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Bewegungs-TherapieDas bewirkt die Feldenkrais-Methode

Lesezeit 6 Minuten

Fließende Bewegungen spielen bei der Feldenkrais-Methode die Hauptrolle.

Der kleine Übungsraum, in dem sich die fünf Frauen und Männer treffen, liegt in der ersten Etage eines Sülzer Hinterhauses. Von der Hektik der wenige Meter entfernten Einkaufsstraße ist hier nichts mehr zu spüren. Der Holzfußboden und die gelbgetünchte Wand vermitteln eine warme wohlige Atmosphäre. Und als wäre es so bestellt: Das monotone Rauschen eines Sommerregens, das durch das halb geöffnete Fenster zu hören ist, wirkt zusätzlich beruhigend. Trotzdem fragt Feldenkrais-Lehrerin Silvia Raabe fürsorglich: "Soll ich die Fenster schließen?".

"Nein. Das ist angenehm so", ist die einhellige Meinung der fünf Kursteilnehmer, die gerade ihre Matten ausbreiten für ihre Feldenkrais-Übungseinheit. Die meisten von ihnen sind schon seit Jahren dabei, gönnen sich jede Woche diese anderthalb Stunden. Kein Auspowern, sondern eine angenehme Trainingsauszeit - für ihren Körper und ihre Seele.

Arme wie Schlingpflanzen

"Stellt euch auf beide Beine. Findet eure Füße im Kontakt mit dem Boden. Lasst die Arme hängen." Mit sanfter Stimme beginnt Silvia Raabe die fünf anzuleiten. Es sind auf den ersten Blick einfache, aber nicht alltägliche Übungen im Stehen oder Liegen. Mal bewegen sich im Liegen angewinkelte Knie und Arme parallel, wie von einem unsichtbaren Gummi gezogen. Mal fliegen im Stehen die Arme wie Schlingpflanzen um den Körper. "Macht die Übungen so, als würdet ihr sie zum ersten Mal machen, seid neugierig wie ein Kind". Immer wieder ermuntert Silvia Raabe die Gruppe auch in sich hineinzuhorchen. "Lenkt eure Aufmerksamkeit nach innen. Was nehmt ihr in eurem Körper wahr? Wie sitzt das Becken auf den Beinen? Wie der Brustkorb auf dem Becken? Wie der Kopf auf der Wirbelsäule und Schultern? Was spürt ihr?"

"Feldenkrais ist ganz anders als Gymnastik und es ist auch keine Therapie. Es ist eher eine Lernmethode über sich und die eigene Bewegung", erklärt Silvia Raabe. Seit 16 Jahren arbeitet die gelernte Diplom-Sportlehrerin in Köln als Lehrerin für die von dem israelischen Wissenschaftler Moshé Feldenkrais entwickelte Bewegungs-Lehre. Sie selbst habe diese Methode vor vielen Jahren kennen und schätzen gelernt. "Ich habe damals intensives Tanztraining gemacht und hatte massive Rückenschmerzen", erinnert sie sich. Nichts habe ihr wirklich helfen können. Erst als sie begann, regelmäßig Feldenkrais-Übungen zu machen, als sie begann, ihre eigenen Bewegungen genau zu beobachten, sei es deutlich besser geworden. Vier Jahre lang ließ sie sich daraufhin selbst zur Feldenkrais-Lehrerin ausbilden.

"Wenn du weißt, was du tust, kannst du tun, was du willst." Das ist das Credo von Moshé Feldenkrais (1904-1984), das seine Methode von anderen "Körpertherapien" wie Yoga oder Pilates unterscheidet. Eine eigene Knieverletzung trieb den in der Ukraine geborenen Physiker und promovierten Ingenieurwissenschaftler in den 1950er Jahren dazu, mit Bewegung zu experimentieren. Sein Forschergeist und sein Wissen über das Nervensystem und die Anatomie des Menschen ließen ihn schließlich seine eigene Bewegungslehre entwickeln. In unermüdlichen Studien mit sich selbst und seinen Schülern fand er Wege, Bewegungen systematisch zu verfeinern und sie zu vollkommenen - und so auch sein eigenes Knie wieder schmerzfrei zu bekommen.

"Die Grundidee von Feldenkrais ist, dass sich über die Wahrnehmung der Bewegungen und das Experimentieren in der Bewegung, die individuell richtige Bewegung ergibt", erklärt Silvia Raabe. Ein generelles Falsch oder Richtig gebe es für Feldenkrais nicht. Jeder Schüler sei vielmehr "Forscher in seinem eigenen Körper" und könne so seinen eigenen Weg in eine "leichtere Bewegung finden".

