Erfolgsserie ausgebautBayer 04 Leverkusen bleibt dank Andrich ungeschlagen

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Robert Andrich trifft  (2nd R) in der letzten Minute der Nachspielzeit zum 2-2 für Leverkusen.

Robert Andrich trifft (2nd R) in der letzten Minute der Nachspielzeit zum 2-2 für Leverkusen.

Bayer 04 Leverkusen hat wieder Last Minute zugeschlagen und mit einem Tor in der sechsten Minute der Nachspielzeit gegen den VfB Stuttgart die erste Saisonniederlage abgewendet. 

Der Wahnsinn will einfach kein Ende nehmen. Bayer 04 Leverkusen sah wieder wie der Verlierer aus, lag in der sechsten Minute der Nachspielzeit mit 1:2 gegen den VfB Stuttgart in Rückstand und zog doch noch den Kopf aus der Schlinge. Ein letzter, von Florian Wirtz getretener Ball, segelte in den Strafraum der Schwaben und Sekunden später glich die BayArena einem Tollhaus. Die Last Minute-Experten von der Dhünn hatten durch Robert Andrich wieder zugeschlagen und ihre unfassbare Erfolgsserie mit dem 16. Treffer in diesem Jahr in der Nachspielzeit verteidigt. Das 2:2 (0:0) nach 0:2-Rückstand war das 46. Pflichtspiel der Werkself in dieser Saison ohne Niederlage.

„Ich habe einfach draufgehalten. Wir glauben einfach immer bis zum Ende dran“, fand auch Andrich kaum Erklärungen für die Unbesiegbarkeit seiner Leverkusener. Für Bayers Sechser war es der zweite Glücksmoment in dieser Woche, nachdem er zum zweiten Mal Vater geworden war.

Bayer-Coach Xabi Alonso setzte auch im ersten Heimspiel der Vereinsgeschichte als Deutscher Meister auf Rotation. Wie erwartet rückte der Exequiel Palacios für den gelbgesperrten Granit Xhaka auf die Doppelsechs neben Robert Andrich. Im Vergleich zum 1:1 in Dortmund standen zudem Odilon Kossounou, Amine Adli und Patrik Schick neu in der Startelf.

Florian Wirtz zunächst für Rom geschont

Florian Wirtz nahm wie beim BVB zunächst auf der Bank Platz. „Er hat in Dortmund einen kleinen Schlag abbekommen und nicht so viel trainiert“, erklärte Alonso. Vor dem Halbfinal-Hinspiel der Europa League am Donnerstag bei AS Rom war also erstmal Schonung für den 20-jährigen Nationalspieler angesagt. 

Die Abwesenheit von Xhaka warf auf Seiten der Gastgeber die meisten Fragen auf. Der Schweizer fehlte am 31. Spieltag erstmals und mit ihm die Schaltzentrale und der verlängerte Arm des Trainers im Bayer-Zentrum. Palacios beantwortete die Fragen zunächst weltmeisterlich. Der Argentinier schwang sich schnell zum Dreh- und Angelpunkt der Leverkusener auf, ohne seine größte Stärke, das Gegenpressing zu vernachlässigen. Xhakas Aura konnte er allerdings nicht eins zu eins ersetzen.

Die Leverkusen-Spieler feiern mit ihren Fans.

Die Leverkusen-Spieler feiern mit ihren Fans.

Der VfB hatte Bayer 04 in dieser Saison sowohl beim 1:1 im Hinspiel als auch im Viertelfinale des DFB-Pokals (2:3) an den Rand einer Niederlage gebracht. Der Tabellendritte zeigte auch diesmal, dass er versäumtes nachholen wollte und gleichzeitig das erste Team in dieser Saison sein wollte, das Leverkusen besiegt. 14 Minuten waren gespielt, als Serhou Guirassy die Führung für die Schwaben auf dem Kopf hatte. Der 25-Tore-Stürmer setzte die Flanke von Leonidas Stergiou allerdings aus fünf Metern knapp rechts vorbei. 

Der Meister kombinierte sich über Jonathan Tah, Odilon Kossounou und Palacios zwar immer wieder geschickt aus dem Stuttgarter Pressing, kam aber nur schwer in die letzte Linie. Erst als Andrich einen Vertikalpass auf Alejandro Grimaldo wagte, wurde es gefährlich. Der Spanier scheiterte an VfB-Keeper Alexander Nübel. Patrik Schick zeigte beim Abpraller zwar Reaktionsschnelligkeit, setzte den schwer zu nehmenden Ball aber knapp über den Kasten (29.). 

Taktik prägt die erste Halbzeit des Topspiels

Eine Chance auf jeder Seite war alles, was es für die 30.210 Zuschauer in der BayArena in der ersten Halbzeit offensiv zu sehen gab. Das Publikum hatte sich beim Topspiel Erster gegen Dritter sicher mehr erhofft. Auch, weil es für beide Teams tabellarisch um nicht mehr allzu viel geht und anstelle von reichlich Taktik ein offeneres Visier möglich gewesen wäre.  

So sorgte nur noch ein Scharmützel zwischen Kossounou und Nationalspieler Deniz Undav für Aufregung. Beide sahen für ihre Einlage mit Trikotziehen, Bodychecks und Schubsen vor den Trainerbänken vom insgesamt schwachen Schiedsrichter Felix Zwayer die Gelbe Karte (41.). 

