Tagesthema vom 24. MärzKVB soll Bauaufsicht entzogen werden

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Arbeitsstelle Unglücksort: Hunderte Helfer kämpfen sich immer noch durch den Bauschutt. (Bild: dpa)

Arbeitsstelle Unglücksort: Hunderte Helfer kämpfen sich immer noch durch den Bauschutt. (Bild: dpa)

Köln – Die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) sollennicht länger für den Bau der Kölner U-Bahn verantwortlich sein, indem offenbar der Grund für den Einsturz des Stadtarchivs liegt. NachInformationen der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post"(Dienstagausgabe) plant der Kölner Stadtrat einen Beschluss, der dieÜberwachung der weiteren Bauabeiten auf das städtische Amt fürBrücken- und U-Bahnbau übertragen soll.

Der Vorsitzende SPD-Fraktion im Kölner Stadtrat, Martin Börschel,kündigte eine Stellenplanänderung bei der Stadtverwaltung an. "Sowollen wir die Einstellung zusätzlicher Ingenieure ermöglichen",sagte der Politiker der Zeitung. "Der Fehler, dass sich der BauherrKVB selbst kontrolliert, darf sich nicht wiederholen." Für dieInitiative gebe es eine breite Mehrheit im Kölner Stadtrat.

Eine Absenkung von sieben Millimetern - das erscheint dem Vermessungstechniker der Stadt bemerkenswert. Nach seiner Kontrolle des Historischen Stadtarchivs am 5. Februar informiert er die Arbeitsgemeinschaft der Bauunternehmen (Arge), die tags zuvor gemessen hatte. Diese überprüft daraufhin erneut den Messpunkt und bestätigt das Ergebnis des Mitarbeiters.

Der Kölner Liegenschaftsdezernent Norbert Walter-Borjans schildert gestern diesen Ablauf. Im Vergleich zur Nullmessung zu Beginn des U-Bahn-Baus war das Archiv damit auf der Vorderseite um 20 Millimeter, auf der Rückseite um 17 Millimeter abgesackt. Von Anfang Februar bis bis zum 2. März, einen Tag vor dem Einsturz, habe die Arge noch mehrfach gemessen, aber keine weitere Absenkung festgestellt.

Allein das Absacken hätte laut Experten die Fachleute hellhörig werden lassen müssen. 20 und 17 Millimeter, „das schlägt nicht völlig aus dem Rahmen, aber es ist im oberen Bereich“, sagt Günther Meschke von der Ruhr-Uni Bochum. Laut Kölner Verkehrsbetrieben (KVB) bewegte sich diese Absenkung im noch zu tolerierenden Bereich. Für weit gravierender hält der Statikprofessor die 7-Millimeter-Absenkung, die sich innerhalb eines Tages eingestellt hatte. Die KVB teilten gestern mit, dies werde noch „fachlich geprüft“.

„Da müssen die Alarmglocken angehen“, sagt ein Fachmann, der nicht namentlich genannt werden will. „Da passiert etwas im Baugrund.“ Eine „ruckartige Bewegung“, die hätte untersucht werden müssen. Als Ursache käme nur eine Verformung der Bau- oder Schlitzwand in Frage oder aber eine Bodenbewegung hinter der Wand. Und dies bei erheblichen Wassermengen. Denn schon im September 2008 war es zu einem „hydraulischen Grundbruch“ gekommen. Laut KVB-Bauprotokoll vom 17. Februar, also nach den ermittelten Absenkungen, dringen weiter „größere Mengen Wasser“ in die Baugrube ein, es kommt aber „zu keiner Zeit zu Ausspülungen an den undichten Schlitzwänden“. Demnach wird also kein Erdreich ausgeschwemmt.

3000 so genannte System-Messpunkte hat die Stadt laut Walter-Borjans vor Beginn der Bauarbeiten entlang des geplanten Trassenverlaufs eingerichtet. Intensive Messungen gab es laut KVB während des Tunnelbaus, weitere „in Abhängigkeit des Baufortschritts“.

Die Messungen habe während der Bauarbeiten die jeweils zuständige Arge vorgenommen. Die Aufgabe des Technikers, den die Stadt im Rahmen eines Dienstleistungsvertrages 2003 an die KVB „ausgeliehen“ habe, sei es gewesen, die Kontrollmessungen stichprobenartig sowie auf Auftrag zu überprüfen. „Es oblag ihm aber nicht, Ergebnisse zu bewerten“, unterstreicht Walter-Borjans.

Der Vermessungstechniker ist - das belegen die Protokolle - auch bei den Baustellenbesprechungen zugegen gewesen, bei denen der „hydraulischen Grundbruch“ im September erwähnt wurde. „Eine mögliche Brisanz hat er aber nicht erkannt und auch nicht erkennen können“, betont der Dezernent.

Einig sind sich alle befragten Fachleute: Sieben Millimeter sind in jedem Fall ein Grund, genau hinzusehen. „Das System hat dadurch noch nicht versagt, aber es ist schon signifikant“, sagt Klaus Buschhüter vom Geologischen Dienst NRW. „Das kann nicht Ergebnis einer bestimmten Baustufe sein.“ Man müsse in so einem Fall alle Informationen zusammen sehen, etwa auch prüfen: Welche Kräfte drücken auf die Schlitzwand?

Professor Bernhard Steinauer, Bauingenieur von der RWTH Aachen, will nicht ausschließen, das beim Gießen der Schlitzwände größere Bodenstücke in die flüssige Betonmasse gelangt sein könnten. Möglicherweise sei so eine Schwachstelle im Material entstanden. Bei einer sich abzeichnenden Gefährdungslage, bei der das Erdreich durch den Boden einzudringen droht, hätte man unter anderem eine Vereisung des Unterboden vornehmen können. Dieses Vorgehen sei allerdings teuer. Die KVB erklärten dazu, Verfahren wie eine Vereisung oder das Gießen einer Betonsohle „können nicht beliebig an einer Baustelle eingesetzt werden“.

Auf die Frage, wer seitens der KVB an der Baustelle Waidmarkt die Bauüberwachung und die Bauaufsicht führte, erklärten die KVB, zuständig seien Ingenieure und Techniker der KVB gewesen. Details zu den Zuständigkeiten vor Ort ließen die Verkehrsbetriebe allerdings unbeantwortet.

Auch zu anderen drängenden Fragen gab es keine Erklärung. Danach gefragt, wann der KVB-Aufsichtsrat und der Vorstand vom ersten hydraulischen Grundbruch informiert wurden und von wem, hieß es lapidar: Hier erfolgt noch eine Klärung. Auf einer Sitzung des Aufsichtsrats am 8. Dezember soll der hydraulische Durchbruch thematisiert worden sein. Dies wollten die KVB weder bestätigen noch dementieren. Keine Auskunft gab es auch bezüglich der erstellten Bau-Protokolle. Wie oft sie erstellt wurden, wer sie im zu sehen bekam und welche Berichtspflichten es diesbezüglich bei den KVB gibt - die Fragen sind noch in der Klärung.

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