Serie

Rheinische Pioniere (5)
Hugo Junkers ist der Vater der Tante Ju

Lesezeit 6 Minuten
Prof. Junkers, Mader, Schleissing, Brauer u.a. bei der Präsentation der G 38 am 9. Nov. 1929 Prof. Junkers mit Mitarbeitern bei der Präsentation der G 38 am 9. Nov. 1929.

Prof. Hugo Junkers (M.) mit Mitarbeitern bei der Präsentation der G 38 am 9. Nov. 1929.

Hugo Junkers konstruierte Flugzeuge und Motoren. Sein Gasbadeofen war die Revolution in deutschen Badezimmern. Der Erste Weltkrieg machte ihn zum Pazifisten, ehe die Nazis seine Firmen beschlagnahmten.

Sie waren die ersten Startup-Gründer und Influencer: Menschen, die im Rheinland wirkten und deren Ideen bis heute faszinieren. Unsere Serie stellt die „Rheinischen Pioniere“ und ihre Erfolgsgeheimnisse vor.

Was macht Hugo Junkers zu einem Pionier?

Metall war sein Markenzeichen – hieraus konstruierte er später Flugzeuge und Motoren. Mit seinem Namen sind 380 Patente verbunden. Am berühmtesten ist wahrscheinlich die „Tante Ju“, das Verkehrsflugzeug JU 52, welches 1930 auf den Markt kam und mehr als 5000 Mal gebaut wurde. Zunächst aber stellte er mit seiner 1895 gegründeten Firma Junkers & Co. Durchlauferhitzer und Badeöfen her. Seine Gasbadeöfen waren eine kleine Revolution in deutschen Badezimmern und Küchen.

Was ist über seine Herkunft bekannt?

Der gebürtige Niederrheiner Junkers wurde am 3. Februar 1859 als drittes Kind des Weberei- und Ziegeleibesitzers Heinrich Junkers und dessen Ehefrau Luise in Rheydt bei Mönchengladbach geboren. Spuren der Familie lassen sich in der Region bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen.

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Hugo Junkers litt zeitlebens unter einer körperlichen Einschränkung: An seiner linken Hand waren mehrere Finger zusammengewachsen. Als Kind wirkte er gelegentlich verstört und fügte sich Verletzungen zu. Auf der anderen Seite wuchs er im Wohlstand auf: Seine Familie ermöglichte ihm eine gute Bildung und schickte ihn auf die Höhere Bürgerschule Rheydt. Mit zehn Jahren verlor Junkers seine Mutter, was ihn zum Eigenbrötler werden ließ. Mit 15 Jahren wechselte er an die Höhere Gewerbeschule in Barmen, wo er 1878 sein Abitur machte.

Eine Ju 52/3m CV-FAI „Romania" mit drei Hispano-Suiza-Motoren. Sie wurde 1932 als Privatreiseflugzeug an den rumänischen Prinzen Bibescu geliefert.

Eine Ju 52/3m CV-FAI „Romania" mit drei Hispano-Suiza-Motoren. Sie wurde 1932 als Privatreiseflugzeug an den rumänischen Prinzen Bibescu geliefert.

Im Herbst 1878 zog es ihn nach Berlin, wo er an der Königlichen Gewerbeschule, der späteren TH Charlottenburg, ein Maschinenbaustudium begann, es 1881 an der TH Aachen fortsetzte und 1883 erfolgreich als „Maschinenbauführer“ abschloss. Zwischenzeitlich unterzog er sich in Berlin einer OP an seiner verstümmelten Hand, die scheiterte. Ablenkung suchte er in den Studentenverbindungen „Turnerschaft Rhenania Berlin“ und „Corps Delta Aachen“.

Was war die Grundlage für seinen Erfolg?

Junkers wollte sich stets weiterbilden: Nach zwei Jahren Lehrzeit in den Aachener Maschinenfabriken arbeitete er zwischen 1885 und 1887 in der Firma des Vaters. Jedoch ließ ihn seine Leidenschaft, die Mechanik und Elektrodynamik, nicht los. Aus der Rheydter Provinz zog es ihn 1887 wieder nach Berlin an die TH, wo er sich unter Anleitung von Professor Adolf Slaby auf die Entwicklung von Gasmaschinen und Motoren konzentrierte.

