Zeitreise-TourSo lief das erste BAP-Konzert im Sartory

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Niedeckens BAP

Natürlich drei Stunden auf der Bühne: Wolfgang Niedeckens BAP im Sartory

Es war ein nostalgischer Abend: BAP spielte die Erfolgsalben von 1981 und '82 vor 1500 Besuchern.

Sticker mit der Friedenstaube fanden sich nicht auf den Autos in der Friesenstraße. Auch Anti-Awk-Aufkleber waren auf den umliegenden Fahrrädern nicht zu erkennen. Aber ganz sicher dürfte der ein oder andere Anhänger der „Grannies for future“ vorm „Sartory“ in der Schlange gestanden haben. Wolfgang Niedecken spielte das erste seiner vier „Zeitreise“-Konzerte im altehrwürdigen Saal. Und es wurde wie erwartet ein Abend voller Sentimentalitäten.

„Koot vüür Aach“ eröffnete um 8 Uhr den Abend, in dem Niedecken wie bei so manchem Song in dieser Zeit von Ehrfurcht und Unsicherheit im grellen Scheinwerferlicht singt. Es ist eins der Stücke, das der Sänger nach eigenem Bekunden noch nie live gespielt hat. Und es ist der fast zwangsläufige Opener, bevor es dann im Schnelldurchgang durch die Erfolgsalben der Jahre 1981 und '82 geht. Der 72-Jährige kehrt zurück an den Ort, an dem die verrückten Südtstadt-Musiker ihre ersten großen Konzerte spielten und selbst nicht recht wussten, wie das alles mit ihnen passieren konnte.  

Es war wohl weniger der musikalische Genius, sondern das, was mit Authentizität schon viel zu akademisch beschrieben ist. Niedecken rockte und schrieb Texte, wie ihm der kölsche Schnabel gewachsen war. Nicht verbissen, sondern, wie sein großes Vorbild, Bob Dylan, mit gutem Gespür für die Menschen und einem Blick für die Unzumutbarkeiten des Lebens. All dem spürt die Band im mit 1500 Fans prall gefüllten Saal nach an diesem Abend. „Südstadt verzäll nix“, „Waschsalon“ und das später auf dem Live-Album veröffentlichte „Nemm mich met“ geben den Rhythmus vor, es darf gerockt werden, auch ohne die große Bühnengeste.

Niedeckens BAP (Kölschrockband)
"Zeitreise 81/82"

Ganz nah dran: Wolfgang Niedeckens im engen Sartory-Saal.

Der Sänger bekennt, dass manche Positionen aus den frühen 80er heute nicht mehr zu halten sind. „Der naive Pazifismus allein reicht nicht“, sagt er, und sagt leise sorry zu den Karnevalisten, denen er in „Nit für Kooche“ eine ordentliche Breitseite gegeben hat damals. „Ich bin immer noch etwas auf Distanz zum Karneval.“ Aber die Töchter feiern halt so gerne. Da machste nix.  Der Saal ("Das Wohnzimmer des großen Hans Süper") schunkelt zum ersten Teil des Klassikers. Altersmilde kann etwas sehr Wohltuendes haben.

Kein Lied ist jünger als 40 Jahre an diesem Abend, das ist die Regel. Niedecken hatte angekündigt, das Frühwerk behutsam zu überarbeiten, aber es sauber zu spielen. Das gelingt leicht, da die Musiker auf der Bühne heute, das darf man wohl sagen, deutlich begabter sind als die Originalbesetzung. Durch das Bläsertrio, das nun fest zur Band gehört, bekommen Stücke wie „Frau ich freu mich“ deutlich mehr Volumen. Der „Jupp“ wird seit Jahren auf jeder Tour auf neue Höhen gehoben. Der ein oder andere dürfte den garagenartigen Originalklang etwa bei der Widerstandshymne „10. Juni“ vermisst haben. Am intimsten sind die sanften Stücke im „Sitzblock“ in der Mitte des Konzertes. „Carmen“ ist natürlich dabei, aber auch „Fuhl am Strand“ oder „Hundertmohl“ (vom Live-Album „Bess demnähx“). Es sind Songs, die auf der Bühne meist durchs Rost gefallen sind, weil Klassiker wie „Do kann zaubere“ nicht fehlen dürfen.

