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Rundschau-Debatte des TagesKommt jetzt die Zeitenwende bei der Bundeswehr?

Lesezeit 3 Minuten
Boris Pistorius spricht mit Journalisten.

Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, spricht im Bundestag nach dem Verteidigungsausschuss mit Journalisten über das Beschaffungswesen bei der Bundeswehr.

Boris Pistorius will das Beschaffungswesen bei der Truppe beschleunigen. Dafür haben er und Generalinspekteur Carsten Breuer einen radikalen Erlass verabschiedet. 

Boris Pistorius baut das Verteidigungsministerium weiter mit Tempo um. Nach dem Beschaffungsbeschleunigungsgesetz im vergangenen Jahr soll das Beschaffungswesen von Grund auf reformiert werden. Die Beschaffung von Waffen und Ausrüstung für die Bundeswehr ist träge und oft teurer als sie sein müsste. Das gilt bei der Truppe und ihren Beobachtern schon lange als Hindernis für eine Bundeswehr, die ihren Job machen kann.

Woran es mangelt

Die langwierigen Prozesse sorgen dafür, dass in der Bundeswehr an vielen Orten zu einer Mangelwirtschaft kommt. Von der Munition über Ersatzteilpakete bis zum Panzer mangelt es an allem. Die Folge: Immer wieder gibt es Schiffe, die nicht schwimmen, Flugzeuge, die nicht fliegen und Kanonen, die nicht schießen. Die Ministeriumsführung um Boris Pistorius hat jetzt einen eleganten Weg gefunden, das System zu entschlacken. „Früher hatten wir viel Zeit und wenig Geld, jetzt ist es umgekehrt“, fasst Boris Pistorius die Lage zusammen.

Welche Regeln fallen sollen

Per Federstrich wird ein monumentales und teils absurdes Regelwerk auf zwei Dokumente mit insgesamt vier Seiten zusammen gedampft. „Zeit ist der entscheidende Faktor“, schreibt Generalinspekteur Breuer in der Begründung. Bei der Beschaffung für die Bundeswehr gelten bisher eine Menge ziviler, bundeswehrinterner und arbeitsschutzrechtlicher Regeln, die in keinem Gesetz stehen, aber trotzdem aufwendig erfüllt werden.

Nur ein Beispiel: Bundeswehrpanzer müssen so konzipiert sein, dass sie auch im Gefecht von einer hochschwangeren Frau gefahren werden können.

Die Verzögerung hat bei knappem Budget auch einen angenehmen Nebeneffekt: Die Gelder müssen selten in aktuellen Haushaltsberatungen erkämpft werden, sondern werden zunächst aufgeschoben. Solche Regeln sollen nun hinter dem Tempo-Erlass zurücktreten. Auch auf speziell entwickelte „Goldrandlösungen“ und Anforderungsänderungen im laufenden Prozess wird verzichtet, stattdessen soll auf marktverfügbare Lösungen gesetzt werden. Langwierige perfekte Maßanfertigungen weichen dann funktionierenden und schnellen Käufen von der Stange.

Wie Verantwortung verteilt wird

Das Beschaffungssystem wird einmal komplett abgerissen und neu aufgebaut. Im alten System wurde eine Fähigkeitslücke erst erkannt, dann beschrieben, dann theoretisch gelöst, dann mit einer Pilot-Lösung umgearbeitet, dann bestellt und irgendwann auch einmal gelöst. Jetzt sollen die Organisationsbereiche und die Leitungsebene im Ministerium das Problem eigenständig lösen können. Nur große und langfristige Projekte sollen weiter nach ganz oben gehen.

Wo der Knackpunkt liegt

Die unteren Ebenen bekommen mehr Verantwortung, doch genau hier liegt auch der Knackpunkt. Denn die neuen Freiheiten auf der unteren Ebene wollen auch genutzt werden. „Wir haben im Haus eine Kultur vorgefunden, die zur Folge hatte, dass sich mehrmals abgesichert wurde, um die Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen, was dazu führt, dass Verfahren länger dauern“, fasst Pistorius die Situation zusammen. Das ist verständlich, denn Rüstungsfirmen sind klagefreudig und bei Fehlern können schnell Hunderte Millionen in den Sand gesetzt werden. Wenn die Entscheidungsträger zu vorsichtig sind, könnte das dazu führen, dass am Ende gar nichts gemacht wird. Kultur kann man bekanntlich nicht per Erlass ändern.

Warum Fehler drohen

Wenn Entscheidungen weniger überprüft werden, ist auch die Wahrscheinlichkeit für Fehler tendenziell größer. Das kann Verteuerungen und Verzögerungen zur Folge haben, wie die Marine jüngst herausfinden musste. Wegen Planungsfehlern kommt es bei der Klasse 424, den Spionagebooten, zu einer deutlichen Preiserhöhung um über 600 Millionen Euro. Die Einsatzboote für die Marine verzögern sich wegen zu hoher Anforderungen auf unbestimmte Zeit.

Wie mit solchen Fehlern umgegangen wird, trägt maßgeblich dazu bei, wie erfolgreich das neue Beschaffungsregime ist. Wenn nicht streng genug korrigiert wird, kann der Fehler sich wiederholen. Wenn zu streng eingegriffen wird, könnten Beamte zu vorsichtig werden.

Das Fazit

Das neue Regelwerk ist mutig, elegant und bitternötig. Wenn alles klappt, wie General Breuer und Minister Pistorius sich das vorstellen, wird die Beschaffung bei der Bundeswehr massiv beschleunigt, und die Truppe ist am Ende besser ausgerüstet. Die Zeitenwende ist nicht nur eine bloße Ankündigung, sondern jetzt auch ein Plan. Nun muss das ganze nur noch im echten Leben funktionieren.

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