Es ist ein Triumph für Grüne und Linke, jedoch gibt es harsche Kritik von Bischöfen. Als erstes Land der Welt gibt Frankreich der „garantierten Freiheit“ der Frauen zu ihrer Entscheidung den höchsten Schutz.
Weltweit beispiellosFrankreich verankert Recht auf Abtreibung in Verfassung
Überraschend war der Ausgang nicht. Doch historisch bleibt das Ergebnis der Zusammenkunft beider Kammern des französischen Parlaments: Die 925 Mitglieder der Nationalversammlung und des Senats beschlossen am Montag mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit, das Recht auf Abtreibung in der Verfassung zu verankern. Damit wird Frankreich das erste Land der Welt, das der „garantierten Freiheit“ der Frauen, sich für einen Schwangerschaftsabbruch zu entscheiden, den höchsten Schutz zukommen lässt.
Eine Verfassungsänderung ist in Frankreich nur über ein Referendum oder einen Beschluss des Kongresses von Versailles möglich, dem alle Mitglieder des Unter- und des Oberhauses angehören. Den Weg frei machte vorige Woche der von den konservativen Republikanern dominierte Senat, der überraschend für den Vorstoß stimmte und sich einem Votum der Nationalversammlung anschloss. „Niemals wieder Engelmacherinnen, Kleiderbügel, Nadeln – sagen wir unseren Töchtern, Nichten, Enkelinnen: Heute und von jetzt an seid ihr frei, über eure Leben zu entscheiden“, jubelte die grüne Senatorin Mélanie Vogel, eine Vorkämpferin für die Verfassungsänderung.
Es ist ein Triumph für die Grünen und die Linken, deren Fraktionschefin Mathilde Panot den Vorschlag im Herbst 2022 einbrachte. Damals handelte es sich um eine Reaktion auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in den USA, der kurz zuvor das bundesweit geltende Recht auf Abtreibungen aufgehoben hatte. Jubeln kann nun auch das Lager von Präsident Emmanuel Macron, der sich ebenfalls euphorisch für eine Verfassungsänderung aussprach.
Es handle sich „sicherlich um den einzigen Sieg, den er nach zehn Jahren in seiner Bilanz haben wird“, stichelte Marine Le Pen vom rechtsextremen Rassemblement National. Sie forderte 2012 im Wahlkampf noch, die Kosten für „Komfort-Abtreibungen“ nicht mehr durch die Sozialversicherung zu erstatten.
Ihre Meinung hat Le Pen wohl auch geändert, weil sich in Umfragen mehr als 80 Prozent der Menschen in Frankreich für einen verfassungsmäßigen Schutz des Rechts auf Abtreibung aussprachen. Demgegenüber hatte Senatspräsident Gérard Larcher von den Republikanern eingewendet, die Verfassung sei „kein Katalog sozialer und gesellschaftlicher Rechte“. Die französische Bischofskonferenz kritisierte, Abtreibung bleibe eine „Beeinträchtigung des Lebens an seinem Beginn“.
Die Möglichkeit, legal abzutreiben, wird in Frankreich überwiegend als bedeutende gesellschaftliche Errungenschaft angesehen, seit es die damalige Gesundheitsministerin Simone Veil 1975 erkämpft hat. Vier Jahre zuvor hatten 343 Frauen auf Initiative der Philosophin Simone de Beauvoir öffentlich zugegeben, einen damals noch illegalen Schwangerschaftsabbruch hinter sich zu haben.