Der naive Pazifismus allein reicht nicht. Das muss ich heute anerkennen.
Wolfgang Niedecken

Niedecken ist schlau genug, um seiner Band genug Raum auf der Bühne zu geben. Keyboarder Michael Nass, Trommler Sönke Reich, Violinistin Anne de Wolff, Bassist Werner Kopal und vor allem Gitarrist Ulrich Rode haben auf dieser „Zeitreise“ ganz viele eigene Momente, wenn sie das Frühwerk ihrer Bandvorgänger neu vertonen. Das Publikum schmettert textsicher nicht nur „Verdamp lang her“, den „Müsli-Män“ und „Ne Schöne Jroos“. Es ist auch für viele Besucher eine Reise zurück in die jüngeren Jahre. Die liebevoll gestaltete Hardcover-Karte darf gerne an den heimischen Kühlschrank. Noch dreimal spielt BAP dieses Set im intimen Ambiente, es soll einen Live-Tonträger geben, bevor das Programm im Herbst kommenden Jahres republikweit und dann erneut zweimal in Köln, in der Lanxess-Arena, zu hören sein wird.

Der Abend endet ganz leise mit „Et letzte Leed“, bevor Niedecken noch einmal allein auf der Bühne steht. Akustikgitarre und Mundharmonika und ein Song, der älter ist als die Band selbst. „Helfe kann dir keiner“ hat Niedecken in der Teutoburger Straße vor sich hingeklimpert, bevor Schmal Boecker hereinkam und sagte: „Das ist gut. Da können wir eine Band draus machen.“ Und so verlässt wohl nicht nur der Sänger den Saal mit dem Gefühl, dass die alten Zeiten zwar nicht zurückkommen, aber vielleicht nicht so schlecht waren.


BAP-Zeitreise: Das ist die Setliste 

31 Songs spielte Wolfgang Niedecken am ersten Abend im Sartory. 21Stücke stammen von den beiden Erfolgsalben „Für Usszeschnigge“ und „Von drinne noh drusse“. Weitere Titel kommen vom ersten Live-Album „Bess demnähx“ und den ersten beiden Alben „Affjetaut“ und „Wolfgang Niedeckens BAP rockt andere kölsche Leeder“.

Achtung: Wer ein Konzert der Tour besuchen möchte, sollte nun vielleicht lieber aufhören zu lesen. Für alle anderen hier die Setliste der Sartory-Abende:

1) Koot vüür Aach, 2) Südstadt verzäll nix, 3) Nemm mich met, 4) Wo mer endlich Sommer han, 5) Waschsalon, 6) Ens em Vertraue, 7) Nit für Kooche, 8) Ahn 'ner Leitplank, 9) Wellenreiter, 10) Müsli-Man, 11) 10. Juni, 12) Wenn et bedde sich lohne däät, 13) Kristallnaach, 14) Carmen, 15) Weißte noch, 16) Fuhl am Strand, 17) Hundertmohl, 18) Jupp, 19) Ne schöne Jrooß, 20) Verdamp lang her, 21) Frau ich freu mich, 22) Do kanns zaubere, 23) Su 'ne Morje 24) Wie ne Stein, 25) Jraaduss, 26) Anna, 27) Stell Dir vüür, 28) Wahnsinn, 29) Häng de Fahn eruss, 30) Et letzte Leed, 31) Helfe kann Dir keiner.

Bis Sonntag spielt die Band noch drei weitere Konzerte im Sartory. Beide Termine sind ausverkauft. Im November beginnt dann die Deutschland-Tour in Augsburg. Für die Lanxess-Arena sind zwei weitere Kölner Termine eingeplant: am 12. und 13. Dezember.

Die Spielregeln der „Zeitreise“ bleiben gleich: Kein Song darf jünger als 40 Jahre sein. Das eröffne für die Tour neue Möglichkeiten, erklärte Wolfgang Niedecken im Rundschau-Interview augenzwinkernd. Das fünfte Album „Zwesche Salzjebäck un Bier“ wurde im Mai 1984 veröffentlicht. (mft)

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