Interview zur Kunstakademie DüsseldorfDer kulturelle Pulsschlag der Stadt

Blick auf das Bild „Heile Welt“ in der Düsseldorfer Galerie Cosar HMT.
Copyright: (Fotos: Grönert)
Köln – Wer Düsseldorf nur mit Mode, Malerfürsten und Punk assoziiert, sollte sich aufden Weg machen. Eva Reik sprach mit der Rektorin der Kunstakademie in Düsseldorf, Rita McBride, und dem Professor für Bildhauerei Thomas Grünfeld über die Kunst- und Kulturszene.
Wenn man einen Eindruck von Düsseldorf als Kunststadt bekommen möchte, welche Galerien, Sammlungen und Ausstellungen sollte man sich anschauen?
Zur Person
Die Künstlerin Rita McBride ist noch bis August Rektorin der Kunstakademie Düsseldorf. Vier Jahre hatte sie dieses Amt inne. Sie wurde 1960 im US-Bundesstaat Iowa geboren, studierte Kunst in Los Angeles. 2003 wurde sie als Professorin nach Düsseldorf berufen. Ihr Werk entstammt dem amerikanischen Minimalismus, sie verbindet die Kunst mit soziologischen Aspekten. Ihre Arbeiten, häufig monumentale Skulpturen, haben architektonischen Charakter, etwa die 52 Meter hohe Skulptur am Effnerplatz in München. Dieses Jahr folgen noch Ausstellungen in Brüssel, New York und der Konrad Fischer Galerie Berlin.
Am 6. Juli wird in Köln ihre neueste Arbeit im öffentlichen Raum eingeweiht: „Obelisk of Tutankhamun“ am Breslauer Platz.
Rita McBride In der Stadt gibt es natürlich ein paar große, sehr bekannte Galerien, die auf dem internationalen Kunstmarkt mit einem Portfolio renommierter Künstler erfolgreich sind. Wenn man aber sehen möchte, was Düsseldorfer Künstler und jüngere Kollegen hervorbringen, dann empfehle ich die Galerien Van Horn, Linn Lühn, Cosar HMT, Max Mayer und Setareh. Außerdem rate ich zu einem Besuch im Kunstverein und der Sammlung Philara. Im Kunstraum Sparta in der Akademie gibt es Talks und Kolloquien, allerdings ist der Raum nur halb-öffentlich. Je nach Programm können auch externe Besucher kommen.
Ist der Fokus „jung“ und „aus Düsseldorf“ die einzige Gemeinsamkeit bei den genannten Adressen?
Rita McBride Es sind alles Galerien mit einem eher konzeptionellen Programm. In der Kunstsammlung Philara von Gil Bronner können sich die Besucher Exponate der ständigen Sammlung anschauen und eben auch die wechselnden Ausstellungen. Dabei legen die Ausstellungsmacher Wert auf eine Abfolge von jüngeren und renommierteren Künstlern. Die jüngsten Strömungen lassen sich bei der vorgeschlagenen Tour jedenfalls ganz gut erkennen.
Thomas Grünfeld Ich habe dann nur noch den jährlichen Rundgang in der Kunstakademie am Ende des Wintersemesters hinzuzufügen. Dieser eröffnet einen wirklich guten Einblick ins Geschehen. Wir zählen seit Jahren um die 45 000 Besucher. Das muss man sich mal vorstellen, das sind mehr Besucher als manches Museum im Jahr hat. Eine Woche lang zeigen die Studenten ihre Jahresabschlussarbeiten der Öffentlichkeit. Für Sammler und Galeristen auf der Suche nach vielversprechendem Künstlernachwuchs gilt der Rundgang als Talentbörse.
Welchen Einfluss hat die Kunstakademie auf das kulturelle Leben in Düsseldorf?
