Nur „kleiner Fisch“?Doppelte Sicherheitskontrolle am Gericht – 50.000 Euro ergaunert

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Amtsgericht Siegburg

Siegburg/Sankt Augustin – Doppelte Sicherheitskontrollen im Siegburger Amtsgericht, ein Angeklagter, der die sechsstündige Verhandlung in Handschellen verfolgte und norddeutsche Kriminalpolizisten, die das Geschehen von den Zuschauerplätzen verfolgten – schon die äußeren Bedingungen zeigten, dass es bei dem Prozess am Donnerstag um mehr als die beiden angeklagten Betrugsfälle ging.

Polizei, Staatsanwaltschaft und nicht zuletzt der Vorsitzende Richter Ulrich Wilbrand waren überzeugt davon, dass es sich bei den Taten, die dem 26 Jahre alten Deutsch-Türken Yigit T. zur Last gelegt wurden, um eine Form der organisierten Kriminalität handelt.

Laut Anklage soll der Mann, der zuletzt in Bremen gelebt hat, mit Helfern aus Norddeutschland einen 88 Jahre alten Pensionär aus Sankt Augustin im Mai dieses Jahres um seine Ersparnisse von 50 000 Euro gebracht und zudem versucht haben, sich wenige Tage später auch noch in den Besitz einer Bausparsumme zu bringen.

Im Zeugenstand schilderte der verwitwete Ministerialbeamte im Ruhestand, was sich im Frühjahr zugetragen hat. Es begann mit einem Anruf am 26. Mai. Ein Mann, der sich als Kriminalkommissar ausgab, schilderte, dass in der Nachbarschaft ein Ehepaar überfallen worden sei.

Bei den Tätern habe man eine Liste mit weiteren möglichen Opfern gefunden, auf der auch der Pensionär aufgelistet sei. „Türen abschließen, keinen in die Wohnung lassen und niemanden anrufen, weil die Telefonleitung »gehackt« worden ist“, lauteten die Anweisungen. In den folgenden Tagen rief der angebliche Polizist immer wieder an und baute ein Vertrauensverhältnis zu seinem Opfer auf. Dann tischte er ihm eine weitere Lügengeschichte auf: Mit Wissen mehrerer Mitarbeiter verbreite seine Sankt Augustiner Bankfiliale Falschgeld in großem Stil. Beim Nachweis sei man auf seine Hilfe angewiesen. „Ich habe keinerlei Verdacht geschöpft“, gab der Senior im Zeugenstand zu. Bereitwillig hob er seine Ersparnisse ab, um sie von der Polizei überprüfen zu lassen. Ein Bote holte das Geld an der Haustür ab, kurz darauf bestätigten der angebliche Kommissar: Bei rund 6000 der insgesamt 50 000 Euro handele es sich um Falschgeld, die gesamte Summe bleibe beschlagnahmt. Man müsse zudem befürchten, dass es in der Bank noch mehr Falschgeld gebe. Der Senior erhielt deshalb die Anweisung, auch sein Bausparkonto mit 44 000 Euro aufzulösen. Erst jetzt kam ihm der Verdacht, dass etwas nicht stimmen könne. Er informierte seinen Sohn, der gerade aus dem Urlaub zurückkehrte, dieser rief die Polizei. Bei den folgenden Telefonaten hörten die Ermittler mit und bereiteten eine fingierte Geldübergabe vor. Die erfolgte am frühen Abend des 31. Mai. Dabei wurde ein 25 Jahre alter Geldbote, der sich mit dem Kennwort „gelbe Rose“ zu erkennen gab, auf frischer Tat festgenommen, ebenso dessen Fahrer.

Die beiden Männer aus Delmenhorst nahe Bremen sind nach Auffassung von Polizei und Staatsanwaltschaft aber nur kleine Fische, die im Auftrag von Yigit T. gehandelt haben sollen. Ermittler aus Hessen, wo in ähnlichen Fällen ermittelt wird, brachten die Siegburger Ermittler anhand von abgehörten Telefongesprächen auf die Spur des 26-Jährigen, der nach Auffassung der Ermittler von der Türkei aus auch die Gespräche mit dem 88-Jährigen geführt haben soll.

Das allerdings ließ sich auch in der Verhandlung vor dem Schöffengericht nicht zweifelsfrei klären, auch wenn ein Sachverständiger angab, dass mit großer Wahrscheinlichkeit die Stimme des Angeklagten auf mitgeschnittenen Telefonaten zu hören war. Weil der Angeklagte bei einem Haftprüfungstermin im Sommer immerhin eingeräumt hatte, die Geldboten zu der gescheiterten zweiten Geldübergabe telefonisch nach Sankt Augustin dirigiert zu haben, wurde er wegen versuchten schweren Betruges zu einer elfmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt werden. Die Anklage wegen der ergaunerten 50 000 Euro wurde eingestellt, allerdings nur, weil er sich bereiterklärt hatte, dem Pensionär Schadenersatz in gleicher Höhe zu leisten.

Aus dem Schneider ist der 26-Jährige trotzdem nicht, der, so Richter Ulrich Wilbrand, selber nur ein „kleiner Fisch“ ist. Gegen ihn laufen weitere Ermittlungen, unter anderem in Offenbach, wo es um eine Schadenssumme von bis zu einer Million Euro geht, in Kiel und in Osnabrück. Seine vermutlich von der Türkei aus operierenden Hintermänner „wollte und konnte“ der Angeklagte trotz mehrfacher Nachfrage nicht nennen, vermutlich, weil diese auf ihn und seine Familie erheblichen Druck ausüben.

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