„Fett macht fett“Die zehn größten Ernährungsmythen im Check

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Salat hat weniger gesunde Inhaltsstoffe als etwa Tomaten.

Salat hat weniger gesunde Inhaltsstoffe als etwa Tomaten.

Es gibt Gewissheiten, die sich Jahrzehnte halten – und plötzlich als falsch entlarvt werden. Beispiel: Spinat und sein Eisengehalt. Vor 100 Jahren hatte sich jemand beim Schreiben einer Nährwert-Tabelle um eine Kommastelle vertan. Seit dieser Zeit wurde dem Spinat zehn Mal mal mehr Eisen zugesprochen, als er wirklich hat. Wir untersuchen andere Lebensmittel:

Zucker macht süchtig

Einfache Antwort: Nein. Haushaltszucker, also Saccharose, macht erwiesenermaßen nicht abhängig. Allerdings können zuckerhaltige Lebensmittel Belohnungsreaktionen im Gehirn auslösen und so durchaus zu suchtähnlichem Verhalten führen – zum Beispiel dazu, dass man die ganze Tafel Schokolade aufisst, obwohl man doch nur ein Stück naschen wollte. Die Vorliebe für Süßes ist dem Menschen übrigens angeboren: Schon Babys lächeln, wenn sie etwas Süßes schmecken.

Zucker: Die Vorliebe für Süßes ist dem Menschen angeboren.

Zucker: Die Vorliebe für Süßes ist dem Menschen angeboren.

Aber warum? „Als Urmensch war es extrem wichtig, genügend Kalorien aufzunehmen, um bevorstehende Hungerperioden zu überstehen“, erklärt Jasper Caven, Ernährungsberater und Personal Trainer aus Berlin. Unser Geschmack sei seit Urzeiten darauf getrimmt, Lebensmittel mit viel Fett oder Zucker als besonders lecker zu identifizieren:„Hätte der Urmensch den ganzen Tag Brokkoli und Salat gegessen, wäre er verhungert.“ Damals gab es jedoch genug Hungerperioden, in welchen er auch über jedes Salatblatt glücklich war. Die gibt es heutzutage nicht mehr - dafür aber Schokolade, Eis und Pommes. „Damit hat die Natur nicht gerechnet“, so Caven. „Zucker macht also nicht süchtig, der moderne Mensch hat nur Ernährungskreationen entwickelt, die unseren Urgeschmack und damit unser Verlangen auf Hochtouren bringen.“

Übergewicht ist erblich

„Ich kann nichts dafür, dass ich so dick bin, das ist Veranlagung!“ Dieser Satz stimmt tatsächlich manchmal – und auch wieder nicht. Adipositas, also krankhaftes Übergewicht mit einem Body-Mass-Index (BMI) von über 35, tritt in Familien erwiesenermaßen gehäuft auf. Das erklärt sich zum einen über ähnliche Ernährungsgewohnheiten und sozioökonomische Bedingungen. Doch Wissenschaftler haben auch nachgewiesen, dass etwa Adoptivkinder dicker leiblicher Eltern, obwohl sie in einem anderen familiären Umfeld aufwachsen, oft selbst dick werden.

Es gibt also durchaus eine genetische Veranlagung für die Entstehung von Adipositas. Das bedeutet aber nicht, dass Übergewicht ein unausweichliches Schicksal ist. Denn auch die Genetik setzt nicht den menschlichen Stoffwechsel außer Kraft. Und der funktioniert ganz einfach: Wird mehr Energie (in Form von Nahrung) zugeführt als verbraucht wird, nimmt der Mensch an Körpermasse zu. Wird weniger Energie aufgenommen als verbraucht, nimmt er ab. Es kann jemandem mit entsprechender genetischer Disposition also schwerer fallen, abzunehmen - letztlich liegt es aber nicht an seiner Veranlagung, ob er übergewichtig ist oder nicht, sondern daran, wie viele Kalorien er zu sich nimmt.

Fett macht fett

Fakt ist: Fett hat mehr Kalorien als die anderen beiden Makronährstoffe Kohlenhydrate und Eiweiß. Mit 9,3 Kalorien pro Gramm schlägt Fett in der Kalorienbilanz deutlicher zu Buche und macht gemeinhin auch noch weniger satt. Fett macht trotzdem nicht zwingend fett: Was zählt, ist auch in diesem Fall die Kalorienbilanz. Ist sie ausgeglichen, nimmt man auch bei einer eher fettbetonten Ernährung nicht zu.

