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Grundsatzrede bei USA-BesuchPistorius fordert Wehrpflicht – und lässt seine Übersetzerin kurz verzweifeln

Lesezeit 4 Minuten
Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, spricht zu den Journalisten auf dem Freedom Plaza in Washington.

Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, spricht zu den Journalisten auf dem Freedom Plaza in Washington.

Boris Pistorius formuliert eine gewichtigere Rolle Deutschlands, kündigt eine HIMARS-Lieferung an und sorgt für einen kuriosen Moment.

Verteidigungsminister Boris Pistorius hat in Washington versichert, dass Deutschland zu einer sicherheitspolitischen Führungsrolle in Europa bereit ist und die militärischen Fähigkeiten dafür bereitstellen wird. „Lassen Sie uns – die USA und Deutschland zusammen – die Zukunft gestalten zusammen mit all denen, die für Freiheit, Frieden und die regelbasierte internationale Ordnung stehen“, sagte der SPD-Politiker in einer Grundsatzrede an der renommierten Johns-Hopkins-Universität.

„Wir können nicht einfach zusehen und abwarten, wie das Völkerrecht, unsere Ordnung und unsere Werte zerstört werden“, führte Pistorius aus. Das gelte „weltweit“, aber besonders für „die Krisenherde in Afrika, im Nahen Osten und im indopazifischen Raum und das gilt auch für die Ukraine.“ Der Verteidigungsminister kündigte zudem die Lieferung von drei weiteren HIMARS-Raketenwerfersystemen an die Ukraine an.

Pistorius betont neuen Kurs nach russischer Invasion

Deutschland sei ein standfester Verbündeter und fähig und bereit, seine Aufgabe im Bündnis und in der globalen Politik zu übernehmen. Der Verteidigungsminister wollte sein Reiseprogramm im Anschluss in Kanada fortsetzen. Er wollte noch heute in Ottawa seinen Amtskollegen Bill Blair treffen, nachdem er in Washington mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin im Pentagon gesprochen hatte.

Pistorius erläuterte in Washington den neuen, als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, veränderten Kurs Deutschlands. Deutschland sei inmitten eines militärischen Aufbauprozesses und habe lange gepflegte Zurückhaltung aufgegeben – wie bei der Lieferung von Waffen in Kriegsgebiete, sagte er an der Johns-Hopkins-Universität.

„Ich bin der Überzeugung, dass Deutschland eine Art der Wehrpflicht benötigt“

Dass Deutschland die Wehrpflicht aufgegeben habe, wolle er korrigieren und sagte, „die Zeiten haben sich verändert“. Er sprach von einem „Fehler“ und sagte: „Ich bin der Überzeugung, dass Deutschland eine Art der Wehrpflicht benötigt.“ Militärische Standhaftigkeit müsse sichergestellt werden.

Es sei leicht, angesichts der Krisen der Welt in Pessimismus zu verfallen, aber er reagiere darauf mit grimmiger Entschlossenheit. Auch sei den Europäern bewusst, dass die USA ihre Aufmerksamkeit auf den Indo-Pazifik richteten und auf Chinas Aufrüstung, aggressive Wirtschaftspolitik und Streben nach geopolitischer Dominanz reagieren müssten. Deutschland sei entschlossen, auch da einen Beitrag zur regelbasierten Ordnung zu leisten.

Boris Pistorius: Transatlantische Gelegenheit ergreifen

„Ich bin überzeugt, dass nur Amerika und Europa zusammen den Westen stark erhalten und gegen Russlands expansionistische Ambitionen und den Hunger anderer Akteure nach Macht und Vorherrschaft verteidigen können“, sagte Pistorius. Und: „Meine Botschaft heute ist: Wie in anderen Momenten der transatlantischen Partnerschaft wie der Berliner Luftbrücke, dem Marshall-Plan oder der Wiedervereinigung Deutschlands – lassen Sie uns diese transatlantische Gelegenheit einmal mehr ergreifen.“

US-Verteidigungsminister Austin fand unterdessen freundliche Worte für den Gast aus Deutschland. Bei einem Treffen mit Pistorius dankte Austin dem SPD-Politiker für Deutschlands starkes Engagement für die Ukraine. „Deutschland ist der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine im Widerstand gegen Putins Aggression“, betonte Austin. „Boris, Danke für deine Führungsstärke“. Die USA und Deutschland, „unsere beiden Demokratien“, bewegten sich im „Gleichschritt“, erklärte Austin. „Deutschland bleibt einer unserer stärksten Verbündeten.“

Boris Pistorius über russischen Sieg: „Pflicht, das zu verhindern“

In dem Gespräch mit Austin sei die Frage diskutieren werden, welche Gefahr in Wladimir Putins Angriff auf die Ukraine stecke und was ein russischer Sieg für Auswirkungen in anderen Autokratien haben könnte. Man sehe es als „Pflicht an, das zu verhindern“, führte Pistorius gegenüber Reportern aus und betonte die Rolle Deutschlands. Die Bundesrepublik werde ihrer Rolle gerecht, versicherte Pistorius und verwies auf 35.000 deutsche Soldaten, die sich in den beiden höchsten Bereitschaftsstufen befänden.

Pistorius machte in Washington nach Gesprächen mit Austin zugleich die Entscheidung öffentlich, dass Deutschland die Lieferung von drei weiter reichenden Raketenartilleriesystemen aus den USA an die Ukraine bezahlen werde. „Die stammen aus Beständen der US-Streitkräfte und werden von uns bezahlt“, sagte er. Die Systeme kosten einen höheren zweistelligen Millionenbetrag. Das HIMARS („High Mobility Artillery Rocket System“) ist ein auf einem Lastwagenfahrgestell montiertes Mehrfachraketenwerfer-Artilleriesystem.

Wie US-Korrespondent Karl Doemens berichtete, kam es bei Pistorius’ Besuch in Washington auch zu einer kuriosen Szene. „That is like, I don’t know how to say this, the eierlegende Wollmilchsau“, habe Pistorius beim Versuch gesagt, die Wünsche nach mehr Verteidigungsausgaben bei gleichzeitig nicht ansteigenden Schulden und Steuern zu kommentieren, berichtete Doemens im sozialen Netzwerk X (vormals Twitter). Pistorius habe sich nach seinem Satz zur Übersetzerin umgedreht, die jedoch „auch keinen englischen Ausdruck“ für die deutsche Redewendung gekannt habe. (mit dpa)