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Wort zum SonntagStark sein, wo man eigentlich verzweifelt ist

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Lesezeit 2 Minuten
Eine Gewitterfront zieht über ein Windrad hinweg.

Oft wachsen einem alltäglichen Dinge über den Kopf, ziehen wie Gewitterwolkten über das Leben.

Der Kirchentag in Hannover thematisiert Stärke trotz Schwäche. Prominente teilen persönliche Erlebnisse von Demenz und Ohnmacht.

„Wann waren Sie zuletzt richtig stark?“ Stille. Der Talkgast überlegt. So haben wir im Publikum Zeit, uns die Frage auch selbst zu stellen. Der Gefragte auf der Bühne ringt weiter um eine Antwort. Als Bekannter aus dem Showbiz könnte er wohl viel erzählen von den Gründen für seinen Erfolg und so weiter.

Doch dann berichtet er plötzlich ganz persönlich: von seinem alten Vater, von der Demenz, der Ohnmacht der Familie, dem Ringen darum, dem Leben noch einen Sinn abzugewinnen und wie schwer es auch für für ihn als Sohn ist, sich auf diese Lebensphase einzustellen.

Wir sind stark, da wo wir vor allem schwach sind. Die Diskussion auf dem Evangelischen Kirchentag in Hannover, Motto „mutig - stark - beherzt“, nimmt eine überraschende Wendung. Wie man sie derzeit vielleicht nur unter dem Dach der Kirche erleben kann. Prominente werden in der Öffentlichkeit persönlich, es ist Platz und Zeit, auch Schwächen zu zeigen, Krankheit und Sterben sind kein Tabu.

Stark sein, wo man eigentlich verzweifelt ist, nur noch heulen könnte, Lebenspläne anders laufen als geplant. Gerade dort zu erleben, dass man wächst, wenn man für andere da ist - wir alle können da eigene Erfahrungen erzählen, Eltern mit Kindern, Kinder mit ihren altwerdenden Eltern, Ehepaare, Engagierte in der Politik, für die Gesellschaft …

Und unsere Kirche bietet dafür einen guten Raum, weil hier mit Christus, seinem Tod am Kreuz und der Auferstehung, all diese Geschichten immer schon da sind.

„Was hilft Ihnen dabei, stark zu sein?“, fragt der Moderator noch. Wieder vergeht etwas Zeit bis zur Antwort. „Gemeinschaft, also Menschen, mit denen ich reden kann, und der Glaube“, sagt er dann. Auf dem Kirchentag ist beides immer wieder zu spüren. Die fünf Tage in Hannover machen mir Mut, sie auch im Alltag zu suchen und neu darüber nachzudenken, was wirklich stark sein bedeutet und schwach.