Karneval in KölnEhemaliger Querbeat-Trompeter leitet traditionsreiche Saalkapelle - Tusch statt Randale

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Matthias Heßeler bei der Prinzenproklamation im Januar 2024 im Gürzenich.

Matthias Heßeler bei der Prinzenproklamation im Januar 2024 im Gürzenich.

Matthias Heßeler war 15 Jahre Trompeter bei Querbeat, seit 2021 leitet er das Orchester Helmut Blödgen.

Am besten ist Matthias Heßeler, wenn er und sein Team gar nicht auffallen. So wie eine gute Filmmusik, die das Geschehen auf der Leinwand perfekt abgestimmt begleitet, Stimmungen aufgreift, Stimmung entstehen lässt, Spannung, Dramatik und Emotionen erzeugt. Der feine Unterschied zur Kino-Leinwand: Die Filme, in den Heßeler mitspielt, sind nicht nach anderthalb oder zwei Stunden vorbei. Sie dauern im Normalfall gut sechs Stunden. Sechs Stunden höchste Konzentration, sechs Stunden unter Dauerstrom. Matthias Heßeler leitet seit 2021 das Orchester Helmut Blödgen, das jedes Jahr über 100 Karnevalssitzungen und andere Veranstaltungen im Fastelovend als Saalkapelle begleitet.

Spannend ist die Vergangenheit, die Heßeler in seinen neuen Job einfließen lässt. 15 Jahre lang, von 2002 bis 2017, war der 37-Jährige Teil der Band Querbeat. Die Trompete ist geblieben, Tusch statt „Randale und Hurra“ heißt es für ihn nun aber. Unter seine Zeit bei Querbeat zog Heßeler einen Schlussstrich als klar wurde, dass das Projekt durch die Decke gehen würde. Die Band hatte gerade die erste größere Deutschland-Tour hinter sich gebracht. Es deutete sich an, dass die Wege in Zukunft eher länger als kürzer werden würden. „Das war dann eine ganz klare familiäre Entscheidung, dass das nichts für mich war. Ich wollte abends nach Hause kommen und die Kinder morgens für die Schule und den Kindergarten fertigmachen.“

Matthias Heßeler stand 15 Jahre lang mit Querbeat auf der Bühne.

Matthias Heßeler stand 15 Jahre lang mit Querbeat auf der Bühne.

Ein Jahr später begann das neue Kapitel. Helmut Blödgen, der den Karneval mit seinem Orchester über zwei Jahrzehnte lang prägte, war auf der Suche nach einem Nachfolger und hatte dabei Heßeler im Kopf, der dem Orchester schließlich 2018 beitrat. „Von Helmut habe ich unfassbar viel gelernt. Er hat einige Revolutionen im Karneval miterlebt. Er hat ein unheimliches Gespür für die Entwicklungen im Karneval und obwohl man in diesem Geschäft unter wahnsinnigem Druck steht, war er immer mit dem Herz dabei.“

Seinen lange geplanten Abschied von der Bühne wollte Blödgen eigentlich 2023 im großen Jubiläumsjahr des Karnevals feiern. Seine Gesundheit hatte andere Pläne, ein Herzinfarkt zwang ihn im Herbst 2021 zum vorzeitigen Aus. „Auch wenn die Übergabe im Ansatz schon vorbereitet war, war ich erst einmal erschlagen, die ganze Verantwortung zu haben.“ Eine der größten Herausforderungen musste sich der neue Chef gleich zu Beginn bei der Corona-Prinzenproklamation 2021 stellen: Stimmung verbreiten in einem Saal ohne Publikum.

Orchester Helmut Blödgen: 70 Musikerinnen und Musiker im Tagesgeschäft

Auf einmal stand Heßeler an der Spitze von rund 70 Orchester-Mitgliedern. Zehn Musikerinnen und Musiker gehören zu einem Ensemble: drei Trompeten, zwei Saxofone, eine Posaune, Gitarre, Bass, Schlagzeug und Klavier. In der Hochphase der Session ist das Orchester Helmut Blödgen mit bis zu fünf Besetzungen gleichzeitig in unterschiedlichen Sälen unterwegs, in Ausnahmefällen sogar mit sieben.

Als neuer Mann an der Spitze der traditionsreichen Institution hat Heßeler bereits vieles in Bewegung gesetzt. „Vorher war es üblich, dass Frauen nicht in diesen Ensembles spielen“, erinnert er sich. Nicht mehr zeitgemäß, fand der studierte Trompeter und brach mit der eingerosteten Tradition. „Insgesamt sind wir jünger und offener geworden. Der Blick muss auch im Sitzungskarneval nach vorne gehen. Wir versuchen immer, die Brücke zur Tradition zu schlagen, aber es braucht diesen Generationenwechsel.“ Die Lieder von Willi Ostermann, Karl Berbuer und Jupp Schmitz werden auch in Zukunft in den Sälen ertönen. „Doch wir werden zusehen, die Moderne nicht zu vergessen und einen moderneren Sound reinzubringen.“

Elternzeit-Vertretung bei Querbeat

Manchmal vermisst Heßeler die wilden Zeiten mit Querbeat, schon zweimal sprang er in der 13-köpfigen Formation als Elternzeit-Vertretung ein und würde auch heute jederzeit wieder mit auf die Bühne gehen. „Es ist völlig in Ordnung, dass diese Zeit vorbei ist. Aber es ist das klassische lachende und weinende Auge, mit dem ich auf diese Zeit zurückblicke.“

Aufregend und herausfordernd ist aber auch der Job mit der Saalkapelle. „Natürlich kennen wir die Bands und Redner und wissen, welches Programm sie mitbringen. Trotzdem sind die Konstellationen immer wieder neu.“ Bei manchen Bands kann das Orchester entspannen und einfach mal zuhören. Andere, wie die Bläck Fööss oder die Höhner, bringen Noten für die Bläser mit, die dann unterstützend eingreifen. Die Redner verlassen sich auf den Tusch zur richtigen Zeit, alle Künstler erwarten einen stimmungsvollen Einmarsch.

Um das perfekte Timing und hunderte passende Entscheidungen pro Abend zu treffen, ist eine akribische Vorbereitung nötig. Sobald sich ein Programmpunkt verzögert, weil etwa eine Band im Verkehr feststeckt, muss das Orchester sein ganzes Repertoire abrufen. „Wir müssen in der Lage sein, mal eben eine Stunde Programm zu überbrücken“, erzählt Heßeler. „Wenn wir dann aber mal die Möglichkeit bekommen und zeigen können, was wir draufhaben, wird das meist sofort dankend angenommen. Da kriegen wir dann schon viele positive Rückmeldungen.“ Wenn es nötig ist, kann Heßeler auch ein 40-köpfiges Sinfonie-Orchester auf die Bühne bringen, zuletzt etwa bei der „Draumnaach“ der Roten Funken. Auch zur Partyband mit zwei Sängern kann sich das Orchester Helmut Blödgen transformieren. Ganz ohne ein bisschen „Randale und Hurra“ geht es schließlich nicht bei Matthias Heßeler.

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