfeld gemacht: „Viele springen mutig ins Wasser, können dann aber oft nur paddeln.“

Deswegen wäre es eigentlich sinnvoll, auch spezielle Schwimmkurse für Flüchtlingskinder anzubieten.  „Dafür mangelt es aber an Kapazitäten: an freien  Zeiten im Hallenbad, vor allem aber an   Übungsleitern.“  Wer sich in diesem Bereich engagieren möchte, kann sich gerne bei der SGE melden.

Dass viele Flüchtlinge nicht schwimmen können, weiß auch der Frechener Bäderleiter Norbert Huppert zu berichten. In Ländern wie Afghanistan und Syrien seien  Schwimmbäder eben eher Mangelware.

Und die Menschen dort hätten  ganz andere Sorgen. Die Gefahren im Hallenbad wüssten viele Flüchtlinge gar nicht richtig einzuschätzen: „Sie springen  ins Wasser und wundern sich dann, dass  sie plötzlich keinen Boden mehr unter den Füßen haben.“ Einige Male hätten die Schwimmmeister schon eingreifen müssen, die Tendenz sei steigend.

„Wir versuchen aber, prophylaktisch vorzugehen, damit Gefahrensituationen gar nicht erst entstehen“, erläuterte Huppert. Spezielle Schwimmkurse für Flüchtlinge gibt es im Frechener Hallenbad „Fresh Open“ noch nicht. Huppert: „Es gibt aber Betreuer, die hier mit Flüchtlingen schwimmen üben und ihnen die Baderegeln erklären.“

„Viele mein, die könnten Schwimmen“

Herr Albrecht, gibt es unter den Flüchtlingen viele, die nicht schwimmen  können?

Wir haben natürlich keine Untersuchungen mit belastbaren Zahlen. Aber wenn man sich anschaut, wo die Flüchtlinge herkommen, dann sieht man, dass es dort selten einen organisierten Schwimmunterricht an den Schulen oder in Vereinen gibt, wie es hier bei uns üblich ist. Daher kann man davon ausgehen, dass es unter den Flüchtlingen eine höhere Nichtschwimmerrate gibt. Dazu kommt, dass viele meinen,  schwimmen zu können, es de facto aber doch nicht können. Wir verstehen unter Schwimmen ein dauerhaftes sicheres Fortbewegen im Wasser und nicht nur ein Überwasserhalten, das eventuell mit Unsicherheiten verbunden ist.

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Stefan Albrecht ist Vizepräsident des DRLG- Landesverbandes Nordreihn und wohnt in Wesseling.

Kommen verstärkt Flüchtlinge in die Schwimmkurse?

Ja, wir haben festgestellt, dass zunehmend Personen mit Migrationshintergrund in die Schwimmkurse kommen. Wir fragen natürlich nicht, ob es sich um  Flüchtlinge handelt, aber wir glauben, dass der Anteil dieses Personenkreises in den Schwimmkursen steigt.

Gibt es Kurse  für Migranten, in denen Männer und  Frauen getrennt  schwimmen lernen?

Das ist örtlich verschieden. In Wesseling gibt es solche Kurse nicht, aber wir versuchen, die Personen und die Bedürfnisse in unsere Kurse zu integrieren.

Das Wetter wird besser, was sagen Sie zum Schwimmen im Rhein?

Davon kann ich grundsätzlich nur dringend abraten. Der Rhein ist internationale Wasserstraße mit viel Schiffsverkehr. Da entstehen ein Wellenschlag und Sogwirkungen, die auch für gute Schwimmer gefährlich werden können.

Kann ich nicht mal bis zu den Knien ins Wasser gehen?

Auch davon rate ich nur ab. Beim Vorbeifahren eines Schiffes entstehen Kräfte, die insbesondere Kinder mitreißen. Da kann man ganz schnell mitgezogen werden.

Wo lerne ich am besten schwimmen?

Am besten informiert man sich  vor Ort in den Schwimmbädern, wer Angebote für Schwimmkurse macht. Das können Vereine oder die DLRG sein. Gerade für ausländische Mitbürger gibt es die Baderegeln auch in 30 verschiedenen Sprachen.

www.dlrg.de

Bisherige Angebote im Rhein-Erft-Kreis

In Kerpen bietet der ESV Horrem mittwochs, samstags und sonntags  Schwimmkurse für Flüchtlinge an. Die Stadt macht darauf in den jeweiligen Asyl-Unterkünften aufmerksam und verteilt Berechtigungskarten.

Elsdorf wartet mangels Hallenbad auf die Freibadsaison. Der Verein Treffen der Vielfalt  will dann über  Schwimmunterricht nachdenken.    Die Stadt Brühl möchte  bald Intensivschwimmkurse für Kinder aus Flüchtlingsfamilien anbieten.

Die Angebote sollen allen Kindern offenstehen, deren Familien  nicht in der Lage seien, Schwimmunterricht zu finanzieren, sagt Integrationsbeauftragte Daniela Kilian.

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