Slaby war es auch zu verdanken, dass Junkers mit Ende 20 bei der Continental-Gas-Gesellschaft in Dessau eine Stelle als Ingenieur erhielt. Dort führte die gute Zusammenarbeit mit Wilhelm von Oechelhäuser zum patentierten „Oechelhäuser-Junkers-Zweitakt-Gegenkolben-Gasmotor“. Der Motor wurde mit Hochofengas angetrieben und fand schnell im Hüttenbetrieb Verwendung. Später wurde dieser „Junkersmotor“ zur Basis für Flugzeugmotoren.

Wie gelang ihm der Durchbruch?

Im Oktober 1892 gründete er sein erstes Unternehmen als „Civil-Ingenieur“, sein Firmensitz war ein angemieteter Pferdestall. Zunächst widmete er sich der Entwicklung von wärmetechnischen Geräten. Zur Herstellung eines Gasbadeofens, den er später zum Durchlauferhitzer weiterentwickelte, gründete er 1895 in Dessau seine erste Fabrik, die „Junkers & Co., Fabrik für Gasapparate“. Zuvor war er 1893 in Chicago auf der Weltausstellung für seine Erfindungen mit einer Goldmedaille geehrt worden.

Hugo Junkers mit Autogramm

Hugo Junkers

1897 erhielt er von der TH Aachen einen Lehrauftrag. Bald darauf wandte sich Junkers dem Motorenbau zu und meldete einige Patente zu Schwerölmotoren an. Erst mit 39 heiratete Hugo Junkers 1898 die 17 Jahre jüngere Therese Bennhold. Sie wurde die Mutter seiner zwölf Kinder. Das private Glück und die Hochschultätigkeit motivierten ihn, sich verstärkt mit seinem Traum von der Fliegerei zu befassen: Die Zusammenarbeit mit dem Aachener Kollegen Hans Jacob Reissner führte zu ersten Tests in Windkanälen und Flugversuchen. Ihre Flugzeugmodelle wurden auf Luftausstellungen 1911 und 1912 gezeigt – sie trafen auf großen Anklang und motivierten Junkers zum Flugzeugbau.

Der Erste Weltkrieg änderte bald das Leben in Europa, und auch die Firma „Junkers & Co.“ wurde ab 1914 auf die Kriegsproduktion umgestellt. Die „Junkers J1“ wurde 1915 zum ersten Ganzmetall-Flugzeug der Welt, das zur Rüstungsproduktion entscheidend beitrug.

Nach Kriegsende änderte sich Junkers Einstellung zum Flugzeugbau. Er gründete 1919 in Dessau die Junkers-Flugzeugwerke AG und konstruierte das Verkehrsflugzeug F 13, das als erstes Metallkabinenflugzeug international überzeugte. Für den Pazifisten bestand jetzt das Ziel darin, Flugzeuge ausschließlich für die zivile Luftfahrt zu entwickeln und zu bauen, ein Bewusstseinswandel.

Gab es Widerstände?

Der Querkopf Junkers war kein einfacher Mensch: 1912 endete seine Tätigkeit an der TH Aachen nach internen Querelen. Dessau wurde nun sein Lebensmittelpunkt. Auch hatte der Kriegsausbruch ihn zunächst zurückgeworfen: Die 1913 gegründete „Junkers Motorenbau GmbH“ in Magdeburg und das Dessauer Werk mit seinen 500 Arbeitern schlossen 1915 ihre Tore wieder. Ende 1917 wurden gegen seinen Willen die Junkers-Fokkerwerke mit dem Niederländer Anthony Fokker als Teilhaber ins Leben gerufen, als kriegsbedingte Zwangsfusion von den Militärbehörden. 1919 endete die Zusammenarbeit. Dass er die Novemberrevolution befürwortete, zeigt sein Zitat: „Krieg und Revolution sind uns bekommen wie ein reinigendes Gewitter.“

Die Flugzeugproduktion in Deutschland wurde aufgrund des Versailler Vertrages zwischen 1920 und 1922 gestoppt. Dennoch gründete Junkers 1921 die Fluggesellschaft Junkers Luftverkehr AG. Trotz ihrer enormen Bedeutung litt sie jedoch bald unter Finanzproblemen und fusionierte unter Anleitung der Weimarer Regierung mit der Deutschen Aero Lloyd, woraus die neue „Luft Hansa“ entstand.

Was gab ihm Kraft? Welche Charaktereigenschaft stach hervor?

