Ausstellung im PumpwerkRheinischer Kunstpreis für den Troisdorfer Masoud Sadedin

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Rhein-Sieg-Kreis – Ein eigenartiges Spiel ist es, das Masoud Sadedin mit der Wirklichkeit treibt. Auf einem seiner Ölbilder stützt eine Frau ihren Hinterkopf mit einem Rohr an der Wand ab. Ein anderes zeigt einen jungen Mann, der auf einen auseinandergeklappten, zum Rätsel werdenden Zollstock starrt.

Fein ausgeführt sind die ausdrucksstarken Gesichter der Protagonisten, glaubwürdig in ihrem Ausdruck. Gekonnt und stimmig sind die Faltenwürfe der Kleidung, das Spiel von Licht und Schatten. Doch immer ist eine Absurdität im Spiel, ein irrationales Detail, aufreizend unspektakulär und doch fesselnd und faszinierend.

Inszenierte Realität: Die Bilder Sadedins leben von ungewöhnlichen Stimmungen.

Inszenierte Realität: Die Bilder Sadedins leben von ungewöhnlichen Stimmungen.

Ab Sonntag bietet sich im Siegburger Pumpwerk die Gelegenheit, sich eingehend mit dem Werk des in Troisdorf lebenden Malers auseinandersetzen. Um 11 Uhr verleiht ihm Landrat Sebastian Schuster den Rheinischen Kunstpreis 2016.

Am Anfang eines Bilds stehen für Sadedin Fotografien; die Sitzungen mit seinen Modellen bereitet er akribisch vor. „Meist habe ich Ideen im Kopf, manchmal passiert aber auch spontan etwas.“

Inszenierte Realität: Die Bilder Sadedins leben von ungewöhnlichen Stimmungen.

Inszenierte Realität: Die Bilder Sadedins leben von ungewöhnlichen Stimmungen.

Er legt es auf eine gewisse Stimmung an, die das spätere Bild transportieren soll. Sadedin spricht auch von einem „Geist“, der sich dem Betrachter mitteilen müsse. Wichtig ist ihm die Körperspannung seiner Modelle in dem Moment, in dem er die Kamera auslöst. Oft dauere es Stunden, bis sich das richtige Motiv einstelle, manchmal sei dies sofort der Fall. Und mitunter seien ganze Fotoserien auch unbrauchbar. „Ich vertraue meiner Ahnung“, beschreibt Sadedin den Prozess, der auch etwas von einer Bühneninszenierung habe. Die Gegenstände sieht er als „Stör- oder Stolperelemente“.

Im Iran geboren

Masoud Sadedin wurde 1956 in in Semnan/Iran geboren. Er lebt und arbeitet in Troisdorf. Am Sonntag, 5. Februar, 11 Uhr erhält er den mit 20 000 Euro dotierten Rheinischen Kunstpreis, den der Rhein-Sieg-Kreis in Zusammenarbeit mit dem LVR-Landesmuseum Bonn alle zwei Jahre verleiht.

Das Pumpwerk an der Bonner Straße 56 in Siegburg zeigt bis zum 3. März Arbeiten Sadedins aus den vergangenen sechs Jahren. 2018 folgt eine Ausstellung im LVR-Landesmuseum. (ah)

Requisiten ließ er unter Umständen auch schon weg, etwa, als er seinen Sohn Siavosh malte, den er mit leicht gesenktem Kopf im Profil darstellte – eine völlig ungewöhnliche Perspektive für ein Porträt. Ganz bei sich sei der Porträtierte in diesem Moment gewesen. Zudem habe sein Sohn eine unübersehbare „Aura“.

Für sich selbst lehnt Sadedin eine Kunst um ihrer selbst willen ab. Kunst müsse eine Verbindung zur Realität herstellen. Bei dem Bild einer Frau, deren Kopf vollständig von einem Kopf verhüllt wird, wird sich niemand von den Bildern aus dem Folter-Gefängnis Abu Ghraib freimachen können. Doch auf solche naheliegenden Bezüge legt es der Maler nicht an. Die Verhüllte fand auf die Leinwand, da sie zum Bilderfundus in Sadedins Vorstellung gehört.

Der Zollstock, der auf einem Bild mit Sadedins Sohn Nassim beunruhigendes Faszinosum und banaler Alltagsgegenstand ist, zitiert die Kunstgeschichte. Sadedin nennt als Inspiration ein „Ready made“, eines jener legendären Kunstobjekte, die Marcel Duchamp schuf: In diesem Fall Schnüre, die dieser nach dem Zufallsprinzip auf ein Brett fallen ließ, fixierte und zum Metermaß erklärte. Seiner Quellen wird er sich manchmal auch erst später bewusst: Die Frau, die ihren Kopf mit einem Rohr gegen die Wand stützt, führt er auf ein Bild Pieter Bruegel des Älteren zurück – für Sadedin einer der größten Künstler überhaupt. „Die ganze Malerei ist miteinander verbunden“, so seine Überzeugung.

Ein große Arbeit, die Sadedin auf der untersten Ebene des Pumpwerks zeigt, lässt ahnen, dass die Zukunft weg von der Darstellung einzelner Personen hin zu Gruppen führen könnte. Drei Figuren aus anderen Bildern hat er auf diesem Ölbild zusammengebracht, den jungen Mann, der mit gespanntem Gesichtsausdruck in ein geöffnetes Buch blickt, eine Frau, die die Stirn gegen eine Wand lehnt, und einen blau gekleideten Mann vor einer Konstruktion aus Holz, Plane und einem Rohr – eine Auseinandersetzung Sadedins mit den katastrophalen Zuständen im Flüchtlingslager von Calais.

Das Trio sieht der Maler in einem „Dialog der Stille“, der sich vor der Apokalypse einstelle. Melancholisch sei die Stimmung – und doch habe er beim Malen einen gewissen Optimismus gespürt.

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