Im Hinblick auf in die Europa League nahm Alonso zur Pause auch noch den bis dahin souveränen Abwehrchef Jonathan Tah aus dem Spiel und brachte Piero Hincapie. Bayer 04 hatte sich neu noch nicht neu sortiert, als der VfB zuschlug. Jamie Leweling nutzte nach einem Traumpass von Waldemar Anton einen groben Stellungsfehler von Grimaldo und zog vor rechts ab. Leverkusens Torwart Lukas Hradecky lenkte den Ball zwar noch irgendwie mit dem Fuß an den Pfosten, gegen den konsequenten Nachschuss von Chris Führich war er dann aber machtlos (47.). Kossounou hatte den Nationalspieler aus den Augen verloren.  

Nach dem 0:2 mussten wir ein paar Minuten schlucken.
Robert Andrich, Leverkusens Torschütze zum 2:2

Es sollte nicht die letzte Fehlerkette der Alonso-Elf bleiben. Als sich Hradecky einen ungenauen Abstoß ins Zentrum leistete und Andrich in der Folge vor dem eigenen Strafraum ein Luftloch schlug, bedankte sich Undav mit dem 0:2 (57.). Guirassy hatte dann sogar das 0:3 auf dem Fuß, schoss aber frei stehend links vorbei (60.). „Nach dem 0:2 mussten wir ein paar Minuten schlucken. Ich auch nach meinem Fehler. Dann haben wir aber gezeigt, dass wir nicht verlieren wollen“, sagte Andrich.

Amine Adli trifft schnell zum 1:2-Anschluss

Es waren wieder einmal die Leverkusener Nehmer-Qualitäten gefragt. Immerhin ging es darum, auch im 46. Pflichtspiel der Saison ungeschlagen zu bleiben. Eine Aussicht, die den Tabellenführer anstachelte. Es dauerte auch nur sechs Minuten, bis dem Traum von der ungeschlagenen Meisterschaft wieder Leben eingehaucht war. Grimaldo entdeckte Amine Adli an der Strafraumgrenze und der Franzose verkürzte mit einem beherzten Linksschuss durchs Antons Beine auf 1:2 (62.). 

Der Treffer entfesselte die Hausherren sofort. Angriff auf Angriff rollte auf das Stuttgarter Tor. Nübel verhinderte mit einer sensationellen Doppel-Parade gegen Adli und Jonas Hofmann den Ausgleich (65.). Hätte Jeremie Frimpong auf der rechten Leverkusener Seite nicht einen Abend mit vielen falschen Entscheidungen erwischt, der VfB wäre noch mehr ins Schwimmen geraten.

Die Gäste konnten sich wieder etwas befreien und hatten durch Führich die Chance auf das dritte Tor (73.). Auf der anderen Seite wechselte Alonso Florian Wirtz und Victor Boniface ein (74.). Ein klares Signal, dass die Unbesiegbarkeit für Bayer 04 eine große Bedeutung hat.  Vier Minuten später lag der Ball tatsächlich zum zweiten Mal im Stuttgarter Tor. Kossounous Treffer war allerdings eine Abseitsstellung von Edmond Tapsoba vorausgegangen (78.). 

Bei mir geben langsam die hinteren Oberschenkel nach, wenn ich so viel sprinten muss. Aber ich mache das gerne.
Lukas Hradecky; Torwart Bayer Leverkusen über seine Spurts zu den jubelnden Mitspielern

Die ultimative Leverkusener Niederlage lag weiter in der Luft und Guirassy hätte sie amtlich machen können, scheiterte aus fünf Metern aber an einem Krakenarm von Hradecky (87.). Die Last Minute-Experten blieben im Spiel und wurden ihrem Ruf tatsächlich wieder gerecht.  Robert Andrich stand bei der letzten Aktion des Spiels nach dem Freistoß von Florian Wirtz einfach goldrichtig und traf mit links zum 2:2 (90.+6). Während sich die Stuttgarter fassungslos anschauten, feierte der Meister das nächste Kapitel seiner unglaublichen Saison. 

„Wahnsinn, ich kann das nicht mehr in Worte fassen. Bei mir geben langsam die hinteren Oberschenkel nach, wenn ich so viel sprinten muss. Aber ich mache das gerne. Jetzt fehlen uns nur noch drei Bundesligaspiele“, sagte Lukas Hradecky zum Spurt zu seinen jubelnden Teamkollegen und lobte dann den Gegner für ein in der zweiten Halbzeit spektakuläres Fußballspiel: „Sie spielen eine tolle Saison. Wenn ich es einer Mannschaft gewünscht hätte, uns zu besiegen, dann dem VfB.“


Spielstatistik:

Bayer Leverkusen: Hradecky; Kossounou, Tah (46. Hincapie), Tapsoba; Frimpong (89. Stanisisc), Palacios, Andrich, Grimaldo (89. Tella); Hofmann (74. Wirtz), Schick (74. Boniface), Adli. - VfB Stuttgart: Nübel; Stergiou (81. Roault), Anton, Ito; Leweling (90.+1 Stenzel), Karazor, Millot (74. Dahoud), Mittelstädt; Undav (74. Wooyeong), Guirassy, Führich (81. Silas). - SR.:  Zwayer (Berlin). - Zuschauer: 30.210 (ausverkauft). - Tore: 0:1 Führich (47.), 0:2 Undav (57.), 1:2 Adli (62.), 2:2 Andrich (90.+6). - Gelbe Karten:  Palacios, Kossounou, Andrich, Hincapie, Alonso; Undav, Millot, Mittelstädt, Hoeneß. 

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