Zur Person
Der Künstler Thomas Grünfeld wurde 1956 in Leverkusen geboren. Er lebt und arbeitet in Köln. Bis zum Jahreswechsel 2016/17 war er Dekan an der Akademie. Er ist dort seit 2004 Professor für Bildhauerei. Seine künstlerische Ausbildung erhielt er an der Kunstakademie Stuttgart. Die erste Retrospektive zeigte das Museum Morsbroich 2013, seine Arbeiten werden regelmäßig weltweit ausgestellt. Bekannt wurde er durch die Skulpturenreihe „Misfits“, hybride Tierpräparate, die sich thematisch mit der Genmanipulation auseinandersetzen. In seinen großformatigen Bildern aus dem Bastelmaterial Filz spielt er mit dem Hin und Her zwischen Attraktion und Zurückweisung.
Die nächste Ausstellung ist in der Kunstsammlung Philara in Düsseldorf zu sehen. Eröffnung: 1. September 2017.
Thomas Grünfeld Wenn man jedes Event, jede Ausstellung, jede Lesung, die mit der Akademie oder den Studenten zu tun haben, besuchen würde, könnte man daraus locker einen Vollzeitjob generieren. Die Akademie sorgt für den kulturellen Pulsschlag in der Stadt. Dabei ist sie keine abgehobene Institution, sondern sorgt mit ihren vielfältigen Querverbindungen in andere künstlerische Metiers wie Musik und Literatur für einen lebendigen Spirit in einer breiten Bevölkerungsschicht. Wir sind keine Insel in der Altstadt.
Rita McBride Die meisten Studenten und Professoren sind sehr aktiv. Die Kunst ist in der Stadt fester Bestand im kulturellen Leben. Da ich auch in Los Angeles lebe, habe ich noch mal einen ganzen anderen Blick und kann sagen, dass die Aktivitäten, die von der Akademie ausgehen, sehr geschätzt werden. Das ist charakteristisch für die Stadt.
Sie sprechen von Spirit, wie würden Sie für Außenstehende denn die Essenz der Akademie beschreiben?
Thomas Grünfeld Ich würde sagen, es ist die freiheitliche Lehre. Nach dem sogenannten Orientierungsbereich, dem Grundjahr, sucht sich der Studierende einen Professor, je nach Neigung. Und der Professor schaut, ob die Chemie stimmt. Man hat die Studenten ja ein paar Jahre, deshalb ist es wichtig, dass das Verhältnis stimmt. Grundsätzlich gilt: Die Jüngeren lernen von den Älteren, das ist wie in einer Familie mit vielen Geschwistern. Der Professor kommt in der Regel einmal die Woche, dazwischen sollen sie lernen, ihre Arbeiten relational zu denen ihrer Kommilitonen zu sehen und sich untereinander zu helfen. Wir erwarten, dass die von uns ausgewählten Leute im Saft stehen und machen – nicht abwarten, bis ihnen einer sagt, was sie tun sollen. Noten gibt es nicht. Das hat mit unserer Überzeugung zu tun, dass Kunst nicht benotbar ist. Am Ende bekommt jeder zur Prüfung Zugelassene den Akademiebrief, im Grunde ein Fantasiedokument im Unterschied zu BA und MA. Von allen relevanten internationalen Kunsthochschulen oder Ausstellungshäusern wird er jedoch als Qualifikationsnachweis dem MA gleichgesetzt.

Blick auf das Bild „Heile Welt“ in der Düsseldorfer Galerie Cosar HMT.
Copyright: (Fotos: Grönert)
Frau McBride, Sie sind noch bis August Rektorin , was hat sich in Ihren vier Jahren hier verändert?
Rita McBride Mein Interesse war es, die Klassen mehr zu öffnen. Dafür habe ich ein „Student Program“ eingerichtet, zu dem jede Woche ein anderer internationaler Künstler eingeladen wird. Maler, Musiker, Philosophen. Weil heute durch die Bilderflut, der wir durch die digitalen Medien ausgesetzt sind, nicht nur der Diskurs anders ist, sondern auch Prozess und Praxis. Mit den Professoren Marcel Odenbach und dem Neuzugang Johannes Paul Raether bekomme ich Unterstützung für diesen Weg. Mit 40 Jahren ist er der jüngste Professor und nimmt sich vor allem dem Thema Performance an.
