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Uruguay als VorreiterDer Staat als Dealer – kann das wirklich klappen?

Lesezeit 6 Minuten
Eine Joint wird gedreht.

Cannabis zu Hause oder gemeinschaftlich in speziellen Clubs anbauen oder ganz legal einen Joint rauchen - das soll mit dem Gesetz zur Cannabis-Legalisierung möglich werden.

Die Ampel-Koalition treibt ihre Pläne voran: Kauf und Besitz der Droge könnten unter bestimmten Auflagen freigegeben werden. Uruguay ist diesen Schritt bereits vor zehn Jahren gegangen – als weltweit erstes Land. Eine Bilanz.

„Einer muss ja den Anfang machen.“ So kommentierte Uruguays damaliger Präsident José Mujica vor zehn Jahren einen weltweit einzigartigen Schritt in der Drogenpolitik. Sein kleines Land am Südzipfel Südamerikas mit gerade drei Millionen Einwohnern gestattete unter staatlicher Aufsicht Anbau, Verkauf und Konsum von Marihuana. Der Staat sollte zum Monopolproduzenten und gewissermaßen zum Großdealer avancieren. Statt den Cannabis-Konsum dem freien Markt zu überlassen, sollte er reguliert und der illegale Drogenmarkt damit geschwächt werden.

Die Bilanz seither fällt allerdings gemischt aus. Eines der Hauptprobleme: Es gibt zu wenige Apotheken, die Cannabis vertreiben. Und die Konsumenten bevorzugen weiter den Schwarzmarkt zum Erwerb. Beides hängt miteinander zusammen. Laut einer Studie des „Instituts zur Regulierung und Kontrolle von Cannabis“ (IRCCA), das Produktion und Verkauf reguliert, kaufen nur 27 Prozent der Konsumenten ihre Drogen über zugelassene Kanäle.

Nach der gesetzlichen Regulierung von 2013 nahmen die Vorbereitungen noch einige Jahre in Anspruch. Der Verkauf von Cannabis begann erst im Jahr 2017. Seither gibt es drei legale Möglichkeiten für registrierte Nutzer, an Marihuana zu gelangen: Kauf in Apotheken, Eigenanbau der Hanfpflanze für den persönlichen Gebrauch und Mitgliedschaft in einem offiziellen Cannabis produzierenden Club.

Die begehrteste legale Methode ist die Mitgliedschaft in einem der inzwischen 308 Konsumclubs. Viele von ihnen haben jedoch lange Wartelisten, da sie per Gesetz auf 15 bis 45 Mitglieder beschränkt sind. Auch der Anbau ist reglementiert. 99 Hanfpflanzen pro Club sind genehmigt, Produktion und Vorrat dürfen 480 Gramm pro Jahr und Mitglied nicht überschreiten.

Nur ein Bruchteil der Apotheken im Land macht mit

Wer nicht selbst anbauen will, kann bis zu 40 Gramm im Monat in lizenzierten Apotheken kaufen. Laut dem IRCCA, das zum Gesundheitsministerium gehört, waren Ende vorigen Jahres allerdings nur 30 der rund eintausend Apotheken in Uruguay zum Verkauf von Cannabis registriert, davon allein die Hälfte in der Hauptstadt Montevideo. Manche Regionen müssen ganz ohne Cannabis-Apotheke auskommen. Zum Teil liegt das an der Sorge der Inhaber, dass sie sich in Probleme bringen könnten – denn viele Geldinstitute halten sich aus dem Geschäft heraus, um nicht gegen internationale Geldwäschevorschriften zu verstoßen.

Die Konsumenten beklagen auch andere Dinge. In der Apotheke muss man formal einen Termin vereinbaren. Auf dem Schwarzmarkt geht es schneller und einfacher. Zudem ist beim Apotheken-Cannabis der Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC), der wichtigsten psychoaktiven Substanz in der Droge, auf zehn Prozent begrenzt. Das ist vielen zu wenig. In einer IRCCA-Umfrage zeigten sich zwei Drittel der Befragten mit der Qualität des staatlich produzierten Joints nicht ganz zufrieden. Dagegen haben die Selbstkultivierer, die Cannabis offiziell zu Hause produzieren, in der Szene den Ruf, besseren Stoff auf den Markt zu bringen.

So habe sich in den vergangenen Jahren ein „grauer Markt“ für die Droge gebildet, sagt die Wissenschaftlerin Lorena Repetto, die die Auswirkungen des uruguayischen Experimentes untersucht hat. Eines der Ergebnisse: In Uruguay werde Cannabis zwar gesetzeskonform produziert, aber für den Vertrieb würden nicht zwangsläufig legale Mechanismen gewählt. „Die Cannabis-Regulierung hat einen legalen Markt geschaffen, aber den illegalen Markt nicht beseitigt“, lautet Repettos Fazit.

