MobilitätswendeWie ein Mehrfamilienhaus in Burscheid mit E-Tanken ausgerüstet wurde

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Alperen Bilal, Wallbox now-Gründer Tahsin Yigit und Ulrich Giesen an einer der Strom-Zapfstellen in der Tiefgarage des Hauses Mittelstraße 14 - 16 in Burscheid

Alperen Bilal, Wallbox Now-Gründer Tahsin Yigit und Ulrich Giesen (von links) an einer der Strom-Zapfstellen in der Tiefgarage des Hauses Mittelstraße 14 - 16 in Burscheid

Das junge Opladener Unternehmen „Wallbox Now“ holt in der Mittelstraße das Maximum aus dem Stromanschluss heraus.

Öffentliche Ladesäulen sind prima. Aber man kann sich nicht immer darauf verlassen. Findet zum Beispiel Ulrich Giesen, der im Beirat der Eigentümergemeinschaft der Mittelstraße 14 - 16 in Burscheid sitzt. Damit ist er nicht allein. Einige der Bewohner des vor gut drei Jahren bezogenen Hauses hätten sich „von Anfang an“ Wallboxen gewünscht, um ein Elektroauto daheim laden zu können. Weil nicht klar war, dass alle mitziehen, hat Giesen es dann vorerst bei einem Plug-in-Hybrid belassen. Am Freitagmittag steht der BMW also in der Tiefgarage und saugt Strom aus der Leitung. Weil in dem Gebäude um diese Zeit nicht viel Energie verbraucht wird, geht es flott vonstatten: Sieben Kilowatt kann Giesens Auto maximal ziehen – die bekommt es auch.

Möglich ist das wegen des „dynamischen Lastmanagements“, das im Stromnetz des Wohnhauses installiert wurde. Über die technischen Feinheiten kann Tahsin Yigit sehr viel berichten. Es ist auch alles andere als trivial. Yigit war IT-Experte, bevor er sein Unternehmen in Opladen gründet hat. Das kommt ihm erheblich zugute: Wer mehrere Ladestationen installiert und sie sinnvoll im Stromnetz einbetten will, sieht sich mit vielerlei Fragen konfrontiert. Längst ist nicht alles standardisiert, ohne Erfindungsgeist kommt man nicht zum Ziel.

Es soll schnell gehen

Auch der Name von Yigits Unternehmen kommt nicht von ungefähr: „Wallbox Now“ ist eine Anspielung auf das verbreitete Problem, einen Elektriker zu finden, der eine private Heim-Ladestation schnell installiert.  Yigit hat dieses Phänomen in seinem Plan bestärkt, sich selbstständig zu machen. Und er kommt augenscheinlich gut voran: 16 Beschäftigte hat die Firma am Fürstenbergplatz derzeit, und es sollen bald mehr werden, sagt Yigits Kollege Alperen Bilal. Seine Aufgabe ist die Fortentwicklung des Geschäfts – damit hat er offenbar gut zu tun.    

Das liegt daran, dass sich „Wallbox Now“ auf ein Gebiet spezialisiert hat, auf dem noch sehr viel zu tun ist: Mehrfamilienhäuser und Unternehmen mit Ladelösungen versorgen. Vor allem in ersteren stoße man schnell an Kapazitätsgrenzen, wenn man auf Einzellösungen setzt, statt das große Ganze zu sehen, erklärt Alperen Bilal. Bei maximal machbaren 22 Kilowatt Ladeleistung an einer Wallbox erklärt sich das, wenn man weiß, wie viel Leistung ein mittelgroßes Wohnhaus wie das an der Mittelstraße aus dem Belkaw-Netz entnehmen kann: 160 Ampere, mehr geht nicht.     

Der Strom muss dynamisch verteilt werden

Hätte man dort auf eine statische Lösung gesetzt, wäre spätestens bei acht Auto-Ladestellen Schluss gewesen. Mit dem „dynamischen Lastmanagement“ können 31 Stellplätze im und am Gebäude mit Strom versorgt werden – also alle. Bevor die Leute von „Wallbox Now“ das garantieren konnten, mussten sie das Haus einer Art Langzeit-EKG unterziehen. „Wir haben eine Woche lang gemessen, wann wie viel Strom verbraucht wird“, erklärt Tahsin Yigit. Typischerweise ist der Verbrauch morgens hoch und ab dem Nachmittag, wenn alle daheim sind. Den Tag über, vor allem aber nachts, kann der Strom in die Wallboxen in der Tiefgarage und auf die Parkplätze nebenan unter freiem Himmel fließen, Autos geladen werden. 

Damit das funktioniert, müssen auch die Wallboxen miteinander kommunizieren. Denn auch dort gibt es einiges zu beachten: Ein Plug-in-Hybrid-Auto konsumiert anders als ein vollelektrisches Auto. Wenn man da nicht umschalten kann, kommt man auch schnell ans Ende der Möglichkeiten, obwohl eigentlich genug Stromleistung im Hausnetz ist.

Damit das alles klappt, haben die Konstrukteure von „Wallbox Now“ in der Tiefgarage ein drahtloses Funknetz aufgespannt. Ein Elektriker alter Schule hätte sicher auf Kabelverbindungen gesetzt, merkt Tahsin Yigit an. Er als gelernter Computer-Fachmann hat kein Problem mit einem W-Lan. Zumal das einen weiteren Vorteil bietet: Die Tiefgarage in der Mittelstraße ist mit dem Mobilfunknetz verbunden – Software-Updates für Autos könnte man also auch dort einspielen.    

Wohnungseigentümer Ulrich Giesen freuen solche Möglichkeiten nicht nur, weil er von Haus aus Ingenieur ist und Spaß an innovativer Technik hat. Er hat auch gemerkt, dass seine Idee, lauter kleine E-Tanken daheim zu installieren auch bei denen verfängt, die auf ein Auto mit Verbrennungsmotor setzen. „Das steigert auf jeden Fall den Wert einer Wohnung, wenn eine Wallbox dabei ist.“

Deshalb hätten alle mitgezogen, trotz einer Investition von 5000 Euro pro Einheit. In diesem Betrag ist indes schon die Wallbox dabei. Die kostet einzeln um die 1500 Euro, wobei sich das Land mit 1000 Euro beteiligt. Nordrhein-Westfalen, sagt Tahsin Yigit, „ist bis jetzt das einzige Bundesland, das Wallboxen in Mehrfamilienhäusern fördert“. Er hat sein Unternehmen also am richtigen Platz gegründet.  


Dynamisches Lastmanagement ist der Schlüssel

Fast jedes Mehrfamilienhaus könne mit Wallboxen für E-Autos ausgerüstet werden, sagen Tahsin Yigit und Alperen Bilal: Gerade ältere Gebäude seien ausreichend versorgt, weil mit vielen Durchlauferhitzern und sogar Elektroheizungen kalkuliert worden sei. Voraussetzung sei aber immer das „dynamische Lastmanagement“, um den Strom bedarfsgerecht im Haus zu verteilen. Dafür muss an der elektrischen Anlage gearbeitet werden. (tk)


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