Herr Grünfeld, Sie sind in Leverkusen neben dem Stadion geboren, lehren in Düsseldorf und leben seit Jahrzehnten in Köln. Wie würden Sie im Moment das Verhältnis zwischen den Städten aus künstlerischer Sicht beschreiben?
Thomas Grünfeld Ich habe die Konkurrenz nie richtig ernst genommen, habe das eher immer als folkloristischen Gag empfunden. Vor zehn Jahren wurde das gemeinsame Galerien-Eröffnungswochenende im September begründet, DC Open. Eine sehr schöne Sache, auch die Kooperationen unter den Galerien sind eine gute Entwicklung. Jetzt muss man sehen, im November, wenn in Düsseldorf die neue Kunstmesse eröffnet, wie es sich auf das Verhältnis auswirkt.
Daniel Hug, der Leiter der Art Cologne, sprach kürzlich von einem Angriff aus Düsseldorf. Zumal die Art Düsseldorf einen starken Partner hat, die Art Basel.
Thomas Grünfeld Wie gesagt, man muss es sehen. Aus Düsseldorfer Sicht schmückt es die Stadt natürlich ungemein. Die alte Städte-Konkurrenz belebt vielleicht das Geschäft für alle.
Adressen
Sammlung Philara
Birkenstraße 47, 40233 Düsseldorf
www.philara.de
COSAR HMT
Flurstr. 57 / 40235 Düsseldorf
www.cosarhmt.com
Kunstverein Düsseldorf
Grabbeplatz 4, 40213 Düsseldorf
kunstverein-duesseldorf.de
Kunstakademie Düsseldorf
Eiskellerstraße 1,40213 Düsseld
www.kunstakademie-
duesseldorf.de
Dann sind wir nun doch bei der Folklore: Welches sind die Hauptunterschiede zwischen den beiden Kunststädten am Rhein?
Thomas Grünfeld Düsseldorf hat mehr Geld! Die Stadt war höfisch und zelebriert heute noch diesen Charakter. Sie müssen sich nur anschauen, wie zurechtgemacht die Frauen über die Kö gehen. Sowas sieht man in dieser Dichte in Köln nicht. Durch das vorhandene Geld sind natürlich auch die Künstler, die Studenten sehr verwöhnt. Wir Künstler in Köln, zumindest in meiner Generation, wären überhaupt nicht auf die Idee gekommen, nach Geld zu fragen, wir hätten noch nicht mal gewusst, wo. Dieses Geld prägt den Charakter, weil die Kunst gefördert wird – auf privater Ebene wie auf städtischer. Im Kulturamt der Stadt Düsseldorf kennt jeder Beamte jeden Künstler, ja fast jeden Absolventen der Akademie. Wir Künstler in Köln sind eher durch Vernachlässigung sozialisiert worden. Als sich die Stadt Köln 2004 als Kulturstadt beworben hat, hat der damalige Oberbürgermeister Schramma den Bananensprayer Thomas Baumgärtel und HA Schult mit zur Präsentation genommen. Gerhard Richter, Sigmar Polke oder Rosemarie Trockel hätten sicher auch etwas zu sagen gehabt. Aber: Durch diese Vernachlässigung herrscht eben bis heute ein anderes Klima. Durch weniger Hilfe müssen sich die Künstler und Galeristen schneller der Realität stellen. Dadurch scheint es in Köln vielleicht einfacher, als junge Galerie wahrgenommen zu werden, ich denke zum Beispiel an Ginerva Gambino oder Rob Tuffnell. Ob Cutting-Edge-Galerien wie Daniel Buchholz in Düsseldorf so in Ruhe hätten wachsen können– ich weiß es nicht.