Kosmetik und PflegeSchminktipps für die Haut ab 35

Die Zahl der Farben geht gegen unendlich. Weniger ist meistens mehr, sagt der Visagist Tom Herrmann.
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Köln – "Eine 18-Jährige kann ich mit Rote-Bete-Saft schminken und sie sieht immer noch toll aus. Eine 35-Jährige nicht." Nicht etwa, weil die 35-Jährige keine schöne Erscheinung sei, sondern weil die Haut spätestens ab diesem Alter "bedürftig ist". Das sagt Make-up-Artist und Visagist Tom Herrmann, der sich nicht nur so nennt - was viele tun -, sondern in diesen Berufen und als Colorist und Friseur ausgebildet ist. Bedürftig sei die Haut, weil die Poren bereits tiefer und die Fältchen stärker sind. Mehr noch, die klaren Linien und Konturen des Gesichts verschwimmen laut Herrmann: "Alter erkennt man nicht nur an Falten, sondern auch daran, dass Ohren, Oberlippe und Nase länger werden und letztere noch einen Knick nach rechts oder links bekommt." Mag man die Veränderungen an Ohren und Nase noch irgendwie hinnehmen - die längere Oberlippe ist sichtbar unschön. Denn, so Herrmann: "Ein Zeichen für Jugendlichkeit ist, wenn man beim Lachen die Schneidezähne sieht." Nun kann man sich ob der Erkenntnis einen Sack über den Kopf ziehen oder aber "mit der richtigen Schminktechnik versuchen das auszugleichen - aber nicht zu übermalen".
Deckendes Make-up punktuell auftragen
Das fängt mit der Wahl des richtigen Make-ups an. "Gern wird ein gut deckendes gekauft, doch leider stellt man schnell fest, dass dadurch Falten noch stärker auffallen und doppelt so tief wirken können." Deckendes Make-up sollte punktuell aufgetragen werden bei Rötungen, Narben, Schatten oder Flecken. Für den Rest des Gesichts ist die leichte Variante die richtige Wahl, vorausgesetzt sie ist hochwertig. "Je größer die Fläche ist, die ich bearbeite, desto hochwertiger sollten die Inhaltsstoffe sein. Das heißt aber nicht: sündhaft teuer." Produkte, die diesen Anforderungen gerecht werden, bevorzugen auch Profis, sind laut Herrmann aber für alle erhältlich und erschwinglich - unter anderem in den großen Kaufhäusern. "Enthalten sind darin gute Rohstoffe, Pigmente und sonst nichts. Und sie sind dermatologisch unbedenklich. Denn die, die es berufsmäßig anwenden, können es sich nicht leisten, ihre Haut zu ruinieren."
Das richtige Augen-Makeup
Wer also für die große Fläche des Gesichts etwas tiefer in die Tasche greifen will, könne bei den kleinen Gesichtsfeldern sparen, denn: "Für Lidschatten muss man nicht unbedingt viel Geld ausgeben." Auf der Mini-Fläche des Augenlids erziele man natürliche Effekte mit matten Lidschattenfarben, "weil Glanz alles noch älter erscheinen lässt und das Gegenteil von frisch ist". Der äußere Augenwinkel müsse der dunkelste Punkt sein, der nach oben zeigt, was wörtlich zu nehmen sei, damit das Auge offen und wach wirke. Wer allerdings als Reaktion auf sein vermeintlich schönes Augen-Make-up von seinem Gegenüber hört "Oh, das ist ja ein toller Lidschatten", sollte seinen Auftritt überdenken. Denn das geschminkte Auge gehört laut Herrmann zum Gesamtbild des Gesichts und sollte nicht hervorstechen. Es sei denn, so Herrmann, man entscheidet sich für ein plakatives Make-up mit dunklen oder gar schwarzen Augenlidern.
Die matte Farbversion - fürs Augenlid optimal - sollte ebenfalls für die Augenbrauen gewählt werden. Tom Herrmann gibt die Grundregel an: "Augenbrauen müssen charaktervoll sein. Die Farbe ist das Wichtigste. Augenbrauen sollten dunkler sein als das Kopfhaar - und damit meine ich nicht etwa die aktuelle Haarfarbe, sondern die, die man ursprünglich hatte. Und Brauen müssen heller sein als die getuschten oder naturbelassenen Wimpern." Nachhelfen kann man bei Brauen mit Farbpuder oder mit Permanent-Make-up. "Letzteres sieht aber nur schön und natürlich aus, wenn schattiert wurde und die Brauen-Breite von der Mitte nach außen hin ausläuft." Das Gegenteil sei leider oft der Fall, so Herrmann, zu dem Ratsuchende kommen, denen die Permanent-Künstlerin zwei dauerhaft dunkle Striche ins Gesicht "gezaubert" hat.
