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Caroline PetersSchauspielern gegen die Schüchternheit

Lesezeit 5 Minuten

Schauspielerin Caroline Peters

Sie kombiniert giftgrünen Rock mit gelber Bluse, ihr Ermittlungsstil ist auch nicht gerade subtil. Trotzdem gehört Ihre Sophie Haas zu den beliebtesten TV-Kommissarinnen. Warum?

"Mord mit Aussicht" ist wie ein Schwank angelegt. Sophie erinnert mich an Pippi Langstrumpf, ihre Kollegen Schäffer und Bärbel sind wie Tom und Annika. Sätze wie "Die Spurensicherung hat den DNA-Abgleich gemacht", gibt es bei uns nicht. Stattdessen finden wir Fußabdrücke oder einen Stofffetzen am Stacheldrahtzaun.

Fehlt nur noch, dass Sophie Haas eine Lupe aus der Handtasche zieht, oder?

Sie zieht die Lupe aus der Schreibtischschublade. Oft und gerne. Das hat was von Räuber Hotzenplotz. Dadurch gewinnen wir erzählerische Freiheiten, die die anderen nicht haben.

Polizeiwache, Forsthaus, eine Kirche: Ist Hengasch ein Musterbeispiel für die deutsche Provinz?

Stimmt nicht ganz. Zuschauer haben mich darauf aufmerksam gemacht, dass wir mittlerweile neun Kirchtürme gezeigt haben, die angeblich alle in Hengasch stehen.

Wie kommt das?

Es gibt keinen real existierenden Ort, an dem wir drehen. Wir ziehen mit dem Filmteam kreuz und quer durch die Umgebung und suchen uns die schönsten Orte aus. Da haben wir expandiert. Neun Kirchen! Natürlich gibt es auch Orte, die in fast jeder Folge auftauchen.

Zum Beispiel der Gasthof

. Die echten Besitzer des Gasthofs Röttgen in Neunkirchen-Seelscheid heißen tatsächlich Haas. Da begrüßen wir uns gegenseitig: "Tag, Frau Haas" - "Ja, auch Tag, Frau Haas."

In der neuen Staffel kommt ein Bürgermeister dazu, der sich in die Ermittlungen einmischen will. Das erinnert an die Serie "Um Himmels Willen". Absicht?

Keine Angst. Bevor Sophie Haas eine Nonne wird, fällt ihr ein Ziegelstein auf den Kopf. Oder sie wird vom Fuchs gebissen und stirbt an Tollwut. Ein schöner Landtod.

Bereiten Sie etwa schon Ihren Ausstieg aus der Serie vor?

Tue ich nicht. Und wenn, dann keinen so brutalen. Ich finde es ganz schrecklich, wenn Serienfiguren, die man mag, am Ende sterben.

Wird es also eine viertel Staffel mit Ihnen geben?

Das lässt die ARD noch offen, auch ich will mich nicht festlegen. Grundsätzlich gefällt mir die Idee, mit der Figur umzuziehen. Ich finde es toll, wenn Formate sich selbstständig machen und in anderem Kontext wieder auftauchen.

Wo würde Haas weiterleben?

Na, sie würde natürlich zurück nach Köln gehen, zur Mordkommission - dahin, wo sie herkommt.

Dann übernehmen Sie also bald den Tatort Köln?

Genau! Aber das wird eine harte Nuss. Schenk und Ballauf werden versuchen, Sophie zu mobben. Sie wäre der Underdog, der in der Provinz gelebt hat. Die Platzhirsche würden ihr das zu spüren geben.

Sie sind in Köln aufgewachsen, drehen viel in Köln, sind aber immer noch Ensemblemitglied am Burgtheater in Wien. Wo sind Sie zu Hause?

Früher bin ich zwischen Berlin, Köln und Wien gependelt. Das ist mir zu viel geworden. Heute bin ich hauptsächlich in Wien zu Hause. Mein Freund wohnt in Köln. Ich finde zwei Städte mehr als genug.

Könnten Sie sich vorstellen, nur noch in Köln zu leben?

So charmant die Kölner sind, sie sind auch übergriffig. Sie sind so rasend in ihre Dom-Stadt verliebt, dass sie sofort versuchen, einen zu vereinnahmen und zum "Kölsche Mädsche" zu machen.

Was heißt das für Sie?

Es ist ein Kompliment und heißt, dass man dazu gehört. Kölsch ist mehr als eine Nationalität. Man kann seine ganze Identität darauf aufbauen. Darauf, dass man Deutscher ist, kann man nicht so kritiklos stolz sein. Aufs Kölsch sein schon. Egal, ob es privat oder im Job gut oder schlecht läuft - du hast immer noch das eine Plus, das du allen anderen auf der Erde voraushast: Du bist Kölnerin.

Woher kommt Ihre Verbindung zum Theater?

Ich hatte schon mit 13 ein Theater-Abo. Außerdem bin ich bin familiär vorbelastet. In der Familie meines Vaters sind alle Mediziner. Es gibt eine komische Verbindung zwischen Medizinern und Schauspielern. Ein weiterer Grund für meine Berufswahl ist, dass ich wahnsinnig schüchtern bin.

Wie passt das zusammen?

Die Schauspielerei ist eine Form der Therapie. Ich habe Gott sei Dank nur noch ganz selten diese Schüchternheitsattaken. Früher gab es diese Momente oft.

Zum Beispiel?

Im Supermarkt stand ich an der Wursttheke und wartete. Als ich endlich an der Reihe war, war ich so verschüchtert, dass mir die Sprache wegblieb. Und dann schämte ich mich so sehr, dass ich gleich die nächste Nervenkrise bekam.

Woher kommt dieser Hang zum inneren Drama?

Ich komme aus einer nervösen Familie. Weil wir alle so nervös sind, haben wir einen Sinn fürs Komische. Humor ist das einzige Mittel, mit dem man Situationen retten kann.

Sie spielen die anspruchsvollsten Rollen am Burgtheater - und nur wenige Menschen kennen Sie. Dann spielen Sie eine TV-Serie und sind über Nacht berühmt. Ungerecht?

Ich frage mich wirklich, was das wert ist. Am Anfang fand ich es nur seltsam, wenn ich von Fremden angesprochen wurde.

Sind Ihre Fans aufdringlich?

Nein. Aber sie sprechen mit mir, als gäbe es da noch eine andere, die direkt vor mir steht, die ich aber nicht kenne.

Eine unbekannte Zweite?

Eine unbekannte Dritte! Es gibt erstens mich - Caroline Peters. Dann gibt es zweitens Sophie Haas, die ich erfunden habe. Und dann gibt es noch diese merkwürdige dritte Person, die immer auf der Straße angesprochen wird.

Wie gehen Sie damit um?

Die Leute wissen sehr wohl, dass ich nicht Sophie Haas bin. Aber mich, Caroline Peters, privat und persönlich, kennen sie ja auch nicht. Also sprechen sie diese Person an, die sie zu kennen glauben. Ich weiß nie, wie ich "die Dritte" spielen soll. Muss ich einen lockeren Spruch machen? Oder sage ich einfach "danke" und gehe weiter? Das ist mir unangenehm, und deswegen ist es mir wichtig, dass ich mich auf keinen Fall auf einen Charakter festlege.

So wie Mutter Beimer in der Lindenstraße?

Da stelle ich mir vor, wie man auf einer Party gefragt wird, was man denn von Beruf ist. Der eine sagt, er ist Goldschmied, der andere ist Mathe-Lehrer - und man selber ist dann Mutter Beimer. Das wäre seltsam.