Internationale Drogenhändler haben an Boden verloren

Daniel Radio, Generalsekretär der Nationalen Drogenbehörde JND, hebt aber als Erfolg hervor, dass der Import von Marihuana schlechter Qualität über die Drogenschmuggler aus dem Ausland abgenommen habe. Es gebe viel mehr einheimische Erzeuger, die zwar nicht registriert seien, aber bereits die internationalen Handelsnetze beim Verkauf von Cannabis überholt hätten. „In dieser Hinsicht wurde ein wichtiges Ziel der Legalisierung erreicht“, sagt Radio. „Die Menschen können Cannabis konsumieren, ohne auf kriminelle Organisationen zurückgreifen zu müssen.“

„Ich glaube, dass das Ziel, die Macht des Drogenhandels zu verringern, in Teilen erreicht wurde“, sagt auch Julia Alves Rocha. Die Anwältin ist spezialisiert auf das Fachgebiet der medizinischen Nutzung von Cannabis. Ein Problem sei allerdings der Schwarzmarkt für Touristen, denn Ausländer dürfen in Uruguay kein Marihuana kaufen: „Dieser Schwarzmarkt hat sich gebildet, weil bei der Legalisierung nicht an diese Problematik gedacht wurde“, sagt die Juristin. So kaufen Uruguayer legal Marihuana in der Apotheke, verkaufen es dann aber zu einem höheren Preis an internationale Touristen.

Die Legalisierung des medizinischen Cannabis hat sich aber auch für den Staat zu einer Geldquelle entwickelt. Er hat durch den Export der Pflanze seit 2019 mehr als 20 Millionen Dollar eingenommen. Uruguay verkauft an die Nachbarn Argentinien und Brasilien, aber auch an die USA, die Schweiz, Deutschland, Portugal und Israel. Zwar hält die aktuelle Mitte-rechts-Regierung die Legalisierung für einen Fehler. Die linke Opposition dagegen möchte den Cannabis-Markt in Zukunft auch für die Touristen öffnen.


Wie Länder in aller Welt den Umgang mit Cannabis regeln

Weltweit zeichnete sich in jüngster Zeit eine Tendenz zur Entkriminalisierung von Cannabis ab. Ein Überblick:

Niederlande: Schon seit 1976 sind Besitz, Konsum und Verkauf von bis zu fünf Gramm in „Coffee Shops“ erlaubt. Anbau und Verkauf im großen Stil sind verboten, in diesem Bereich sind vor allem kriminelle Banden tätig. Die Niederlande waren 2003 das erste EU-Land, das die medizinische Verwendung von Cannabis erlaubte. Mittlerweile ist der medizinische Gebrauch der Droge in rund 30 Ländern weltweit erlaubt.

Luxemburg: Der Anbau und Konsum kleiner Cannabis-Mengen für den Freizeitgebrauch in privater Umgebung ist seit Juni erlaubt. Pro Haushalt dürfen vier Pflanzen angebaut werden.

Spanien: Der Anbau für den Eigenbedarf in privaten Räumen wird toleriert. Der Handel und der Konsum in der Öffentlichkeit sind verboten.

Portugal: Das Land entkriminalisierte bereits im Jahr 2001 den privaten Konsum und Besitz von begrenzten Mengen der Droge. Konsumenten können aber mit einem Bußgeld belegt werden, das sie durch eine Suchtbehandlung umgehen können.

Malta: Seit Ende 2021 erlaubt sind der Besitz von bis zu sieben Gramm Cannabis und der Anbau von bis zu vier Pflanzen für Bürger ab 18 Jahren. Ab sieben Gramm und bis zu 28 Gramm riskiert der Verbraucher eine Strafe in Höhe von 100 Euro. Der Konsum in der Öffentlichkeit und vor Minderjährigen bleibt verboten.

Mexiko: Im Juni 2021 entkriminalisierte der Oberste Gerichtshof den Freizeitgebrauch von Cannabis. Im Mai 2022 lockerte das lateinamerikanische Land dann die Kriterien für den Besitz.

Peru: Marihuana darf hier für den privaten Gebrauch genutzt werden.

USA: Das Bundesrecht verbietet den Anbau, den Verkauf und die Verwendung von Cannabis. Der Freizeitgebrauch wurde jedoch in 19 Bundesstaaten legalisiert. Im vergangenen Herbst begnadigte US-Präsident Joe Biden all jene, die auf Bundesebene wegen einfachen Cannabis-Besitzes verurteilt worden waren.

Kanada: Cannabis für den Freizeitgebrauch wurde im Oktober 2018 legalisiert. Die Gesetzgebung beschränkt den persönlichen Besitz auf 30 Gramm und vier Pflanzen pro Haushalt. Es obliegt den Provinzen, den Verkauf in zugelassenen staatlichen oder privaten Geschäften zu organisieren.

Südafrika: 2018 erklärte das höchste Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig, das den Konsum und den Anbau von Cannabis zu Hause verbietet. Das Urteil entkriminalisiert jedoch weder den öffentlichen Gebrauch der Droge noch seine Vermarktung. (afp)