Rundschau-Debatte des TagesKommt das „Recht auf Reparatur“ für den Verbraucher?

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Ein Mann arbeitet an der Elektronik herum.

Verbraucherinnen und Verbraucher sollen einem Vorschlag der EU-Kommission zufolge ein sogenanntes Recht auf Reparatur für Geräte wie Staubsauger und Waschmaschinen bekommen.

Hersteller und Verkäufer von neuen Geräten könnten in der EU dazu verpflichtet werden, Reparaturen anzubieten. Das soll Umwelt und Verbrauchern gleichermaßen helfen. Der Weg dahin ist aber noch weit.

Es ist nicht nur eine umweltpolitische Sünde, sondern auch ein Ärgernis für Verbraucher: Ob die Waschmaschine streikt, der Staubsauger den Geist aufgibt oder der Ofen nicht mehr geht – in den meisten Fällen sind die Bürger gezwungen, ihr nicht mehr funktionierendes Haushalts- oder Elektrogerät wegzuwerfen und durch ein neues Modell zu ersetzen. Reparaturen erweisen sich entweder als unerschwinglich, als zu aufwändig – oder aber die Ersatzteile sind nicht mehr vorrätig. Das will die EU nun ändern und das „Recht auf Reparatur“ gesetzlich verankern. EU-Justizkommissar Didier Reynders stellte am Mittwoch das sogenannte „Verbraucherpaket“ in Brüssel vor.

Um welche Produkte geht es bei dem Vorschlag?

Um sehr viele. Als Beispiele nennt die EU-Kommission etwa Wasch- und Spülmaschinen, Fernseher, Tablets, Smartphones und Trockner. Allgemein heißt es: „Der Vorschlag gilt für Verbrauchsgüter.“ Gemeint sind damit „bewegliche körperliche Gegenstände“. Alle Mängel an solchen Gütern wären von dem neuen Recht abgedeckt – unabhängig davon, ob sie noch der gesetzlichen Gewährleistung unterliegen oder nicht. Auch selbst verschuldete Schäden könnten demnach repariert werden. Außerdem sollen Käufer für fünf bis zehn Jahre – also auch nach Ablauf der gesetzlichen Garantie – bei Herstellern eine Reparatur einfordern können für Produkte, die nach EU-Recht technisch reparierbar sind.

Was ist das Ziel der geplanten Regeln?

Die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher sollen gestärkt und die Umwelt soll zugleich geschont werden. Der Vorschlag mache es einfacher und kostengünstiger, Waren zu reparieren, statt sie zu ersetzen, sagt die EU-Kommission. Dadurch sollen gleichzeitig neue Arbeitsplätze entstehen. Hersteller und Verkäufer will die Kommission zudem dazu bringen, nachhaltigere Geschäftsmodelle zu entwickeln. Geschätzt soll das „Recht auf Reparatur“ über 15 Jahre rund 18,5 Millionen Tonnen Treibhausgas-Emissionen, 1,8 Millionen Tonnen Ressourcen sowie Abfall im Umfang von drei Millionen Tonnen einsparen.

Wo sind dem „Recht auf Reparaturen“ Grenzen gesetzt?

Wenn etwa ein Handy so sehr zerstört ist, dass eine Reparatur wirtschaftlich keinen Sinn ergibt, muss es nicht repariert werden. Wörtlich heißt es vonseiten der Kommission: „Im Rahmen der gesetzlichen Garantie werden Verkäufer Reparaturen anbieten müssen, es sei denn, diese sind teurer als der Ersatz.“ In der Regel gilt eine gesetzliche Garantie zwei Jahre.

Wo kann ich die Geräte reparieren lassen?

Die Hersteller sind in der Pflicht, sie können aber auch Dienstleister mit der Reparatur beauftragen. Auch unabhängige Werkstätten sollen tätig werden dürfen. Darüber hinaus sind nationale Online-Plattformen vorgesehen, auf denen sich die Bürger über Reparaturdienste und über Verkäufer generalüberholter Waren informieren können.

Ab wann sollen die neuen Vorschriften gelten?

Das steht noch nicht fest. Erst müssen sich das Europaparlament und die 27 EU-Staaten auf eine konkrete Ausgestaltung der Regeln einigen. Dieser Prozess dauert in der Regel mehrere Monate. Eine Frist, bis wann die Verhandlungen abgeschlossen sein müssen, gibt es nicht. Es kann auch noch zu Änderungen kommen. Bis zu einem möglichen Beschluss und dem Inkrafttreten wird es wohl noch mehrere Jahre dauern.

Welche Auswirkungen gibt es konkret für Deutschland?

Sollten die Regeln wie vorgesehen in Kraft treten, müssten diese auch von Deutschland umgesetzt werden. Die für Verbraucherschutz zuständige Ministerin Steffi Lemke (Grüne) hatte vor einem Jahr bereits ein ähnliches Vorhaben angekündigt: „Wir werden wichtige Schritte raus aus der Wegwerfgesellschaft gehen, zum Beispiel durch ein Recht auf Reparatur.“ Gestützt werden solle dies etwa durch ein Förderprogramm „Reparieren statt Wegwerfen“. Verbraucherschützer sehen in den Plänen der Kommission auch eine Chance für mehr Bewegung bei dem Thema. Denn konkrete Vorhaben zu Lemkes Plänen lägen bislang nicht vor, so der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv).

Wie reagiert die Wirtschaft auf den EU-Vorschlag?

„Viele Unternehmen stellt das vorgeschlagene ,Recht auf Reparatur‘ vor große Herausforderungen“, so der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Peter Adrian. Wenn etwa Ersatzteile länger gelagert und Reparaturen binnen 15 Tagen ausgeführt werden müssten, bedeute dies zusätzliche logistische und finanzielle Belastung. „Sehr viele Unternehmen sind derzeit betrieblich nicht in der Lage, den Anspruch auf Reparatur in der Praxis umzusetzen.“

Der Hauptgeschäftsführer des Digitalverbands Bitkom, Bernhard Rohleder, erklärte, ein verbrieftes Recht auf Reparatur könne Geräte langlebiger machen, reiche aber nicht aus. Er fordert mehr Anreize für Unternehmen: „Eine Mehrwertsteuersenkung auf Ersatzteile und Reparaturdienstleistungen für IT-Hardware wie Smartphones und Laptops wäre ein solcher Anreiz.“ (dpa)