Der Mund als kritischer Punkt
Wer sich von der oberen Gesichtshälfte erfolgreich runtergearbeitet hat bis zum Mund, trifft auf den sensibelsten Punkt vieler Frauen. Überaus selbstkritisch gingen die meisten mit sich ins Gericht: Die Lippen seien zu schmal, der Mund nicht schön geschwungen, die Lippenstift-Farbe verlaufe in den kleinen Mundfältchen. Fakt ist, dass die Natur es mit dem alternden Gesicht nicht wirklich gut meint. Junge Menschen haben eine schöne Mundform, weil sie einen hellen Rand um die Lippen haben - quasi die weiche sinnliche Kontur, die optisch für Volumen sorgt. Diesen hellen Rand nennt man laut Herrmann Milchrändchen. Ähnlich wie bei Milchzähnen ist dieses Phänomen vergänglich. Folglich müsse man nachhelfen. "Das klappt mit Concealer am besten und danach mit einem Lippenstift in Profi-Qualität, der nur aus Fett und Pigmenten besteht."
Wer's knallig im Farbton liebt, trägt zuerst die unauffällige Farbe auf, um die Konturen zu korrigieren, und legt den Knall-Ton darüber. Das Auslaufen der Farbe in die dünnen Lippenfältchen verhindert laut Herrmann ein Wachsstift, der auf die Lippenränder aufgetragen, und als Alternative eine Fixierung, die wie Nagellack über den Lippenstift gelegt wird.
Der falsche Rouge kann alles ruinieren
Das schönste Gesichts-Styling lässt sich locker mit dem falschen Rouge ruinieren. Visagist Herrmann: "Das Rouge nach innen aufs Gesicht zu ziehen ist der größte Fehler. Wenn man 20 ist, sieht das ganz süß aus, aber jenseits dieses Alters wirkt es nur noch so, als hätte man hohes Fieber." Die Wahl des Farbtons Pink sei eine gewisse Gratwanderung, denn "zu pinkig kann oft leicht nuttig wirken", es sei denn, man beachtet die Regel: Je pinkfarbener das Rouge, desto besser muss es platziert sein. Es reiche aus so zu wirken, als käme man gerade von einem Spaziergang im Wald zurück - frisch und gesund. Verteilt wird vom Jochbein Richtung Kiefergelenk, wo die dunkelste Färbung sein darf.
So bin ich, so fühl ich mich wohl
Das vorrangige Ziel all dieser Schritte ist, nicht so auszusehen, als sei man gut geschminkt, sondern natürlich zu wirken, damit man bedenkenlos über sich selbst sagen kann: So bin ich und so fühl ich mich wohl. Und: Auch diejenigen können und sollen mit Schminktechniken klar kommen, die nicht so geübt darin sind. Tom Herrmann gibt denen, deren Credo ist "Bloß nicht schminken", den Rat: "Spätestens wenn mir jemand sagt, ,Du siehst aber müde aus, hast du schlecht geschlafen?', ich mich aber topfit fühle und gut geschlafen habe, sollte ich mir Gedanken über mein Äußeres und mein Make-up machen."
Tusche und Verlängerung
Wimperntusche: Wer pumpt, bevor er tuscht, in der Hoffnung, dass so mehr Farbe am Bürstchen haften bleibt, der erzielt nur eins: Die Wimperntusche trocknet durch die Luftzufuhr aus. Eingetrocknete Wimperntusche wird wieder cremig, wenn man ein paar Tröpfchen jener Augentropfen hinein träufelt, die auch bei trockenen Augen helfen oder aber etwas Kontaktlinsen-Flüssigkeit verwendet. Richtig ist, das biegsame Bürstchen der Wimperntusche im Behälter so zu drehen, dass es die Farbe von den Rändern aufnehmen kann. Wimpern-Extensions: Dichte und lange Wimpern hat die Natur den wenigsten Frauen mitgegeben. Die Wimpern zu verlängern und zu verdichten ist absolut "in". Auf jedes Wimpernhärchen wird ein künstliches Härchen gesetzt. Die Prozedur dauert in der ersten Sitzung gute 90 Minuten und kostet happige 175 Euro. Alle drei Wochen muss nachgebessert werden. Tom Herrmann: "Das hat Suchtcharakter. Wer einmal angefangen hat, kann nicht mehr aufhören, denn je schöner und dichter die Wimpern, desto weniger Make-up ist nötig." Viele wählen bei Wimpern-Extensions die preisgünstige Variante, bei der drei Härchen auf das eigene Wimpernhaar gesetzt werden. Tom Herrmann: "Dabei machen die eigenen Wimpern allerdings schlapp und fallen aus." (mas)