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Rundschau-Debatte des TagesIm Eilmarsch zurück zur Wehrpflicht?

Lesezeit 3 Minuten
ARCHIV - 14.04.2005, Hessen, Schwarzenborn: Mit Blattwerk und Gras getarnte Wehrpflichtige von den Panzergrenadieren rennen mit ihren Waffen im Rahmen ihrer Grundausbildung bei einer Übung über das freie Gelände der Knüll Kaserne in Schwarzenborn (Schwalm-Eder-Kreis).

Mit Blattwerk und Gras getarnte Wehrpflichtige von den Panzergrenadieren rennen mit ihren Waffen im Rahmen ihrer Grundausbildung bei einer Übung über das freie Gelände.

Zu wenig Personal, im Ernstfall nicht kriegstüchtig: Die Bundeswehr muss neu aufgestellt werden – wenn es nach der CDU geht, am besten mit einer Rückkehr zum Pflichtdienst. Die SPD reagiert abwehrend. 

Die Debatte um eine mögliche Rückkehr zur Wehrpflicht nimmt weiter an Schwung zu. So hat sich der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) für eine Volksbefragung zur Wiedereinführung der Wehrpflicht ausgesprochen. „Es wäre eine Chance, dass wir über diese Frage eine Volksbefragung abhalten, bevor wir sie parlamentarisch umsetzen“, sagte Kretschmer dem „Handelsblatt“. Er schlug vor, „die Frage bei der Bundestagswahl gleich mit zur Abstimmung zu stellen“. Die Politik solle davor „keine Angst“ haben.

Wie die CDU den Druck auf den Verteidigungsminister verstärkt

Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Florian Hahn, hat Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) aufgefordert, rasch belastbare Vorschläge zur schrittweisen Wiedereinführung der Wehrpflicht zu machen. Die Union sei auf Basis der vom CDU-Parteitag in Berlin getroffenen Beschlüsse gesprächsbereit, sagte der CSU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Die Christdemokraten hatten am Dienstag angesichts der Bedrohungslage in Europa und der Personalnot der Bundeswehr eine Kehrtwende bei der Aussetzung der Wehrpflicht gemacht. Im neuen CDU-Grundsatzprogramm heißt es: „Wir werden die Aussetzung der Wehrpflicht schrittweise zurücknehmen und die Wehrpflicht in ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr überführen.“ Zur Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr fordert die CDU bis zur Umsetzung dieses Vorhabens die Einführung einer sogenannten Kontingentwehrpflicht.

Wie eine Reaktivierung der Wehrpflicht konkret umgesetzt werden könnte

Die schrittweise Reaktivierung der Wehrpflicht sei das Gebot der Stunde, „um unsere Bundeswehr als Teil der Gesamtverteidigung Deutschlands aufwuchsfähig zu machen“, sagte Hahn. Es gehe nicht um Zwang oder die Beeinflussung der Jugendlichen. Vielmehr solle schnell eine glaubwürdige, demokratische Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit gegen die autoritären Bedrohungen aus dem Osten aufbaut werden. Nun müssten die erforderlichen vorbereitenden Maßnahmen realisiert werden, forderte der CSU-Politiker. „Dies reicht von der Wiederkehr der Wehrerfassung über den Aufbau der infrastrukturellen Kapazitäten bis hin zur Anpassung der Ausbildungsorganisation der Bundeswehr.“ Seien diese Voraussetzungen geschaffen, erlaubten sie die lageangepasste und schnelle Reaktivierung der Wehrpflicht, um einerseits die Verteidigungsfähigkeit, aber auch den grundsätzlichen Wehrwillen zu erhöhen, sagte Hahn. Bei der von der CDU vorgeschlagenen Kontingentwehrpflicht sollen Fachleute der Bundeswehr festlegen, wie hoch der Personalbedarf für ein Jahr ist. Nur wer zur Deckung des Personalbedarfs gebraucht wird, soll auch eingezogen werden.

Weshalb ein Wiederaufleben zurzeit eher nur theoretisch möglich ist

Die Wehrpflicht war 2011 nach 55 Jahren unter dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ausgesetzt worden. Gleichzeitig wurden praktisch alle nötigen Strukturen für eine Wehrpflicht wie Kreiswehrersatzämter aufgelöst. Gesetzlich festgelegt ist aber, dass die Wehrpflicht für Männer im Spannungs- und Verteidigungsfall aufleben soll.

Was die SPD statt einer Wiederkehr zur alten Wehrpflicht vorschwebt

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil begrüßt die Debatte über ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr für junge Menschen. „Jede junge Staatsbürgerin und jeder junge Staatsbürger sollte sich einmal mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob sie sich einen Dienst für das Land vorstellen können“, sagte Klingbeil der „Rheinischen Post“. Das könne bei der Bundeswehr, im sozialen oder kulturellen Bereich sein. „Dahin sollten wir zurückkommen.“ Den Vorstoß der CDU, die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht wieder in Kraft zu setzen, lehnt Klingbeil allerdings ab. „Ich hielte eine Rückkehr zur alten Wehrpflicht für falsch“, sagte er weiter.

Mit Bundesverteidigungsminister Pistorius sei er im Austausch darüber, wie die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiver werden könne, sagte Klingbeil. Viele Menschen in Deutschland hätten heutzutage keinerlei Berührungspunkte mit der Bundeswehr, so sein Eindruck. Er sei deshalb dafür, dass die Schulen Soldaten aktiv einladen, um über die Möglichkeiten in der Bundeswehr zu sprechen. „Das hat ja nichts mit Kriegsverherrlichung zu tun, sondern mit einer Entscheidungsoption für die persönliche Zukunft und Informationen über die Sicherheitslage“, sagte der SPD-Chef mit Blick auf eine mögliche Bedrohung durch Russland. (dpa, afp, epd)