Vor allem Frauen sollten aus hormonellen Gründen darauf achten, nicht zu wenig Fett zu sich zu nehmen. Etwa ein Gramm Fett pro Kilogramm Körpergewicht sollte es sein. Für Mann wie Frau gilt: Es sollten mehr ungesättigte als gesättigte Fettsäuren auf dem Teller landen, also öfter mal Fisch statt Fleisch oder Nüsse statt Chips und Keksen. Vor allem Omega-3-Fettsäuren wirken sich positiv auf das Herz-Kreislauf-System aus und verringern das Risiko für viele Krebsarten. Gute Lieferanten sind etwa Lachs, Lein- oder Rapsöl sowie Lein- oder Chiasamen.

Kohlenhydrate (am Abend) machen dick

Hatte früher vor allem das Fett einen schlechten Ruf, sind es heute die Kohlenhydrate, die als „Dickmacher“ verteufelt werden. Programme wie die Paleo-Diät oder „Schlank im Schlaf“ haben den Gedanken gefördert, dass Kohlenhydrate das Gewicht in die Höhe schnellen lassen, insbesondere dann, wenn sie nach 18 Uhr abends verzehrt werden. Richtig ist, dass vor allem einfache Kohlenhydrate dafür sorgen, dass viel Insulin ausgeschüttet wird, und dass der Fettabbau erleichtert wird, wenn der Insulinspiegel über längere Zeit (also zum Beispiel über Nacht) niedrig gehalten wird. Aber: Ohne Kalorienüberschuss wird auch kein zusätzliches Fett aufgebaut. Wer also nicht mehr isst, als er verbraucht, nimmt auch nicht zu.

 Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit

Eine bekannte Weisheit lautet: „Frühstück wie ein Kaiser, Mittagessen wie ein König, Abendessen wie ein Bettler“. Falsch machen kann man damit sicher nichts, zumindest wenn man gern frühstückt. Einfluss auf das Körpergewicht hat die Verteilung der Mahlzeiten über den Tag jedoch nicht. Wie immer zählt auch hier, wieviele Kalorien man am Ende zu sich nimmt – egal, ob es morgens, mittags oder abends ist. Für manche ist auch Intervallfasten, das aktuell im Trend liegt, geeignet. Wer also lieber abends seine größte Mahlzeit isst: Guten Appetit!

„Wenn man schon eine Mahlzeit als die wichtigste des Tages küren wollte, dann wäre es die Mahlzeit direkt nach einem intensiven Krafttraining“, ergänzt Ernährungsexperte Jasper Caven. Diese könne die Regeneration beschleunigen und die Immunschwächung nach einem Training reduzieren. „Und das Beste ist: Nach einem intensivem Krafttraining nimmt der Körper Kohlenhydrate auf, ohne das Hormon Insulin auszuschütten“, so Caven. Das senke auch das Diabetesrisiko.

Eiweiß brauchen nur Sportler

Es ist ein weit verbreitetes Vorurteil: Proteinshakes sind doch nur was für Bodybuilder. Tatsächlich gehören Eiweiße zu den wichtigsten Bausteinen des Körpers und bestehen aus lebensnotwendigen Aminosäuren. Wer regelmäßig trainiert, hat in der Tat einen erhöhten Proteinbedarf. „Die meisten Menschen wissen bereits, dass Eiweiß für den Muskelaufbau wichtig ist“, sagt Jasper Caven. Tatsächlich sei aber der Eiweißbedarf beim Abnehmen noch höher: „Je niedriger die verzehrte Kalorienmenge und je niedriger der Körperfettanteil, desto eiweißreicher sollte gegessen werden“, erklärt er. Der zusätzliche Vorteil hierbei: Eiweiß hält lange satt und erleichtert somit die Diät.

Nur, wenn genug Protein zugeführt wird, bleiben Muskeln und somit der Grundumsatz des Körpers erhalten – so verhindert man vereinfacht gesagt den gefürchteten „Jojo-Effekt“ nach einer Diät. Teure Shakes braucht man übrigens nicht, um seinen Eiweißbedarf zu decken: Fleisch, Quark und Eier tun es auch.

Eier enthalten Mikronährstoffe wie Folsäure, Phosphor, Natrium, Kalium, Calcium und Vitamin A, D, K, B6.

Eier enthalten Mikronährstoffe wie Folsäure, Phosphor, Natrium, Kalium, Calcium und Vitamin A, D, K, B6.