Feldenkrais sei überzeugt gewesen, dass Bewusstheit über das, was man tut und vor allem, wie man es tut, Freiheit, Kontrolle und Möglichkeit zur Veränderung gebe. Um aber dahin zu kommen, müssten wir uns auf das Niveau eines zweijährigen Kindes zurückbegeben. "Die Feldenkrais-Methode schaltet sich in den Teil des Gehirns ein, der die Muttersprache der Bewegung beinhaltet", erklärt Buchautor Jeremy Krauss, einer der wenigen Feldenkrais-Lehrer, die noch bei Feldenkrais selbst gelernt haben. Wie ein zweijähriges Kind müssten wir lernen, Bewegung mit unserem Denken und Fühlen zu verbinden.

Diese Fähigkeit verlören wir im Laufe des Lebens und deshalb merkten wir bisweilen auch gar nicht, dass sich "unser Körper im wahrsten Sinne des Wortes verschiebt". Wie in einem Haus, in dem die Steine richtig aufeinander liegen müssen, damit es stabil ist, so müsse auch die Organisation des menschlichen Skeletts eine bestimmte Ordnung haben, erklärt Feldenkrais-Lehrerin Raabe. Allerdings gebe es viele Stellen im Körper, an denen diese Ordnung - sei es durch mangelnde Bewegung oder einseitige Belastungen - durcheinander geraten sei. Weil uns dies oft gar nicht bewusst sei, hielten wir unbewusst regelrecht daran fest. "Wenn wir es aber schaffen, dort loszulassen, wo wir krampfhaft festhalten, dann setzt das Kraft frei", erklärt sie. Allerdings habe schon Feldenkrais erkannt, dass "Gewohnheiten zäh sind". Aus ihnen herauszuwachsen gehe nicht ohne Bewusstheit.

"Bewusstheit durch Bewegung" (Awareness through movement) heißt so der offizielle Titel der Feldenkrais-Gruppenkurse. Dass der Lehrer in den Stunden Übungen vormacht, sei übrigens tabu, betont Raabe. Schließlich solle jeder Teilnehmer seinen eigenen Weg, seine eigene angenehme Bewegung finden. Die bisweilen etwas ungewöhnlichen Aufgabenstellungen dienten dazu, sich anzusehen, wie das Gehirn mit neuen Situationen zurechtkommt.

Die Schauspielerin und Feldenkrais-Anhängerin Ulrike Folkerts etwa war im ersten Augenblick konsterniert, als ihre Feldenkrais-Lehrerin sie aufforderte, einmal mit links die Zähne zu putzen. "Wenn man als Rechtshänder dabei zusätzlich die Augen schließt, verliert man völlig die Orientierung im Mund, weiß nicht mehr wo oben und unten ist", beschreibt die 52-jährige im ihrem Buch "Das macht mich stark". Werde das Gehirn auf diese Art und Weise häufiger aus der Bahn geworfen, dann mache man sich eingeschliffene Handlungen bewusster. Und das sei die beste Voraussetzung, um Alternativen zu entwickeln. "Mache das Unmögliche möglich, das Mögliche leicht und das Leichte elegant", lautet schließlich auch eine Maxime von Feldenkrais.

Nach knapp 90 Minuten fordert Silvia Raabe ihre fünf Kursteilnehmer ein letztes Mal auf, in sich zu horchen. Noch einmal recken die fünf auf dem Rücken liegend ihre Arme gerade hoch und formen damit ein Dreieck. Langsam bewegen sie ihre Körper nach rechts. Dann auf die linke Seite. "Spürt ihr dass die Bewegung jetzt leichter wird?" Zustimmendes Murmeln von den Decken. Man hört gleichmäßige tiefe Atemzüge. "Merkt ihr, dass auch euer Atem jetzt anders ist? Da ist etwas dabei, aufzugehen."

Auch wenn Feldenkrais selbst seiner Methode eine spirituelle Dimension wahrscheinlich abgesprochen hätte - viele Teilnehmer sagen, dass die Übungseinheiten für sie nicht nur körperlich etwas Befreiendes haben. "Durch die Bewegungserfahrungen lernt man neue Möglichkeiten der Bewegung und des Denkens, Leichtigkeit, Ruhe, Entspannung und Zentrierung", erklärt Silvia Raabe. Die Konzentration auf den eigenen Körper und seine Bewegung helfe ihnen, zu entspannen und vom Alltag loszulassen, bestätigen ihre fünf Schüler.

Es gibt immer eine Alternative

"Dadurch, dass ich mich im meinem Körper besser fühle, kann ich auch besser abschalten", sagt eine der Teilnehmerinnen. Wichtig sei aber vor allem, dass jeder seinen eigenen Weg in die Leichtigkeit gehen dürfe. "Mich fasziniert, dass es immer eine Alternative gibt", ergänzt eine andere. Man müsse sich zu keiner Bewegung zwingen. Allein dadurch, dass man achtsam seinen Körper wahrnehme, merke man wie man regelrecht "entknittert" werde.

www.feldenkrais-koeln.de