Junkers wollte stets besser sein als andere. Sein sportlicher und beruflicher Ehrgeiz war riesig. Auf der anderen Seite war er seit Kindheit ein Eigenbrötler, der sich gerne mit anderen anlegte: „Ich werde noch im Grab mit den Würmern kämpfen“, soll er gesagt haben. 1919 konnte er den Beweis liefern, dass Metallflugzeuge die Zukunft darstellten: Seine F 13 aus Aluminium-Wellblech flog fast 6800 Meter hoch – Weltrekord. Sein Ehrgeiz trieb ihn nur noch weiter an.

Was ist aus seinen Ideen geworden?

Wenige Jahre vor seinem Tod eilte er von Erfolg zu Erfolg: 1927 erreichten seine Flugzeuge 33 Weltrekorde, darunter ein Non-Stop-Flug mit rund 62 Stunden. Das Modell „Bremen“ überquerte 1928 in 36 Stunden den Atlantik. Und schließlich entstand mit der JU 52 Anfang der 1930er Jahre ein Flugzeugtyp, der zum Klassiker des 20. Jahrhunderts wurde.

Lebenslauf von Hugo Junkers

  • 1859 3. Februar: Geburt in Rheydt als Sohn eines Fabrikanten
  • 1878-1883 Studium an den TH Charlottenburg und Aachen
  • 1892 Herstellung des ersten Zweitakt-Gegenkolben-Gasmotors
  • 1894 Entwicklung des ersten Gasbadeofens
  • 1895 Gründung der Firma „Junkers & Co“ in Dessau
  • 1897-1912Professor für Maschinenbau und Thermodynamik TH Aachen
  • 1898 Heirat mit Therese Bennhold 1915 Entwicklung des ersten Ganzmetallflugzeugs (J 1)
  • 1919 Gründung der Junkers-Flugzeugwerke AG in Dessau, Bau der F 13
  • 1923 Gründung der „Junkers Motorenbau GmbH“ (Jumo) in Dessau
  • 1926 Junkers Luftverkehr AG geht in der Deutschen Lufthansa AG auf
  • 1933 Übereignung seiner Patente und Aktien unter Zwang an das Deutsche Reich
  • 1935 3. Februar: Tod in Gauting bei München

Am 22. März 1932 musste Hugo Junkers, gebeutelt von der Wirtschaftskrise, für seine komplette Unternehmensgruppe Insolvenz anmelden. Die einzelnen Firmen wurden verkauft, unter anderem der Gasofenhersteller Junkers & Co. für 2,6 Millionen Reichsmark an Bosch. Die Einnahmen bewahrten den Flugzeug– und Motorenbau zunächst vor fremdem Zugriff. Die Nazis akzeptierten den Demokraten nicht als Kopf eines wichtigen deutschen Unternehmens. Im Oktober 1933 wurde Junkers angewiesen, seine privaten Patente auf sein Unternehmen zu überschreiben, das vom Reich beschlagnahmt wurde. Als er sich weigerte, erhielt Junkers Hausverbot in seinen Werken, musste Dessau verlassen und wurde in München unter Hausarrest gestellt, wo er 1935 starb und auf dem Waldfriedhof beigesetzt wurde.

Was bleibt von ihm?

Junkers war ein ethischer Kapitalist. In seinem Tagebuch schrieb er: „Das Kapital, die Fabrik … sehe ich nicht als mein Privateigentum an, sondern als das aller Beteiligten, vom Leiter bis zum letzten Lehrjungen.“ Nach seinem Tod verkaufte seine Witwe die übrigen Firmenanteile für rund 30 Millionen Mark an Görings Luftfahrtministerium. Seinen Namen ließen die Nazis ihm letztlich noch: So entstand 1936 in Dessau die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG. Im Dessau arbeiteten im Dritten Reich bis zu 40 000 Personen für das Unternehmen, auch in Zwangsarbeit. Nach dem Krieg zog die AG nach München um, bis nach verschiedenen Übernahmen die Werke schließlich im Daimler-Benz-Konzern aufgingen. Heute sind in Deutschland zahlreiche Schulen und Straßen, darunter auch in Köln, nach ihm benannt. Besonders intensiv widmet sich das Technikmuseum „Hugo Junkers“ auf dem früheren Werksgelände in Dessau dem Flugzeugkonstrukteur. Sein Grabstein zeigt einen fliegenden Ikarus in Begleitung mehrerer Adler mit dem Spruch „Näher dem Adler – Näher der Sonne – Näher den Sternen“.

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