Vegetarier bekommen zu wenig Nährstoffe

Apropos Fleisch, Quark, Eier: Wer ganz oder teilweise auf tierische Produkte verzichtet, kann doch gar nicht alle wichtigen Nährstoffe bekommen, die der Körper braucht. Oder? Vegetarische und vor allem vegane Kost gilt hierzulande noch immer als „Mangelernährung“. Tatsächlich sollten gerade Veganer (aber auch alle anderen) auf die Zufuhr von Vitamin B12 achten, das unter anderem wichtig für Zellschutz und Blutbildung ist. Da es vor allem in Milchprodukten vorkommt, fehlt es vegan lebenden Menschen oft, sie sollten ein entsprechendes Nahrungsergänzungsmittel einnehmen.

Auch mit der Proteinzufuhr haben es gerade Veganer etwas schwerer, zumal tierisches Eiweiß vom menschlichen Körper besser aufgenommen wird als pflanzliches. Durch die richtige Kombination von Lebensmitteln können aber auch Veganer für eine ausreichende Proteinzufuhr sorgen.

Salat ist gesund

Vielen gilt er immer noch als Inbegriff des gesunden Essens: Ein großer Teller grüner Salat. Aber ist das wirklich wahr? Die Antwort lautet: Jein. Zwar bestehen die Salatblätter fast nur aus Wasser und haben dadurch schon naturgemäß weniger gesunde Inhaltsstoffe als etwa Tomaten, Möhre oder Paprika. Dafür ist aber in Salat mehr Folsäure enthalten, die wichtig für die Zellteilung ist. Wichtig ist es, Salat zu kaufen, der gerade Saison hat: Kopfsalat etwa enthält im Winter kaum Vitamine und schmeckt auch ziemlich fad. Kombiniert mit viel frischem, rohem Gemüse kann Salat der Saison eine sehr leckere und gesunde Mahlzeit sein – am besten mit einer guten Eiweißquelle, damit es auch satt macht.

Zu viele Eier erhöhen den Cholesterinspiegel

Höchstens zwei bis drei Eier pro Woche – so lautet bis heute die Empfehlung. Zu viele Eier lassen angeblich den Cholesterinspiegel in die Höhe schnellen und erhöhen somit das Risiko für Herzkrankheiten. Dabei hat das Ei seinen schlechten Ruf wahrlich nicht verdient: Es hat eine optimale biologische Wertigkeit und enthält zahlreiche wichtige Mikronährstoffe wie Folsäure, Phosphor, Natrium, Kalium, Calcium und Vitamin A, D, K, B6 und B12.

Tatsächlich enthalten Eier aber auch viel Cholesterin. Dass sie das „böse“ LDL-Cholesterin erhöhen, konnte jedoch bisher nicht nachgewiesen werden. Wer seinen Cholesterinspiegel senken möchte, sollte vielmehr seine Ballaststoffzufuhr erhöhen, betont Ernährungsberater Jasper Caven. „Ballaststoffe befördern Gallensäure aus dem Körper. Der Körper braucht die Gallensäure jedoch, um Fett zu verdauen, darum produziert er neue Gallensäure aus Cholesterin. Das Ergebnis: Der Cholesterinspiegel im Blut sinkt.“

Diäten zerstören den Stoffwechsel

Das kennen viele, die eine oder mehrere Diäten hinter sich haben und wieder „normal“ essen wollen: Man kann noch so sehr auf die Ernährung achten, das Gewicht schnellt scheinbar unaufhaltsam wieder nach oben, und im schlimmsten Fall ist man am Ende dicker als vorher. Klarer Fall: Der Stoffwechsel ist eingeschlafen.

Gute Nachrichten: Das kann nicht passieren. Der Stoffwechsel funktioniert auch nach einer Diät genauso wie vorher. Allerdings sinkt der Kalorienverbrauch schon dadurch, dass man weniger Gewicht mit sich herumträgt, das Energie verbrennen kann. „Gerade Crashdiäten haben meist einen großen Muskelverlust zur Folge, was den Kalorienverbrauch stark drosselt“, so Caven. Wird anschließend wieder „normal“ gegessen, nimmt man mit der gewohnten Kalorienmenge bereits zu. Außerdem bewegen sich Menschen, die über längere Zeit diäten, meist weniger.

Aber was ist der Ausweg aus diesem Teufelskreis? Ganz einfach: Mehr Bewegung, und zwar ganz bewusst. Also: Treppe statt Aufzug, Fahrrad statt Auto oder ein Spaziergang in der Mittagspause.

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